Moderne und zeitgenössische Kunst: Ergebnisse der Lempertz-Auktion: Gefecht um ein schreckliches Todesbild
Köln. Es war das längste Bietgefecht des Abends. Das symbolistische Gemälde „Irrsinn” des Berliner Malers Albert Birkle, der zu der „Verlorenen Generation” nach dem Zweiten Weltkrieg vergessener Maler zählt, mobilisierte fünf Bieter. Das makabre Bild, in dem der Tod einen von Wahn und Angst befallenen Mann umklammert, entstand 1925 in der besten Schaffenszeit des Malers.
Das mit 63 x 57 cm eher kleinformatige Gemälde wurde mit 36.000 Euro ausgerufen und unter anderen vom französischen und sächsischen Handel sowie einem Münchener Sammler begehrt. Sieger blieb ein rheinischer Sammler, nach Aussage des Auktionators Henrik Hanstein ein alter Kunde des Hauses. Der Hammerpreis von 720.000 Euro ergibt mit Aufgeld eine Rekordnotierung von 900.000 Euro.
Eine frühe Tempera-Arbeit Birkles, eine süßliche Waldlandschaft, in der sich ein Hirsch an den nackten Zauberer Merlin schmiegt, blieb mit dem Hammerpreis von 33.000 Euro weit zurück: Beweis dafür, dass mehr das mitreißende, augenfangende Thema zählt.
Nicht alles lief so spektakulär. In dieser zweieinhalbstündigen Sitzung zeigten sich Marktkontraste. Die Abendauktion am 6. Juni bei Lempertz bot eine Mischung aus Preiskometen, Zuschlägen im unteren Taxbereich und Rückläufen. Mit dem Ergebnis von 5,7 Millionen Euro kann das Kölner Traditionshaus durchaus zufrieden sein. Denn das Toplos, Max Pechsteins museales „Selbstbildnis liegend”, das auf 1,5 bis 2 Millionen Euro angesetzt war, wurde zurückgezogen.
Einer der Erben des ursprünglichen Besitzers, der das Bild in den dreißiger Jahren verkaufen musste, hatte es am Tag der Auktion in die Lost Art Datenbank gesetzt, obwohl das Auktionshaus mit der Familie laut Hanstein schon eine „faire und einvernehmliche Lösung” gefunden hatte. Jetzt soll es in der Herbstauktion versteigert werden.

Ein tschechischer Sammler sicherte sich für 540.000 Euro mit Aufgeld das mit Schlangenlinien bedeckte Acrylbild. des böhmischen Künstlers (Ausschnitt aus quadratischen Format).
Der zweite Hochpreis der Auktion wurde durch eine Batterie von Telefongeboten stimuliert. Ergebnis waren 540.000 Euro mit Aufgeld, die ein tschechischer Sammler in ein mit schwarzen Schlangenlinien bedecktes, weißgrundiges Acrylbild des böhmischen Künstlers Zdenek Sykora investierte. Dieser Maler, von dem bei Lempertz ein farbiges Bild schon 1,2 Millionen Euro erlöste, ist ein Dauerseller in dem Kölner Auktionshaus.
Die Versteigerung begann verheißungsvoll mit starker Resonanz auf acht Aquarelle Lyonel Feiningers aus der Sammlung des Düsseldorfer Architekten Walter Brune. Sie wurden von Sammlern und Händlern stark beboten. Fünfmal überrundeten die Hammerpreise bravourös die Schätzungen.
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Den höchsten Zuschlag von brutto 103.000 Euro erzielte einer der zwei ausgebotenen Entwürfe für ein 1938 im Vorfeld der New Yorker Weltausstellung entstandenes Wandbild. Käufer ist ein Hamburger Händler. Das andere zuvor versteigerte Entwurfs-Aquarell blieb mit 42.000 Euro ein „Schnäppchen”, obwohl es nicht weniger attraktiv war.
Für 504.000 Euro wurde das bildmäßige Pastell „Zwei Frauen” von Ernst Ludwig Kirchner in eine Berliner Privatsammlung gegeben. Es ist eine Vorzeichnung für das Gemälde „Zwei Frauen mit Waschbecken” in der Sammlung des Frankfurter Städel. Ursprünglich im Besitz des Hamburger Kunsthistorikers Max Sauerlandt, kam es 1992 bei Grisebach für netto 400.000 D-Mark unter den Hammer. 1997 wurde es bei Lempertz für 520.000 D-Mark zugeschlagen.
Auch die im selben Jahr 1912 entstandene Gouache eines molligen Akts von August Macke war schon einmal bei Lempertz und anschließend 2018 bei Grisebach. Dort ging sie zurück. Jetzt erzielte der Akt durch Gebot eines Frankfurter Sammlers 95.000 Euro.

Um die mit Margeriten übersäte, 1931 bemalte Leinwand der französischen Laienmalerin konkurrierten bei Lempertz 13 Telefonbieter. Sie trieben den Preis auf 150.000 Euro.
Das beste der vier eingelieferten Gemälde von Ernst Wilhelm Nay, das starkfarbige quadratische Bild mit dem Titel „Licht und Dunkel” wurde bei 240.000 Euro unter Vorbehalt zugeschlagen. Dagegen scheiterte das auf drei Farbtöne begrenzte Großformat „Mit weißer Spindel“ an seinem starken Kraquelee. Geschätzt war es auf bis zu 500.000 Euro. Auch Norbert Krickes kapitale, aus fließenden Vertikalen komponierte Edelstahlplastik „Große Flächenbahn” musste zurückgehen. Die aus einer rheinischen Privatsammlung kommende Skulptur wiegt über eine Tonne.
Emil Noldes wie am Fließband produzierte Aquarelle werden in letzter Zeit sehr selektiv bewertet. Aber bei Lempertz übertrafen zwei Exemplare die kühnsten Erwartungen. Ein attraktives, ganz mit strahlend roten Mohnblumen gefülltes Blatt war einem Schweizer Sammler mit Aufgeld 200.000 Euro wert.
Das später ausgebotene, 1912 datierte Bildnis einer jungen Frau mit Ohrringen, gelangt für 151.000 Euro in Münchner Privatbesitz. Für ein Aquarellporträt des wegen seiner politischen Haltung umstrittenen Malers ist das ein Spitzenpreis. Das Blatt kommt aus israelischem Familienbesitz, wo es seit drei Generationen bewahrt wurde.
Eine dunkle, mit Margeriten übersäte Leinwand der französischen Laienmalerin Séraphine Louis stieg durch Gebote an 13 Telefonen auf 150.000 Euro. Das Gemälde ist äußerst rar und wird nicht nur von Sammlern naiver Kunst begehrt. Geschätzt war es auf maximal 20.000 Euro. Käufer ist ein Pariser Privatsammler.

Die Polin Mela Muter, die in Paris studierte und Karriere machte, war mit dem 1911 entstandenen Gemälde „Mutter mit Kindern” erfolgreich. Das von der Malerin bis zu ihrem Tod in ihrem Privatbesitz gehütete Doppelbildnis ersteigerte ein polnischer Sammler für 163.000 Euro.
Dass die zum Teil spröde, verhaltene Malerei des Berliners Karl Hofer in den letzten drei Jahren weniger Erfolg hat, ist Zeichen eines Geschmackswandels. Bei Lempertz wurde das „Mädchen am Fenster” von 1942 zurückgereicht, obwohl es zu den angenehmen Motiven des zeitkritischen Malers zählt. Zur unteren Taxe von 70.000 Euro wäre das Bild noch immer wohlfeil gewesen.






