Lyonel Feininger Sparen am falschen Platz

Ein Fall für den Experten: Lyonel Feiningers "Hafen von Swinemünde" (1915).
Paris Ein vom Centre Pompidou als Schenkung abgelehntes Frühwerk von Lyonel Feininger wurde am 29. Mai in Paris für 5,8 Millionen Euro versteigert. Den Zuschlag erhielt ein amerikanischer Telefonbieter bei Artcurial-Briest-Poulain-F.Tajan für das Bild „Hafen von Swinemünde“. Es entstand 1915, also in der ersten Schaffensdekade des amerikanisch-deutschen Malers und Fotografen. Das 75 x 101 Zentimeter große Motiv ist in kräftigen Farbkontrasten gehalten und formell vom Kubismus beeinflusst. Seine Schätzung lag bei 1,5 bis 2 Millionen Euro.
"Experten sind ja nicht Gott"
Achim Moeller, Galerist in New York und Berlin und als Autor des Werkverzeichnisses von Lyonel Feininger (1871-1956) und Leiter des „Feininger Project“ die Referenz für Feininger schlechthin, sah das Gemälde zum ersten Mal im Jahr 2008. Damals stellte er fest, dass das Bild völlig unbekannt war und sich in schlechtem Zustand befand. Es stammte aus einem Nachlass und sollte laut Legat dem Centre Pompidou geschenkt werden. Moeller konnte das Bild allerdings erst 2010 sachgemäß begutachten. Dabei rollte er wichtige Etappen in seiner fast hundertjährigen Geschichte auf. Nachdem Artcurial es auch einer naturwissenschaftlichen Untersuchung unterzogen hatte, will Moeller es in den ersten Band des Werkverzeichnisses aufnehmen. Der Feininger-Experte hatte im Hinblick auf die Fälscheraffäre der fiktiven „Sammlungen“ Jaegers und Knops um die chemische Analyse gebeten, wie er gegenüber dem Handelsblatt betont: „Experten sind ja nicht Gott, wir haben nur eine Meinung“.
Flucht nach Brasilien
Achim Moeller spürte das Feiniger-Gemälde unter dem Titel „Im Hafen“ in einem 1928 erschienenen Ausstellungskatalog der Berliner National-Galerie auf. Der Berliner Bankier Hugo Simon (1880-1950) hatte das Gemälde neben zwölf anderen expressionistischen Werken für die Ausstellung „Neuere deutsche Kunst aus Berliner Privatbesitz“ ausgeliehen. Hugo Simon führte mit Kasimir Bett die Bank Bett-Simon & Co. Der Sozialdemokrat und zeitweilige Finanzminister Simon war Kunstsammler, Mäzen und Mitglied der Ankaufskommission der Berliner Nationalgalerie sowie Aufsichtsratmitglied der Verlage S. Fischer und Ullstein. Er empfing in seinem Hause Intellektuelle und Kunstschaffende wie Albert Einstein, Bertold Brecht, Stefan Zweig und Oskar Kokoschka. Als er 1933 mit seiner Frau über die Schweiz nach Paris floh, deponierte er einen Teil seiner Gemäldesammlung in Museen in Zürich und Basel. Einige Werke versteigerte Fischer in Luzern. Den Rest konnte Hugo Simon 1941 auf seiner Flucht nach Brasilien mitnehmen, wo er 1950 starb.
Abenteuerliche Verstrickungen
Man vermutet, dass der Pariser Sammler Roger-Jean Spiri (1908-2007) das Feininger-Gemälde zwischen 1933 und 1941 erwarb. Spiri, der 2007 ohne Erben starb, vermachte seinen Nachlass drei Organisationen für karitative- und Forschungs-Zwecke, darunter die Unesco-Stiftung für Aids Forschung. Ausgenommen war das Feininger- Gemälde, das er dem Centre Pompidou schenken wollte.
Dies führte zu abenteuerlichen Verstrickungen, denn sowohl das Centre Pompidou wie auch der inzwischen pensionierte Auktionator, der das Nachlass-Inventar erstellte und der nicht genannt werden möchte, wandten sich 2008 an Achim Moeller zur Identifizierung des bisher unbekannten Gemäldes. Der Auktionator behauptete, er habe nur gewollt, dass Moeller das Gemälde in das Feininger-Werkverzeichnis aufnimmt. Dafür habe er Moeller 1.000 Euro bezahlt.
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