Non Fungible Token Der neue Treibstoff im Kunstmarkt

Die Ausstellung veranstaltet die Wiener Galerie mit dem schwer auszusprechenden Namen „Unttld Contemporary“.
Wiesbaden Zehn Jahre oder mehr dauerte es, bis Künstler wie Damien Hirst oder Jeff Koons Millionenpreise für ihre Werke erzielten und schließlich fast beliebig mit ihrem Markt spielen konnten.
Um 2015 konnte man dabei zusehen, wie eine Reihe junger Künstler, die unter den Begriffen „Crapstraction“ oder „Zombie Formalism“ zusammengefasst wurden, mithilfe geschäftstüchtiger Sammler und einiger Galeristen immer schneller immer höhere Preise erzielten – um dann fast ausnahmslos wieder in der Versenkung zu verschwinden. „Art Flipping“ – das schnelle Kaufen und Verkaufen von Kunst – wurde zum Modebegriff.
Mit NFT – Non-Fungible Token – rückte im März schlagartig ein Phänomen ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. NFT sind eine Methode, Dateien – also auch digitale Kunstwerke – mit einer Signatur zu versehen und auf diese Weise einzigartig zu machen. Der Run auf diese Technik traf nicht nur den Kunstmarkt völlig unvorbereitet; er sorgt im Allgemeinen zumeist für ungläubiges Staunen.
Doch der Hype hat einen langen Vorlauf. Was die sagenhafte Hausse so schwer verständlich macht, ist die Komplexität des Geschehens. Die Erzählung von den Rekordpreisen für Kryptokunst speist sich aus mehreren Strängen. Um zu verstehen, woher die riesigen Summen kommen, die plötzlich im Spiel sind, und wer hinter diesen Zahlen steht, muss sich ein wenig mit den Geschichten dahinter beschäftigen.
Da ist zum einen die Welt der Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether, die alle aus „Blockchain“ genannten Datensätzen bestehen, die mittels kryptografischer Verfahren miteinander verbunden werden. Diese „Währungen“ werden von sogenannten Minern mithilfe ganzer Rechnerfarmen geschürft, indem sie hochkomplexe Rechenaufgaben lösen, für die sie mit „Token“ genannten Einheiten belohnt werden.
Mit der Zeit ist die Lösung dieser Rechenaufgaben immer aufwendiger und kapitalintensiver geworden. Als das Bitcoin-Netzwerk 2009 von einer Person mit dem bis heute nicht aufgelösten Pseudonym Satoshi Nakamoto initiiert wurde, hatte die digitale noch keinen Gegenwert in einer realen Währung. Zwei Jahre später kostete ein Bitcoin weniger als zehn Dollar. Aktuell liegt der Kurs für eine digitale Münze bei über 50.000 Euro.

Hier geht es um Partizipation. Der Sammler bestimmt mit, wie sich das Werk entwickelt.
Die großen Bestände virtueller Währungen stammen zumeist noch aus den Frühzeiten der unterschiedlichen Blockchains und werden nur von wenigen Personen in „Wallets“ gehalten. Angemessener wäre es allerdings, von Entitäten zu sprechen, da die Blockchain anonym ist und sich hinter den Wallets echte Menschen, Pseudonyme, Fonds oder Konzerne verbergen können.
Einige wenige dieser als „Wale“ bezeichneten Wallets mit jeweils über 1000 Währungseinheiten bei Bitcoin halten Schätzungen zufolge mindestens ein Drittel aller Bestände.
Und es ist ebendieses Ethereum-Netzwerk, auf dessen nach dem ERC-20-Standard erzeugten Token die meisten NFT aufsetzen. NFT werden nicht nur durch die Ethereum-Blockchain verifiziert und dadurch handelbar gemacht, sondern auch selbst zumeist in Ether gehandelt, der zweitgrößten Kryptowährung, die mittlerweile ein theoretisches Volumen von rund 180 Milliarden US-Dollar erreicht hat.
Mit Ether bezahltes Minten von NFT
Das „Minten“ – also Prägen – von NFT wird ebenso in Ether bezahlt wie die Einstellgebühr auf Marktplätzen wie Rarible, Nifty Gateway oder Open Sea. Für die Bestätigung von Transaktionen wird eine „Gas“ genannte Gebühr fällig, ebenfalls in Ether. Das gesamte NFT-Business wirkt wie eine Gelddruckmaschine für die Ether-Miner.
Das macht die Sache nicht nur kompliziert, sondern auch intransparent. So war es bis vor Kurzem unklar, wer genau bei Christie’s für Beeples „Everydays: The first 5000 days“ 69.346.250 Dollar bezahlt hat – und zwar in Ether.
Einer der erwähnten Wale ist Vignesh Sundaresan alias MetaKovan, der Käufer von „Everydays“. Sundaresan ist wahrscheinlich 33 Jahre alt, indischer Herkunft und lebt in Singapur. Er studierte eigenen Angaben zufolge in Kanada, wo er auch 2013 seine ersten Firmen gründete, etwa ein Unternehmen, das Bitcoin-Geldautomaten aufstellte und betrieb.

Varianten, zu sehen in der Galerie Untlttd Contemporary in Wien
Ebenfalls eigenen Angaben zufolge war er ein früher Investor im Ethereum-Netzwerk. Zusammen mit einem Partner namens Twobadour betreibt er den NFT-Fonds Metapurse, der bereits früher in Werke von Beeple investiert hat. Unterbieter war nach eigener Aussage der Blockchain-Unternehmer Justin Sun, ein 30-jähriger Festlandchinese.
Geoutet hat sich MetaKovan übrigens in einem „Clubhouse“-Talk. Clubhouse ist eine iPhone-App, die ebenfalls in diesem Jahr in der Kunstszene reüssierte. Die Diskussionsplattform wurde jedoch schnell dominiert von NFT-Anhängern und der Frage, wie man mit NFT möglichst schnell reich wird.
Die Kunstszene scheint erst langsam Fuß zu fassen in diesem Bereich. Galerist Johann König ist allerdings bereits seit zwei Jahren mit der Kuratorin Anika Meier auf diesem Gebiet aktiv.
Gleich ein ganzes Paralleluniversum hat Jonas Lund geschaffen, das intellektuell und ästhetisch anspruchsvoller ist als fliegende Katzen und Pixelcollagen der NFT-Szene. Der schwedische Künstler hat bereits 2018 den „Jonas Lund Token“ (JLT) kreiert, der ebenfalls auf dem ERC-20-Protokoll aufsetzt.
Anders als viele seiner Kollegen nutzt er die Blockchain nicht als Gelddruckmaschine, sondern dazu, Kuratoren, Sammler und Kritiker mitbestimmen zu lassen, wie sich sein Werk entwickelt. So erhält jeder Käufer einer physischen Arbeit eine dem Preis entsprechende Anzahl von Token, die sich im Mitbestimmungsprozess wie Aktien verhalten: Je teurer die Arbeit, umso mehr Stimmrechte erhält der Käufer.
Mit Token belohnt
Das Projekt „Jonas Lund Token“ hat einen Beirat, der ebenso wie der Künstler selbst 10.000 der auf 100.000 Token begrenzten Währung hält. Das Teilen von Bildern auf Instagram oder die Einladung zur Ausstellung sollen später mit Token belohnt werden.
Noch ist der theoretische Wechselkurs fest an den Ether gebunden. Sind alle JLT verteilt, sollen sie jedoch frei handelbar sein. Lunds Projekt hinterfragt das Betriebssystem Kunst und sucht gleichzeitig nach neuen Wegen der Teilhabe.
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