Museumsarchitektur Verpasste Chance: Der Erweiterungsbau für das Kunsthaus Zürich

Die Sandsteinfassade sorgt für ein Spiel aus Licht und Schatten.
Zürich Wenn der britische Stararchitekt David Chipperfield ein Museum plant, dann wird es elegant, ohne Schnickschnack und mit Bezug zur Umgebung gebaut. Das ist auch der Fall beim neuen Kunsthaus Zürich. Am 9. und 10. Oktober wird die 206 Millionen Schweizer Franken teure Erweiterung der Öffentlichkeit mit Tagen der offenen Tür übergeben.
Der breite Neubau liegt am verkehrsreichen, nicht eben schönen Heimplatz, dem Altbau und zwei späteren Anbauten direkt gegenüber. Zu erreichen ist das neue Haus für die Kunst ab 1960 über einen unterirdischen Tunnel. Chipperfield nimmt die vertikale Gliederung des bestehenden Baukomplexes auf. Schmale Rippen sorgen auf der Sandsteinfassade für ein Spiel von Licht und Schatten. Die feinen Bänder legen sich sogar über die großen Fenster der Seitenlichträume.
Video ist seit 50 Jahren eine Kunstgattung von wachsender Bedeutung. Sie wird dementsprechend in einer Beschreibung des Neuen Kunsthauses unter den Inhalten an erster Stelle genannt. Zu Recht. Denn Videokunst zieht junge Menschen an, nicht nur in den dafür vorgesehenen fensterlosen Räumen im Inneren.
Die Chance, den zeitgenössischen Inhalt des Hauses in der Dunkelheit per Video nach draußen in den Stadtraum zu tragen, wurde indes verkannt. Im Wechsel auf die Außenfassaden projizierte laufende Bilder könnten Passanten immer wieder neugierig machen auf das, was sich im Museum tut. Und gleichzeitig würde deutlich, dass der Bau keiner Bank oder Hauptverwaltung dient, sondern den Künsten.
Bewegtbilder sind das Medium schlechthin, welches das 20. mit dem 21. Jahrhundert verbindet. Und wer sein Museum an der Zukunft und nicht an Tempeln für die Schönen Künste des 19. Jahrhunderts ausrichten möchte, schreibt eine Außenhaut für wechselnde Projektionen mit in die Bauaufgabe. Das hat die Bauherrin – die Zürcher Kunstgesellschaft, die Stadt Zürich und die Stiftung Zürcher Kunsthaus – versäumt und damit eine einmalige Chance verspielt.

Nachts versuchen Pipilotti Rists „Tastende Lichter“, auf das Museum aufmerksam zu machen.
Dass da etwas fehlt, hat die Bauherrin selbst gemerkt. Deshalb bekam die in Zürich ansässige, bekannte Videokünstlerin Pipilotti Rist den Auftrag, eine Skulptur für den Außenraum zu schaffen. Doch die steht verloren wie eine zarte Blume zwischen Asphalt und Tram-Oberleitungen. Tags sieht sie mickrig aus. Nachts darf sie mit dem beschreibenden Titel „Tastende Lichter“ leuchten, um Fassade und Nachtschwärmer mit Lichtkegeln abzutasten. Das ist peinlich wenig im Vergleich zu dem, was an Vielfalt und Abwechslung möglich gewesen wäre, hätte der Museumsdirektor Sinn für zeitbasierte Kunst besessen.
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