Kunsthandel Preismargen: Eine Frage von Erfahrung, Intuition und Hoffnung

Auf die Marge wirken verschiedene Faktoren ein. In diesem Fall gingen durch die Überbronzierung im 19. Jahrhundert silberne Details verloren. Hätte die Skulptur ihre Silbertauschierung noch, wären für sie mindestens 14.000 Euro anzusetzen.
Düsseldorf Über die Art und Weise, wie der Kunsthandel seine Preise kalkuliert, kursiert ein böser Witz: „Vor den Einkaufspreis eine Eins setzen oder dahinter eine Null oder verdoppeln.“
Was Kunsthändler auf ihren Einkaufspreis draufschlagen, gehört zu den wohl gehüteten Geheimnissen des Berufsstandes. Bekannt sind zwar die aus Auf- und Abgeld zusammengesetzten Margen öffentlich versteigernder Auktionshäuser. Die Handelsspannen von Kunsthändlern kennen – auch wegen Daten- und Persönlichkeitsschutz – in der Regel nur die Finanzämter.
Öffentlich zugängliche Quellen wie die 2010 ins Netz gestellte Datenbank mit den Ankaufs- und Verkaufsunterlagen der Münchener Galerie Heinemann oder die am Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZI) bewahrten Geschäftsunterlagen der historischen Kunsthandlung Julius Böhler gehören zu den Ausnahmen. Die Usancen bei der Preisgestaltung sind entsprechend schlecht erforscht und selten ein Thema; Misstrauen deshalb programmiert.
Nur berührt, jedoch nicht eigens erörtert wurde das Thema Marge jüngst auf einem Kolloquium des ZI. Hier ging es wie berichtet um die Schwierigkeiten, einen „angemessen Marktpreis“ im Zusammenhang mit dem Verkauf von Kunst in der NS-Zeit zu bestimmen und die Frage, ob er als Kriterium für die Restitutionspraxis taugt.
Besonders anschauliche Beispiele lieferten die von der Kunstwissenschaftlerin Birgit Jooss ausgewerteten Verkäufe der historischen Kunsthandlung Böhler, insbesondere an ihren Kunden Fritz Thyssen. Es ging um Verkaufspreise, die zehn und 25 Mal höher lagen als die Werke im Einkauf bei Kunsthandelskollegen gekostet hatten. Damit drängte sich die Frage auf: Gibt es grundsätzlich Grenzen oder eine übliche Praxis bei der Bemessung solcher Margen?
Wer preisgünstig im Handel einkauft, kann und darf hohe Margen erzielen. „Kaufen wir im Kunst- und Auktionshandel ein, sind wir bei der Preisgestaltung frei“, erläutert ein bekannter Frankfurter Kunsthändler auf Nachfrage des Handelsblatts. Immer wieder komme es vor, dass dort Objekte mit falschen Künstlerzuordnungen angeboten würden; oder dass der Händler oder das Auktionshaus den wahren Marktpreis beziehungsweise die Qualität der Objekte nicht kenne, und es keine Gegenbieter gebe.
Anders liegt der Fall, wenn der Kunsthändler aus Privatbesitz kauft. „In diesem Fall sind wir die Fachleute, und der Verkäufer der Laie. Wir sind verpflichtet, ihn über den Marktwert aufzuklären und ihm einen angemessenen Preis zu zahlen“, erklärt der Händler, der auch den Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG) immer wieder mit Rat versorgt. Natürlich könne er das Objekt nicht zum zehnfachen Preis verkaufen. „Das wäre Wucher.“
Der Händler erinnert sich an eine Dame, die in den siebziger Jahren seinem Vater einen Spitzweg verkaufen wollte. „Sie wollte für das Bild 2000 D-Mark. Mein Vater erklärte ihr, er würde dafür 20.000 Mark zahlen. Die Frau packte erschrocken das Bild ein und verließ das Geschäft.“
Kunsthändler sind gut beraten, beim Weiterverkauf eines aus privater Hand erworbenen Objekts zumindest 100 Prozent aufzuschlagen. Sie rechnen vor: Wer ein für 50.000 Euro angekauftes Werk für 100.000 Euro wiederverkaufe, müsse von den 50.000 Euro Gewinn 19 Prozent Mehrwertsteuer als Differenzbesteuerung abführen, fast 8000 Euro. Die dann übrigen 42.000 Euro würden unter Umständen zum Höchstsatz des Einkommens versteuert plus Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer. Dazu eventuell noch Bildkunstabgaben und Künstlersozialversicherung. Übrig blieben deutlich weniger als die Hälfte des Bruttogewinns.
Preisfindung und Marge sind zwei Seiten einer Medaille. Wie aber kommt der Händler zu seinem Preis?
Der auf Kunst und Kunsthandwerk des Klassizismus spezialisierte Münchener Kunsthändler Klaus Spindler seufzt auf Befragen laut auf: „Erfahrung, Intuition, Hoffnung. Es ist eines der schwierigsten Kapitel im Kunsthandel überhaupt.“
Auf keinen Fall ließe sich der Preis anhand der durchschnittlichen Auktionspreise der letzten Jahre ermitteln, erläutert Spindler. Und selbst der Versuch, ihn für ähnliche Objekte bei Kollegen zu eruieren, habe seine Tücken, da kein Stück aufgrund seiner unterschiedlichen Erhaltungszustände vergleichbar sei.
Spindler selbst brachte sich vor Jahren um eine angemessene Bezahlung für eine in Eisen gegossene Reiterfigur Friedrich des Großen. Er ging mit dem Preis herunter, nachdem ihn der Käufer darauf aufmerksam gemacht hatte, dass an den Stiefeln die Sporen fehlten. Erst nachträglich stellte der Kunsthändler fest, dass es sich um eine rare Gussvariante handelte.
Neben der bei älteren Objekten wichtigen Provenienz wirkt sich auch eine lange Verweildauer beim Händler auf die Preisfindung aus. Mit einem Geschmackswandel geht ein Preisverfall einher. In die umgekehrte Richtung geht es allerdings auch: Wenn es zehn Sammler gibt, die das Stück unbedingt haben wollen.
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