Kunstmessen Frieze und Frieze Masters London meldet sich als Drehscheibe des Kunsthandels zurück

Für die Werke von Martin Groß wurde der Stand der Galerie in ein Gesamtkunstwerk verwandelt.
London Die durch die Pandemie auferlegte Pause hat der Frieze London gut getan. Die Messe, die noch bis Sonntag läuft, gibt sich luftig, aufgeräumt und nach fast 20 Jahren Existenz auf einmal erwachsen. Das hat vor allem etwas damit zu tun, was die Galerien ausstellen. Hier stehen in diesem Jahr nicht mehr das kitschig Bunte, politisch Aggressive, oder auch einfach junge Verrückte im Vordergrund, sondern die eher abstrakt klassischen Positionen.
Der Ton ist leiser geworden und entspricht damit unserem Zeitgeist. Sogar die Sammlerinnen treten weniger skandalbemüht modebewusst auf. Viele Künstler zeigen Arbeiten, die während der Pandemie entstanden und unsere veränderte Gegenwart reflektieren.
Neben der zu erwartenden großformatigen Malerei wird Skulptur auf einmal großgeschrieben. Es scheint, als hätte fast jede Galerie etwas Dreidimensionales am Stand. Manchmal nimmt das etwas bizarre Formen an. Zum Beispiel, wenn der japanische Künstler Yoshitomo Nara eine Glasplatte auf Zeichnungen legt und damit einen Tisch schafft.
Aber im Gesamtbild erscheint es, als wolle man zeigen, dass Kunst eben auch im Raum entsteht. Sie soll begangen und umgangen werden; und sie kann nicht durch ein digitales Foto ersetzt werden.
So wartet die New Yorker Galerie Lehmann Maupin mit einer der wenigen Solopräsentationen auf und widmet dem koreanischen, in London lebenden Künstler Do Ho Suh fast einen ganzen Stand. Im Zentrum steht eine großformatige Installation von 2018, aber auch kleinere Wandvitrinen und detailverliebte neue Papierarbeiten bereichern den Gesamteindruck.

Die farbige Fotoarbeit "Construct NYC 8" von 1983 ist auf der Frieze bei Kadel Willborn/Galerie Karin Guenther zu finden (Ausschnitt). Die Künstlerin arbeitet auf der Grundlage von abstrakten Video- und Fotoprojektionen.
Am Ende des ersten Messetags waren bei Lehmann Maupin 15 Arbeiten für 1,5 Millionen US-Dollar verkauft. Das ist nach dem Brexit nicht so selbstverständlich, und die Erleichterung ist von allen Seiten vernehmbar. „Die Energie auf der Frieze zeigt die unverwüstliche Widerstandsfähigkeit und Lebendigkeit Londons als Kunstmarktmetropole“, kommentierte Iwan Wirth von Hauser & Wirth.
Die für ihr Skulpturenangebot bekannte Galerie konfrontiert auf der Messe Werke von Louise Bourgeois mit jüngeren Positionen von Thomas J Price und Simone Leigh, deren Arbeiten aus der „Village Series“ mit 750.000 US-Dollar ausgepreist sind. Im nächsten Jahr wird sie den US-Pavillon auf der Biennale in Venedig bespielen.
In der Malerei wird erstaunlicherweise auch viel Abstraktes angeboten. Das meiste aus den 1950er- bis 2000er-Jahren, Arbeiten, die man sonst nur auf der Frieze Masters findet. Sehr viele deutsche Künstler sind darunter: Hans Hartung bei Perriton, Günther Förg bei Hauser & Wirth, dessen Werke für 1,5 Millionen Euro verkauft werden konnten, Albert Oehlen bei Max Hetzler und Katharina Grosse bei König Galerie.
Auch asiatische Kunst behauptet sich, wie zum Beispiel die Lackarbeiten von Su Xiaobai bei Tina Keng, die um die 300.000 Pfund kosten. Malerische Positionen in der der jungen Kunst gewidmeten Sektion „Fokus“ spielen mit abstrakten Positionen. Project Native Informant zeigt Clémentine Bruno, die in ihren reduzierten Malereien alte Meister so referiert, dass man den kunsthistorischen Kanon erahnen, aber nicht erfassen kann. Ihre Arbeiten liegen zwischen 1000 und 10.000 Pfund.

