Sammlerin Julietta Scharf kritisiert die schwerfälligen Strukturen in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
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Museen der Stiftung Preußischer KulturbesitzSammlerin Julietta Scharf: „Ich weiß, dass grundsätzlich etwas falsch läuft“
Julietta Scharf stammt aus einer berühmten Sammlerfamilie. Seit 2008 gibt sie Dauerleihgaben nach Berlin. Und schlägt sich mit zu vielen Hierarchieebenen herum.
Die Schau in der Sammlung Scharf-Gerstenberg wurde 2016 preisgekrönt.
(Foto: Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin/VG Bild-Kunst; Foto: Thomas Bruns)
Berlin Wer die Museumsaktivitäten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) nach ihrer Leistung in Gestalt von Ausstellungen beurteilt, kann nur unverständliche Untätigkeit konstatieren. Kein Highlight nirgends.
Das Urteil des von der Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) bestellten Gutachtens scheint nur allzu berechtigt. Es diagnostizierte 2020 gravierende Managementfehler, geringe Besucherzahlen, krasse Unterfinanzierung, hemmende hierarchische Strukturen sowie allgemeine Dysfunktionalität. Und empfahl eine „Zerschlagung“ der Stiftung. Eine Reformkommission soll nun innerhalb von fünf Jahren für Gesundung sorgen.
Wie aber wirken sich die Kritikpunkte aus auf die Arbeit im Innern, bei den Betroffenen? Joachim Jäger und Julietta Scharf geben im Exklusiv-Gespräch mit dem Handelsblatt Auskunft.
Jäger ist Leiter der Neuen Nationalgalerie, zu der auch das Museum Berggruen und die Sammlung Scharf-Gerstenberg gehört. „Es gibt zu viele Instanzen und damit mangelnde Eindeutigkeiten. Am Ende ist niemand eindeutig zuständig,“ sagt Jäger und benennt eines der Hauptprobleme.
Julietta Scharf ist Urenkelin von Otto Gerstenberg, dem Begründer der Viktoria-Versicherung(s. Kasten). Und Erbin der berühmten Sammlung Scharf-Gerstenberg mit hochkarätigen Kunstwerken der Surrealisten Max Ernst, René Magritte, Salvator Dali oder Yves Tanguy. Die überließ sie 2008 der SPK als Dauerleihgabe.
Scharf kennt die im Gutachten genannten Kritikpunkte aus eigener Anschauung. Zu Beginn sagt sie zwar: „Ich persönlich kann mich nicht beklagen, ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu allen Mitarbeitern des Museums und der SPK. Aber ich weiß natürlich, dass da grundsätzlich etwas falsch läuft“.
Julietta Scharf mit Ehemann Mohamed Cheban
Die Sammlerin fördert auch Katalogpublikationen und Filmveranstaltungen.
(Foto: BrauerPhotos / J.Reetz)
Als Förderin ist sie involviert in die Museumsarbeit in Charlottenburg. Das kleine, feine Museum hat sich mit Ausstellungen wie „Hans Bellmer und Louise Bourgeois“ oder „Surreale Sachlichkeit“ Ruhm erworben. Die Erbin zeigt sich gern generös, wenn sie bei Katalogen oder den die Ausstellungen ergänzenden Filmreihen aus ihrer Privatschatulle zubuttert. Da sie die Programmarbeit regelmäßig mit der Kuratorin der SPK, Kylikki Zacharias, bespricht, ist sie oft direkt und indirekt mit dem konfrontiert, was als Funktionsstörung der SPK beklagt wird.
Wie schwerfällig, zeitraubend und teilweise entmutigend die aktuellen Strukturen sind, zeige sich exemplarisch bei der Projektplanung, erzählt Scharf. Schlägt die Kuratorin Kylikki Zacharias eine Ausstellung vor, muss das Projekt vom Direktor der Nationalgalerie, bis vor kurzem noch Udo Kittelmann, genehmigt werden.
Sammlung Scharf-Gerstenberg
ist der Begründer der Viktoria Versicherung und Urgroßvater von Julietta Scharf. Er baute die hochkarätige Impressionisten-Sammlung mit Werken von Edouard Manet, Auguste Renoir, Henri de Toulouse-Lautrec, aber auch von Francisco de Goya und Eugène Delacroix auf: Explizit gegen den vorherrschenden wilhelminischen Kunstgeschmack.
organisierte während des Zweiten Weltkrieges die Rettung der Sammlung. Einen Teil verbrachte sie in ihr Haus in Oberstdorf. Große Teile übergab sie der Nationalgalerie in Berlin, die die Sammlung in Flakbunkern sicherte.
Nach Kriegsende besetzten sowjetische Soldaten die Flakbunker und transportierten wichtige Bilder, darunter von Degas das berühmte Gemälde „Vicomte Lepic et ses Filles traversant la Place de la Concorde“ als Beutekunst nach Moskau und St. Petersburg. Dort befinden sie sich noch heute, obwohl Generationen von deutschen Außenministern sich um eine Rückgabe bemühten.
erbten dennoch große Sammlungsschätze. Dieter Scharf dirigierte seinen Teil um in Richtung Surrealismus und Symbolismus mit Werken von Odilon Redon bis Max Ernst. 2001 brachte die Familie diese Kollektion in die Stiftung „Sammlung Dieter Scharf in Erinnerung an Otto Gerstenberg“ ein.
Dieters Tochter, übergab 2008 den Schatz als Dauerleihgabe der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Seither hat die Kollektion ihr Domizil im Museum Sammlung Scharf-Gerstenberg, einem klassizistischen Stülerbau direkt gegenüber vom Museum Berggruen.
