Max Pechstein Der gefällige Expressionist

Blick ins Pechstein-Werkverzeichnis von Aya Soika: Links: Sitzendes Mädchen (1910/27); rechts: Mädchen im Walde (1910/28), das kleine Bild zeigt die Rückseite (1910/23)
Berlin Mir ist höllisch Angst vor einer Popularität wie der seinen“: so äußerte sich Franz Marc 1913 in einem Brief an August Macke über seinen Künstlerkollegen Max Pechstein. Tatsächlich war Pechstein (1881-1955), der sich wie Nolde nur vorübergehend der Dresdner Künstlergemeinschaft Brücke anschloss, damals der teuerste und wirtschaftlich erfolgreichste deutsche Expressionist.
Das lässt sich am besten anhand eines Œuvrekatalogs nachvollziehen, der die Spannbreite seines Gesamtwerks erfasst. Gerade mit Blick auf den Markt, der durch die Beltracchi-Fälschungen belastet wurde, war dies ein Desiderat. Jetzt endlich ist im Hirmer Verlag Aya Soikas zweibändiger Catalogue raisonné der Gemälde erschienen, der auf dem in den späten 1960er-Jahren begonnenen Archiv der Familie Pechstein aufbaut, das Provenienzen, Fotos, Korrespondenzen und Restaurierungsprotokolle enthält.
So erfolgreich Pechstein war und ist – selbst mit den schwächeren Bildern –, so schwankend ist das Urteil in der Kunstgeschichte. Seine frühen Publikumserfolge gaben Anlass, ihn als unproblematischstes Mitglied der Brücke zu bewerten. 1920 hatte Wilhelm Hausenstein in seinem Buch „Die bildende Kunst der Gegenwart“ Worte der Anerkennung gefunden, die die Popularität des Künstlers erklären: „Pechstein ist ein Künstler von gelöster Kraft, höchstem Geschmack, beweglicher Vorstellung und fabelhaft geschmeidiger Hand.“
Ein absolut vernichtendes Urteil fällt dagegen der Kunsthistoriker Carl Einstein 1931 in der dritten Auflage seines Propyläen-Bandes „Die Kunst des 20. Jahrhunderts“: „Pechstein besitzt das gefährliche Geschick, jedes erworbene Gut eklektisch gefällig zu popularisieren. Heroische Geste, lockere Hand, Exotenimitation, ein jedes wird sehr geschickt verplattet.“
So hart diese Worte auch sind, einen Kern von Wahrheit enthalten sie doch. Wer das skrupulös erarbeitete Werkverzeichnis durchblättert, lässt ein stilistisch und qualitativ heterogenes Œuvre Revue passieren. Im Dunstkreis der Brücke entwickelte Pechstein 1908/10 einen flexiblen Personalstil, der zum Markenzeichen seines gesamten Schaffens wurde.
In dieser Zeit entstanden Meisterwerke wie der Akt „Sitzendes Mädchen“ (Nationalgalerie Berlin) oder das „Liegende Mädchen“ aus dem Aargauer Kunsthaus, die heute mit Recht als Inkunabeln expressionistischer Malerei gelten. Doch es gibt auch Werkkontraste. Die meisten Stillleben haben einen mehr oder minder dekorativen Touch, bei den Landschaften gibt es Werke mit starker Innenspannung und kühnem Schwung, aber auch Kompositionen unbewältigter Leere wie der „Sonnige Wintertag“ (1917), den die Villa Grisebach Auktionen kürzlich für 610 000 Euro versteigerten. Während viele Porträts spontane Intensität und Kraft ausströmen, wirken die meisten Gemälde der „Palau“-Serie steif und additiv. Ab Mitte der 1920er-Jahre werden Porträt, Landschaft und Stillleben zahmer, lieblicher, konventioneller.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.