„Nazi-Schatz“ Gurlitt-Sammlung wird ausgestellt

Am Kunstmuseum Bern (Schweiz) weisen Fahnen auf die Ausstellung der Werke aus dem Gurlitt-Nachlass hin.
Bonn, Bern „Nazi-Schatz“ wurde der spektakuläre Kunstfund betitelt, von einem milliardenhohen Wert wurde geraunt. Mehr als fünfeinhalb Jahre nach der rechtlich zweifelhaften Beschlagnahmung der Sammlung von Cornelius Gurlitt wird der Schleier über den Kunstwerken nun gelüftet. In der Doppelausstellung „Bestandsaufnahme Gurlitt“ in Bern und Bonn werden ab Anfang November insgesamt rund 450 Werke aus der Sammlung erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
Mehr als 1500 Kunstwerke – Monet, Cézanne, Renoir, Macke, Dix, Nolde, Beckmann – waren 2012 in Gurlitts Münchner Wohnung und später in seinem Salzburger Haus entdeckt worden. Die Arbeiten der berühmtesten Künstler vor allem des 19. Jahrhunderts und der Klassischen Moderne – sie waren teils verschimmelt, wie Monets „Waterloo Bridge“ (1903).
Ein Großteil waren Papierarbeiten, die in einem Schubladen-Schrank gestapelt waren. Von einem Milliardenwert kann zwar keine Rede sein, wohl aber von einer Kollektion, die teilweise Museumsrang hat. Als wertvollstes Bild gilt das auf einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag geschätzte Cézanne-Gemälde „La Montagne Sainte-Victoire“. Es wurde im Salzburger Haus hinter einem Schrank gefunden – ebenfalls in schlechtem Zustand. Gurlitt, der 2014 starb, hat die Sammlung zur Überraschung vieler dem Kunstmuseum in Bern vermacht. Dort werden alle Werke nach den beiden Ausstellungen hinkommen.
Trotz mehrjähriger Forschung ist die zentrale Frage nicht geklärt, wieviel Raubkunst in der Sammlung von Cornelius Gurlitt enthalten ist. Dafür mussten die Forscher die zwiespältige Verstrickung seines Vaters Hildebrand Gurlitt (1895-1956) in das Nazi-Regime aufarbeiten. Hildebrand Gurlitt, einer der Kunsthändler von Adolf Hitler, hatte die Sammlung unter teils nebulösen Umständen zusammengekauft. Aber Gurlitt hatte auch eine jüdische Großmutter und war Anfang der 30er Jahre wegen seines Einsatzes für die Avantgarde selber Repressionen ausgesetzt. Er war Bedrohter und Profiteur des Nazi-Regimes zugleich.
„Die männliche Mona Lisa“ – Original von Da Vinci kommt unter den Hammer
Als Kunsthändler sollte Hildebrand Gurlitt die Werke der Avantgarde, die die Nazis 1937 als „entartete Kunst“ diffamierten und in den Museen beschlagnahmt hatten, für Devisen verkaufen. Gurlitt hatte dem NS-Regime seine Dienste angeboten – vielleicht, um sich vor Repressionen zu schützen. 1943 wurde Gurlitt dann zum Haupteinkäufer im besetzten Frankreich für Hitlers in Linz geplantes „Führermuseum“ ernannt – ein großes und lukratives Geschäft für ihn. Dennoch ging er aus dem Entnazifizierungsverfahren als „Unbelasteter“ hervor.
Nach dem Krieg knüpfte Gurlitt fast nahtlos an seine einstige, von den Nazis unterbrochene Karriere als Museumsleiter an. „Als Händler habe ich mich ganz gut durch die Zeiten hindurchgeschlagen und vielerlei gelernt“, schrieb Gurlitt Anfang 1950 in nebulösen Worten an Marc Chagall. Seine von den US-Militärs beschlagnahmte Sammlung erhielt er zurück. Keines der Bilder stamme aus jüdische Besitz, behauptete er. Andere Teile der Sammlung hatte er in einer fränkischen Wassermühle und in Depots versteckt.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.