Sodann muss zusätzlich innerhalb der SPK der Generaldirektor der Staatlichen Museen Berlin, Michael Eissenhauer, sein Placet geben. Natürlich danach auch noch die Finanzdirektion. Der gleiche Hindernislauf steht auch bei Anfragen nach Leihgaben bevor, sowohl für eigene Ausstellungen als auch für Schauen in fremden Häusern.
Auf Handelsblatt-Anfrage erklärt die Hauptverwaltung der SPK: „Über den Leihverkehr - gebend und nehmend - entscheiden die einzelnen Museen; der Leihvertrag wird aus juristischen Gründen vom Generaldirektor SMB in Vertretung des Präsidenten SPK unterzeichnet.“ Joachim Jäger erklärt die hemmende Hierarchie: „Da die einzelnen Häuser der Stiftung weder über Budget- noch Personalautonomie verfügen, müssen die Programme auf mehreren Ebenen abgestimmt werden.“
In puncto Budget, meint die Sammlerin Scharf, wäre schon einiges gewonnen, wenn die einzelnen Häuser Einnahmen einer Ausstellung für das nächste Projekt verwenden könnten. Heute sieht es so aus, dass diese Gelder in einen großen Topf wandern und dann neu beantragt werden müssen.
Die Neue Nationalgalerie
So präsentiert sich der luftige Bau von Mies van der Rohe nach soeben abgeschlossener Renovierung durch das Architekturbüro David Chipperfield.
(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
Als immens großen Stolperstein empfindet Scharf auch die mangelnde Kommunikation zwischen den einzelnen Hierarchieebenen. Ihre Kuratorin und sie erfahren oft aus der Presse, ob und wann ihr Museum Corona bedingt schließen muss oder öffnen kann.
Ein anderes großes Manko sieht Scharf ferner bei Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Für Werbung einzelner Ausstellungen, so sie nicht Blockbuster zu werden versprechen, ist offenbar nie Geld vorhanden. Schlimmer noch: obwohl SPK und Monika Grütters immer vollmundig die „Sammlungsschätze von Weltrang“ rühmen, gibt es nirgend in der Stadt Hinweise auf diese Schätze.
Eine Reformkommission soll nun also Besserungen ertüfteln. Das eingangs erwähnte Gutachten empfahl eine Zerschlagung der SPK. Dieser Vorschlag ist offenbar vom Tisch.
In der Reformkommission sitzen die Kulturstaatsministerin, das Land Berlin, der SPK-Präsident sowie drei Vertreter der Bundesländer, die mit Beiträgen die Stiftung mitfinanzieren. Die Verantwortlichen der beklagten Dysfunktionalität wollen sich selbst reformieren.
Da die betroffenen Museen zunächst nicht in der Reformkommission vertreten waren, schrieben 19 Museumsleiter einen Brandbrief, in dem sie Mitsprache einforderten. Man „gewährte“ ihnen daraufhin jedoch nur eine beratende Stimme.
Deshalb entwarfen diese 19 Aufrechten ein eigenes Reformkonzept, das dem Riesengebilde SPK eine Frischzellenkur verpassen soll. Statt einer Zentralverwaltung wollen sie vier Cluster bilden – Museumsinsel, Kulturforum, Dahlem und Nationalgalerie – die sich, einschließlich Personal- und Budgetplanung, selbst verwalten. Sie wollen jeweils einen Sprecher auf Zeit wählen, der in der geschrumpften Zentrale ihre Interessen vertritt. Die bisherigen Posten des Direktors der Nationalgalerie und des Generaldirektors der Staatlichen Museen sind nicht weiter vorgesehen bei Clusterlösung.
Tief greifende Reform vorgesehen
Dieses Cluster-Modell hätte den Vorteil, dass die betroffenen Häuser künftig kollegial und im Team arbeiten. „Inspiriert sind diese Vorschläge auch von der New Work-Bewegung, die für flache Hierarchien und neue Wege der Zusammenarbeit in Unternehmen steht“, erläutert Jäger. Vorgesehen ist jedenfalls eine tief greifende Reform.
Auf Anfrage teilt die Hauptverwaltung dazu mit: „Die Museumsdirektorinnen und Museumsdirektoren bilden zusammen mit dem Verwaltungsleiter den Clusterrat, indem alle wichtigen Entscheidungen getroffen werden. Die Cluster können den Sammlungen eine größere Autonomie und Agilität verschaffen. Überlegt werden muss dann auch, welche Aufgaben weiterhin sinnvollerweise von einer Zentrale geleistet werden sollten, hier ist beispielsweise an die IT zu denken. Wichtig ist, eine schlanke, aber dennoch effektive Struktur zu schaffen.“
Für die vielteilige Nationalgalerie würden die Vorschläge ebenfalls große Veränderung bedeuten: Die einzelnen Bereiche Alte Nationalgalerie und Hamburger Bahnhof erhielten nach dem Vorschlag der Museumsleiter Eigenständigkeit, da eine Person allein, wie sich gezeigt hat, schwerlich in allen Facetten des 19., 20. und 21. Jahrhundert kompetent sein könne.
Richtungsentscheidung Ende Mai
Die bisherigen Leiter – Ralph Geis in der Alten Nationalgalerie, Gabriele Knapstein im Hamburger Bahnhof und Joachim Jäger in der Neuen Nationalgalerie, Museum Berggruen, Sammlung Scharf-Gerstenberg und im Museum für das 20. Jahrhundert wollen sich als Trio für die Chefposten bewerben, sollte die SPK diese Leitungsstellen neu ausschreiben.
Die Reformkommission wird in ihrer Sitzung Ende Mai über eine Richtungsentscheidung zur künftigen Struktur der SPK beraten. Diese Beschlussvorlage wird dann vom Stiftungsrat Ende Juni diskutiert und entschieden.
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