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Kunstmesse in der Türkei Zeitgenössische Kunst in Istanbul: Sicht bis zum eigenen Tellerrand

Die Contemporary Istanbul möchte zu den führenden Messen der Welt gehören. Doch Zensur und Nationalismus ersticken die Ambitionen.
16.10.2021 - 07:57 Uhr Kommentieren
Blick in den Stand der Moiz Zilberman Gallery mit den Wandarbeiten von Burçak Bingöl re. Quelle: Moiz Zilberman Gallery
Contemporary Istanbul

Blick in den Stand der Moiz Zilberman Gallery mit den Wandarbeiten von Burçak Bingöl re.

(Foto: Moiz Zilberman Gallery)

Istanbul Es scheint keinen schöneren Ort für eine Kunstmesse zu geben als die jahrhundertealten osmanischen Hallen der ehemaligen Halic Werft, und das im warmen Herbstwetter am Bosporus. Die frisch renovierten Gebäude gehören zu einem groß angelegten Regenerierungsprojekt in diesem historischen Stadtteil, und waren Schauplatz der Sonntag zu Ende gegangenen, national ausgerichteten „Contemporary Istanbul“.

Zusammen mit einer Anzahl von Museumsausstellungen will die Messe die Vitalität der türkischen Kunstszene unter Beweis stellen. Dabei denkt man nicht nur an die Sammler, die zahlreich am Galadinner zur Eröffnung der Messe teilnahmen, sondern vor allem auch an die Investoren. Denn Istanbul will mit seinen Investitionen in Infrastrukturen, Neubauten und in Kunst als stabile Wirtschaft wahrgenommen werden. Diese Ambitionen decken sich mit denen des Messegründers Ali Güreli: „Wir wollen die Messe zu einer der zehn führenden Messen der Welt ausbauen“.

Wie das funktionieren soll, wenn den Besuchern fast ausschließlich türkische Kunst präsentiert wird, ist im globalen Kunstmarkt allerdings fraglich. Auf der 16. Ausgabe der Messe, die von 73 Teilnehmern im Jahr 2019 auf 47 vor allem türkische Galerien zusammenschrumpfte, findet man zwar 14 ausländische Galerien, aber nur wenige von internationalem Rang und Qualität. Die einheimischen Galerien zeigen fast ausschließlich türkische Kunst. Museen und Ausstellungsräume der Stadt konzentrieren sich ebenfalls einzig auf einheimische Kunst.

Die interessantesten Arbeiten spielen mit traditionellen Techniken, brechen aber diese Traditionen auf, um aktuelle Fragen, vor allem nach kulturellen Identitäten in diesem Land zwischen Europa und dem Nahen Osten subtil anzusprechen. Aber eben nur subtil. Kunst, die direkt Kritik an politischen oder sozialen Zuständen im Land übt, war hier nicht zu sehen.

Darüber wird grundsätzlich nicht gesprochen. Ein Istanbuler Künstler, der anonym bleiben will, beschreibt, wie sich die Situation in Lande verändert hat. Viele Regimekritiker seien weggezogen und Kunstkritik gebe es fast nicht mehr.

An internationalen Galerien haben sich Marlborough (New York) und die König Galerie aus Berlin in Partnerschaft mit der einheimischen Pilevneli Gallery an das goldene Horn gewagt. Bei der deutschen Anna Laudel, die seit Jahren eine Galerie in Istanbul betreibt, bestechen die Arbeiten von Ramazan Can. Sie spielt mit der Tradition des Teppichs, wandelt diesen aber in Beton gegossen in abstrakte Skulpturen um. Kostenpunkt: um die 5000 Euro.

Die Künstlerin steht vor ihren von historischen Kacheln inspirierten Wandreliefs im Stand der Moiz Zilberman Galerie. Quelle: Moiz Zilberman Gallery
Burçak Bingöl auf der Contemporary Istanbul

Die Künstlerin steht vor ihren von historischen Kacheln inspirierten Wandreliefs im Stand der Moiz Zilberman Galerie.

(Foto: Moiz Zilberman Gallery)

Auf dem Stand der Moiz Zilberman Galerie, die auch eine Dependance in Berlin unterhält, finden sich die Wandarbeiten der Künstlerin Burçak Bingöl. Inspirieren lässt sie sich von den berühmten Fayencekacheln aus dem osmanischen Topkapi Palast. Sie verwandelt ihre Fugen in abstrakte Gitter aus Keramik.

Mittlerweile hält auf der Messe auch die digitale Kunst Einzug. Pilveneli und König zeigen Refik Anadol, einen hippen Medienkünstler, der mit Künstlicher Intelligenz (KI) arbeitet und zurzeit auch in Londoner Ausstellungen zu sehen ist. Er ist einer der wenigen Künstler, der über die Türkei hinaus international Anerkennung findet und in Los Angeles lebt.

Von den jüngeren Galerien zeigt die Istanbuler Galerie Sanatorium eine großformatige Installation von Kerem Ozan Bayraktar. „Flügel und Lungen“ zieht Parallelen zwischen biologischen Phänomenen und der Evolution. Zu sehen sind sich ständig verändernde digitale Bilder von Organen, Körpern, Architekturen und abstrakten Formen, die ineinander übergehen.

Wer durch die Stadt streift, dem fallen die Um- und Neubauten vieler staatlicher und privater Museen auf, die sich in der Überzahl befinden. Sie konzentrieren sich auf die Geschichte des 19. und des 20. Jahrhunderts. Den Werdegang der türkischen Kunst soll das neue Istanbuler Museum für Gemälde und Skulptur erzählen. Die für 2020 geplante Eröffnung lässt jedoch auf sich warten.

Am Taksim-Platz, reich an Geschichte von Protesten und deren Unterdrückung, erstrahlt das ehemalige Atatürk Kulturzentrum aus den 1960er-Jahren in neuem Glanz. Es wird vom Sohn des ehemaligen Architekten Hayati Tabanlioglu erneuert. Das Atatürk Kulturzentrum ist eines der wenigen Zeugnisse der internationalen Moderne, das darüber hinaus noch von einer jüngeren Geschichte zeugt, in der sich Istanbul Europa öffnete. Der renovierte Komplex soll Ende Oktober eröffnen.

Auch das Projekt Terasane, Schauplatz der Messe, wird von Tabanlioglu erweitert. Hier knüpft man an die osmanische Architektur an, vor allem, weil der Komplex Teil eines millionenschweren Sanierungsprojekts ist. Die alten Fassaden werden ausgehöhlt. Kommerz, Tourismus und Luxuswohnungen geben sich bald die Hand. Auch die Vergangenheit wird zur Fassade, aber einer wichtigen. Erinnert sie doch Einheimische und Besucher an eine Zeit, in der die Türkei einen Großteil der Welt regierte. Genau von diesem Hafen am Bosporus.

Mehr: Contemporary Istanbul: Klare Verhältnisse - Unklares Profil

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