Malerstar Yan Pei-Ming Ausstellungen in Avignon und Colmar: Rollenspiel mit Papst

Päpste in kühlem Rot sind ein wiederkehrendes Thema im Werk von Ming (Ausschnitt aus einem Hochformat).
Paris Der in Schanghai geborene Maler Yan Pei-Ming ist seit dreißig Jahren französischer Staatsbürger. Er zählt zu jenen internationalen Stars, um die Museen, Kuratoren und Galeristen buhlen.
Pei-Mings auf wenige Farben weiß, grau, schwarz und manchmal rot reduzierten Gemälde, oft in XXL-Formaten, beeindrucken durch ihren breiten, gestischen Pinselstrich. Wenn er expressiv die menschliche Figur schildert, verfremdet er sie bis zur Abstraktion. „Er ist der Chinese, der den europäischen Malern vom Duktus her am nächsten kommt“, meint sein Galerist Thaddaeus Ropac; und fügt hinzu, dass die Gemälde von „Ming“ – wie ihn die Franzosen nennen – bestens neben Gemälden von Georg Baselitz hängen können.
Aktuell hat Ming in Avignon und in Colmar gleichzeitig drei Ausstellungen, an denen sich seine Galeristen Ropac und Massimo di Carlo organisatorisch und finanziell beteiligen. Das ist üblich. Im Papstpalast von Avignon bespielt Yan Pei-Ming die immense Kapelle, für die er speziell bis zu 20 Meter breite Gemälde schuf. Ein dreiteiliges Selbstbildnis zeigt den Künstler als Papst im Gebet, flankiert vom Alltagsmenschen in Jeans und Sandalen: Mit geballter Faust und geradem Blick schaut er auf die Betrachter.
Päpste sind ein wiederkehrendes Thema im Werk von Ming. Dort wo er von Velasquez‘ sensiblen Papstbildern ausgeht, verwendet er ausnahmsweise kühles Rot. Einer anderen zentralen Werkgruppe, den Selbstbildnissen, widmete die Pariser Galerie Ropac kürzlich eine eigene Ausstellung. In der Größe von 50 x 40 kosten diese bei Ropac zwischen 80.000 bis 100.000 Euro plus Mehrwertsteuer.
Die Überblicksausstellung in Avignon im Museum für zeitgenössischen Kunst, „Collection Lambert“, trägt den Titel „Tiger und Geier“. Das Titel gebende Gemälde, eine Leihgabe der Wiener Heidi Horten Collection, ist eine dunkle Parabel auf die Grausamkeit in Schwarzweiß. Nur die Fleischreste im Vordergrund und die Rachen der Tiger leuchten rot.

Das Gemälde, ein dunkles Lehrstück auf die Grausamkeit, ist eine Leihgabe der Wiener Heidi Horten Collection (Ausschnitt aus einem hohen Querformat).
Gesellschaftspolitische Themen deutet Ming in schwarzen Landschaftsgemälden an, auf denen Flüchtlingsgestalten durch Wälder wandern. Beispiele liefern ein XXL-Format im Papstpalast von Avignon und ein etwas kleineres Gemälde in der „Collection Lambert“.
Ein kleines Landschaftsbild von 1995 entdeckt man beim Sammlerpaar Daniel und Florence Guerlain. Für Florence Guerlain ist das Gemälde „ein Schmuckstück“. Sie reiht Yan Pei-Ming unter die besten Maler unserer Zeit ein.
Als knapp Zwanzigjähriger kam Ming 1980 nach Dijon, wo ihn die Kunstakademie aufnahm. In Avignon hängen seine Diplomarbeiten aus dem Jahr 1986. Auf ihnen wird die Konfrontation mit Otto Dix in der kruden Darstellung der nackten Körper deutlich.
Im Unterlinden Museum in Colmar stellt der Maler seine noch in China entstandenen Stillleben und Selbstbildnis-Serien erstmals aus. Obwohl der Titel der elsässischen Schau: „Im Namen des Vaters“, laut Ming nicht religiös ist, nimmt er doch das christlich geprägte Todesthema vom „Isenheimer Altar“ auf. Der unter Maos Herrschaft antireligiös erzogene Ming schreckt übrigens nicht davor zurück, sich selbst wiederholt als Gekreuzigten darzustellen.
Berühmt wurde Ming durch die brutalen Porträts von Mao und mit seiner Serie der Leichen von ermordeten historischen Persönlichkeiten wie John F. Kennedy, Martin Luther King oder Che Guevarra. Parallel zur Zeitgeschichte geht er auf seine Biografie ein, indem er serienweise das bis zur Unkenntlichkeit abstrahierte Gesicht seines Vaters, oder – total liebevoll realistisch – das seiner Mutter malt.
Da Malen seiner Ansicht nach mit dem Tod verbunden ist, stellt er sich nicht nur als „Ecce homo“ dar, sondern auch unter dem Leichentuch. Mit kräftigen, weiß-grauen Pinselstrichen hat er es für sein „Selbstporträt im Leichenhaus“ imitiert. Das Bild hängt derzeit in Rennes in der Auswahlschau der privaten Pinault Collection.
Im Jahr 2009 lud der damalige Generaldirektor des Louvre, Henri Loyrette, Ming zu einer Auseinandersetzung mit der Mona Lisa in den Louvre ein. Damals wurde Ming in die Ehrenlegion aufgenommen. Die Urkunde überreichte ihm sein Sammler François Pinault. Die Fondation Louis Vuitton kaufte ebenfalls Ming-Gemälde an, wovon sie eines nach Avignon leiht.
Die Galerien Thaddaeus Ropac und der Mailänder Massimo di Carlo, der Ming seit 25 Jahren vertritt, sind in beide Ausstellungen involviert. Ropac teilt dem Handelsblatt mit: „Wir haben Leihgaben ausgehandelt und ansonsten geholfen, soweit wir das können“. Das kann bis zur Übernahme der Versicherungs- und Transportkosten gehen, gibt der österreichische Galerist zu verstehen, da die Museen heute kaum noch diese Kosten tragen können. Das bestätigt sein italienischer Kollege zögernd.
Signifikant für Mings weltweiten Erfolg war eine Retrospektive im Museum „Mathaf“ im katarischen Doha 2012, die Massimo di Carlo ebenfalls unterstützt. Im Vorfeld punktete Doha mit Mings überdimensionalen Porträtgemälden des damaligen regierenden Emir Hamad bin Khalifa Al Thani und seiner zweiten Frau, Mozah bint Nasser al-Misnad.
Mit seinem ergrauten, langen Haar, dem scheu-gewinnenden Lächeln und seiner Zurückhaltung bleibt Ming der Stadt Dijon treu. Der Anti-Star unterhält aber auch ein riesiges Atelier im Pariser Vorort Ivry-sur-Seine.
Die Doppelausstellung in Avignon, „Yan Pei-Ming – Tiger und Geier“ (Tigres et vautours) im Papstpalast Avignon läuft bis 31. Januar 2022, in der Collection Lambert bis 26. September 2021. Die Ausstellung „Yan Pei-Ming – Au nom du père / Im Namen des Vaters“ endet in Colmar im Museum Unterlinden am 11. Oktober 2021.
Mehr: Privatsammlung: Leuchtturm für die Kultur: Arles hofft auf den Bilbao-Effekt
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.