Die Skulptur "The Arrival of Flowers" (2021) hat David Zwirner im Angebot. Vier Werke von Bove sind schon verkauft.
Fotografie und Video sind fast ganz verschwunden. Eine Ausnahme bildet die junge Athener Galerie Hot Wheels, die den Straßenfotografen Yorgos Prinos präsentiert. Er spürt mit seinen Charakterdarstellungen immer wieder der Frage nach Macht und Dominanz in kapitalistischen Austauschprozessen hinterher. Die Arbeiten in 5er-Auflage kosten zwischen 1600 und 6000 Euro.
Die Blindspot Galerie aus Hong Kong zeigt eine Solopräsentation mit einem Musikvideo von Sin Wai Kin. Radikaler gibt sich der japanische Galerist Taro Nasu. Er zeigt Objekte und digitale Wandarbeiten des Komponisten und Medienkünstlers Ryoji Ikeda und hat den einzigen schwarzweißen Stand auf der Messe. Die Preise liegen zwischen 6300 und 120.000 Euro.
Zu Gute kommt dem Standort London, dass sich hier Sammler aus ganz unterschiedlichen Ecken der Welt konzentrieren. Amerikaner sind erstaunlich viele vertreten. Die in New York residierende, deutsche Kunstberaterin Tanja Weingärtner ist sowohl mit europäischen als auch amerikanischen Kunden zur Frieze angereist. Und der Kurator Gavin Delahunty aus Dallas ist froh, seine ersten Reise seit der Pandemie nach London gemacht zu haben.
Auch Künstler flanieren auf der Messe, wie der Ghanaer Ibrahim Mahama, der gerade eine Ausstellung bei White Cube hat. Wolfgang Tillmans und David Shrigley waren ebenfalls zu sehen wie auch der Belgier Michaël Borremans. Seine fünf neuen Bilder hatte David Zwirner alle am ersten Tag für Beträge zwischen 180.000 und 600.000 US-Dollar verkauft.
Auf der Frieze Masters geht es wohl leider wie immer ruhiger und langsamer zu; und man muss sich fragen, ob das Konzept einer großen Zweitmesse noch aufgeht. Die Stände mit Alter Kunst und Kunstgewerbe muss man fast suchen. Endlos erscheint die Flut der Blue-Chips von Künstlern aus der ganzen Welt. Natürlich gibt es auch faszinierende Stände. Die New Yorker Craig F. Starr haben frühe Arbeiten von Louise Bourgeois zusammengetragen, von denen fast nur die Radierungen zum Verkauf stehen.
Marian Goodman aus New York zeigt eine großformatige Arbeit des Südafrikaners William Kentridge in einem Solostand, und Bastian aus Berlin seltene Arbeiten von Joseph Beuys und ein wunderbares Bild von A.R. Penck, das er schon für um die 300.000 Pfund verkaufen konnte.
Aber der Rest ist Auktionsware. Zu den Kleinodien, die man fast übersieht, gehört der Stand von Yves Macaux und Richard Nagy. Sie haben Werke aus dem Kreis um die Wiener Werkstätten zusammengestellt: von Papierarbeiten von Egon Schiele, Georg Mucha und Afred Kubin bis hin zu Möbeln von Designern wie Josef Hoffmann und Koloman Moser. Ein Paar Glasfenster von Moser kostet 1 Million Euro. Bei Dr. Jörn Günther Rare Books aus Basel sticht ein seltenes Stundenbuch aus dem 16. Jahrhundert hervor, das 36 großformatige Illuminationen enthält.
Wer über die Messe geht, sieht, wie sich die Menschen von der Begegnung mit der Kunst berühren lassen. Und am Ende wird auch klar, dass die Metropole London mit ihren vielen Künstlern und Sammlern unterschiedlichster Nationalität noch immer eine globale Drehscheibe ist.
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