Online-only-Auktion Jugendstil im Dorotheum: Preisrally für einen Kamm

Die Fledermausförmige Zierde kostete am Ende 35.840 Euro.
Wien Eine nackte Frau mit angezogenen Beinen breitet ihre Arme aus. Ihr langes Haar umschmeichelt ihren Körper. Das Besondere an dieser Figur: Sie ist Teil eines bemerkenswerten Haarschmucks. Denn sie trägt Fledermaus-Flügel, an deren Enden zwei Stäbe nach unten wachsen und so einen Steckkamm aus Horn formen.
Am 18. November kam der Kamm als Los 137 bei der Jugendstil-Auktion zum Aufruf. Das Wiener Auktionshaus Dorotheum hielt sie ausschließlich online ab. So besonders wie das Objekt selbst war auch der Preis, den es erzielte: Ausgehend von einem Startpreis von 600 Euro fiel der virtuelle Hammer erst bei 28.000 Euro; mit Gebühren und Steuern werden für den Käufer 35.840 Euro fällig.
Warum wurde der schmucke Kamm so teuer? Dorotheum-Expertin Magda Pfabigan erklärt die Steigerung mit der Besonderheit des ausschließlich aus Horn unterschiedlicher Färbung zusammengesetzten Stücks und mit der breiten internationalen Bieterschaft. Interessierte aus den USA, Belgien, Frankreich und Asien steigerten online mit. Letztlich machte ein deutscher Privatsammler mit Schwerpunkt auf Jugendstil das Rennen.
Der Kamm, um 1900 in Paris entstanden, wurde von einer älteren Dame eingeliefert, wie Pfabigan erzählt. Die Verkäuferin hatte ihn als Erbstück erhalten – offenbar von jemand mit einer Vorliebe für die nachtaktiven Flugtiere: Fledermausmotive finden sich auch auf einer Jugendstiluhr derselben Provenienz, die das Dorotheum mit 3400 Euro netto ebenfalls über dem Schätzwert versteigerte.
Eine ebenfalls beeindruckende Preisrallye legte eine Skulptur der Designerin Vally Wieselthier (1895—1945) hin, einer wichtigen Protagonistin der berühmten Wiener Werkstätte. Der auf 1928 datierte Frauenkopf wurde einst in einer Auflage von drei verkauft.

Der Startpreis für die Brosche lag bei 3000 Euro, der Hammerpreis bei 17.000 Euro.
Hatte das Dorotheum bereits vor zwei Jahren ein Exemplar daraus für 11.000 Euro versteigert, so setzte die Expertin den Preis für das jetzt angebotene Stück weitaus niedriger an, mit einem Schätzwert von 3000 bis 5000 Euro. Denn ein wertmindernder Brandriss zieht sich durch das Innere des ausdrucksstarken Kopfes. Dennoch wurde der Zuschlag erst bei 14.000 Euro erteilt.
Erst kürzlich zeigte das Wiener Museum für Angewandte Kunst die Avantgardistin in einer großen, breit wahrgenommenen Ausstellung – eine Tatsache, die das Ergebnis laut Pfabigan wohl beeinflusste.
Die Jugendstil-Auktionen wurden das dritte Mal ausschließlich online abgehalten. Das scheint sich zu lohnen, erreicht das Dorotheum dadurch doch ein breiteres internationales Publikum. Auch für eine Brosche von Josef Hoffmann und eine weibliche Figur für dessen Brüsseler Palais Stoclet von Richard Luksch aus dem Jahr 1905 erzielte das Haus Erfolge. Der Startpreis für Hoffmann lag bei 3000 Euro, der Hammerpreis bei 17.000 Euro. Die Figur von Luksch kam von 9000 auf 24.000 Euro.
Vasen von Gallé
Ausgerechnet das Prunkstück der Offerte enttäuschte allerdings. Eine große Schale von Emile Gallé, um 1900 in Nancy entstanden, blieb liegen. Da nützte es auch nichts, dass sie auf der Pariser Weltausstellung 1900 zu sehen war. Offenbar war die Schätzung mit 60.000 bis 100.000 Euro doch etwas zu hoch. Der Großteil der insgesamt rund 20 Gefäße von Gallé, fast alles Vasen zu weit geringeren Taxen, ging weg.
Mit einem unveröffentlichten Umsatz von fast einer Million Euro netto und einer Verkaufsquote von 70 Prozent der Lose – einschließlich Nachverkauf bis 24. November – gehört die Versteigerung zu den besten Jugendstil-Auktionen seit mehreren Jahren. Und wer weiß: Vielleicht geht bei der Gallé-Schale ja noch etwas im Nachverkauf.
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