Neuerscheinung Manuela Alexejew über ihre Sammlung: „Wie Berlin, viele Brüche, nie langweilig“

Die Sammlerin und ihr Mann stehen vor einem Gemälde von Michel Majerus.
Berlin Wer regelmäßig in der Berliner Kunstwelt unterwegs ist, kennt sie, Manuela Alexejew. Aber auch auf der Biennale von Venedig oder der Antiquitätenmesse Tefaf begegnet man ihr unweigerlich. Jetzt erzählt sie in einem bei Steidl erschienenen Buch anekdotenhaft und launig, wie sie wurde, was sie ist: eine von Neugier getriebene, engagierte Kunstsammlerin.
Aufgeschrieben hat ihre Geschichte der TV-Journalist Thomas Kausch. Man erfährt, wie sie zuerst – per Zufall eher – Stewardess bei der PanAm wurde und auf diese Weise nicht selten mit dem Glamour der Schönen und Reichen in Berührung kam. Fliegen war damals Luxus. Man erfährt weiter, dass sie beinahe ein Fotomodel geworden wäre, wäre nicht der Fotograf einen Tag vor dem ersten Shooting gestorben.
Eigentlich wollte sie Künstlerin werden, was jedoch durch das 15 Jahre dauernde berufliche Intermezzo bei PanAm und durch ihren Aufstieg zum Fast-Fotomodell verhindert wurde. Jedoch erwarb sie schon als Studentin ein kleines Kunstbüchlein, in dem ein Werk von Ernst Wilhelm Nay sie faszinierte.
Tatsächlich konnte Alexejew Jahre später einen Nay erwerben, der heute in ihrem Wohnzimmer einen Blickfang bildet. Dieser auf Umwegen zu Stande gekommene Kauf führte sie zu der Überzeugung: „Du findest nicht die Bilder, sie finden dich.“ Ein Bonmot, das eigentlich alle Sammler verkünden. Bei Manuela Alexejew wird es freilich zur Regieanweisung, ohne System zu sammeln, sich der Liebe auf den ersten Blick zu überlassen.
Deren französische Bezeichnung „Coup de foudre“ wäre ein besserer Titel für das Buch als der gewählte „It’s not about Money“. Offenherzig berichtet Alexejew, wie sie sich Schritt für Schritt Expertise erwarb, unterstützt von ihrem Mann, dem Altmeisterspezialisten und Autonarr Carlos Brandl, den sie 1978 traf.

Das früh erworbene Gemälde war Liebe auf den ersten Blick. Heute ist es der Blickfang im Wohnzimmer.
Ein wichtiger Schritt waren Auktionsbesuche in New York. Dort wollten beide lernen „wie der Kunstmarkt funktioniert, wie mit Verstand ge- und verkauft wird. Diesen Kunstverstand wollten wir erlernen“.
Die Berlinerin sagt, sie vermisse kreatives Chaos in der gegenwärtigen Kunstszene. Galerien wirkten eher wie OP-Säle. Diese Kritik ist auch ein Plädoyer für ihre bewusst unkonventionelle Vorgehensweise bei der Zusammenstellung ihrer Sammlung, die Alexejew so beschreibt: „Henry Moore schaut auf William Copley, Malerei des Preußischen Rokoko kombiniert mit deutschem Expressionismus, alten Teppichen und antikem Spielzeug“.
Eine „wilde Mischung bei uns, aber es lebt, pulsiert“, meint sie. Aus dieser höchst persönlichen Zusammenstellung entstehe letztlich freilich eine Perspektive, kurz, die Sammlung sei „wie Berlin, viele Brüche, nie langweilig“.
Stolz berichtet Alexejew über Entdeckungen, die zu „Trophäen“ wurden. So erwarb sie früh etwa George Condo oder Yayoi Kusama und viele andere. Aber auch vermeintliche Niederlagen, eine Kolbe-Skulptur, die sich als Fälschung erwies, werden erwähnt, was sie jedoch lakonisch mit der Bemerkung „die hatte keine Seele, wir hatten keine Beziehung zur ihr aufgebaut“ quittiert.

Manuela Alexejew, Thomas Kausch: It's not about the Money (dt. Ausgabe)
Steidl Verlag, Göttingen 2021
184 Seiten
35 Euro
Spannend, wie die Sammlerin für das Porträt von „Jean-Jacques Bernauer“, 1937 von Otto Dix gemalt, intensivste Nachforschungen anstellt, um zu erfahren, wer dieser Bernauer war. Vergeblich, doch das Bild blieb in ihrer Sammlung.
Wie alle Sammler weist sie den Verdacht von sich, sie jage nach Künstlern, die gehypt werden. Im Gegenteil, „es gibt Künstler, die mich nicht erreichen, auch wenn sie als genial gelten“.
Aber natürlich ist Alexejew stolz, wenn sie früh einen „coup de foudre“ für einen jungen Künstler erlebt, der dann Karriere macht, z.B. Gregor Hildebrand. Als dessen Partnerin Alicja Kwade die Szene betrat, witterte Manuela Alexejew spontan deren Qualität und empfahl ihr den Galeristen Johann König: „Der sorgt nun für Internationalität“. Denn sie glaube nicht an das Selbstvermarktungsmodell von Künstlern.
Heute ist Alicja Kwade ein Weltstar. Wer so emotional an die Kunst herangeht wie Manuela Alexejew, kann mit Online-Viewings von Messen und Internet-Angeboten von Galerien wenig anfangen. „Wie kann ich da die Energie, Wirkung, Kraft spüren, fragt Alexejew. „Liebesgeschichten finden in dieser Welt nicht statt.“
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