Privatsammlung Leuchtturm für die Kultur: Arles hofft auf den Bilbao-Effekt

der Neubau von Frank Gehry, ein Park und zahlreiche Ateliers in den ehemaligen Eisenbahn-Hallen (Ausschnitt).
Arles Die südfranzösische Kleinstadt Arles war bisher für ihre römischen Bauten, das von den Malern Vincent van Gogh und Paul Gauguin eingefangene Licht und den eisigen Mistral-Wind bekannt. Der kanadische Architekt Frank Gehry fügt am Stadtrand den für die „Fondation Luma“ konzipierten 56 Meter hohen Turm aus glitzernden Metallquadern hinzu. Der soll das neue Wahrzeichen und Anziehungspunkt für Kulturfreunde werden.
„Luma Arles“ ist ein internationales Kulturzentrum, das Kunst nicht nur ins Museum oder auf die Bühne bringt, sondern auch produziert. Gegründet hat es die Schweizer Mäzenin Maja Hoffmann. Hinter dem Namen verbergen sich die Vornamen von Hoffmanns Kindern Lucas und Marina.
Als Miterbin der Schweizer Pharmafirma Roche verfügt die Stifterin über enorme Finanzmittel, die sie seit 2004 für ihre Stiftung einsetzt. Nebenbei kauft sie zeitgenössische Kunst, bevor die Preise für die Künstlerinnen und Künstler hochschnellen. Ihr Ziel ist ein breit aufgestelltes Kulturzentrum für Kunst, Fotografie, Video, Design, Performance und Musik. Sozusagen eine Variante des multikulturellen Konzepts des staatlichen „Centre Pompidou“ in Paris.
Der 92-jährige Gehry bewies Humor, wenn er sein Bauwerk abwechselnd als „Luma-Turm“, „Gehry-Turm“, oder sogar als „Leuchtturm zum Mittelmeer“ bezeichnete. Denn er und Maja Hoffmann behaupten, vom neunten Stockwerk des Stahlturms könne man über die Camargue hinweg das Meer sehen.
Intern heißt der Turm nur „La Tour“. Er ist das Zentrum eines Glasrundbaus, genannt „Drum“. Diese Trommel beinhaltet eine große, helle Eingangshalle mit einem Café und einer verschlungenen Treppe, die in einen rotierenden Rundspiegel von Olafur Eliasson mündet, der unsere Wahrnehmung keck auf den Kopf stellt.
Vom zweiten Stock aus kann man über eine dekorative Doppelrutschbahn von Carsten Höller wie im Schwimmbad in die „Drum“ hinuntergleiten. Deren Kreisform, erklärt der Stararchitekt, sei vom römischen Amphitheater in Arles inspiriert, wie überhaupt dieser „dekonstruktivistische Bau sein erstes römisches Bauwerk“ sei. Der rüstige, blauäugige Gehry verkündet dies alles in vollem Ernst bei der Eröffnungspressekonferenz.

Der Stararchitekt baute der Mäzenin einen „Leuchtturm zum Mittelmeer“.
Die resolute, heute 65-jährige Mäzenin Maja Hoffmann hat für ihre Stiftung das elf Hektar umfassende ehemalige Eisenbahn-Gelände erworben. Die Hallen baute die amerikanische Architektin Annabelle Selldorf behutsam um, während rundum ein riesiger Park mit einem Teich für die Wasserversorgung angelegt wurde.
Die Stadt Arles hat keinerlei Einkünfte aus der Industrie und ist ziemlich verarmt. Sie hofft auf den Gehry-Effekt, wie man ihn im spanischen Bilbao erlebt. Und tatsächlich profitiert der Stadtkern bereits seit 2016 wirtschaftlich von Künstler-Residenzen, von Theatergruppen und Musikern. Der erste war der französische Choreograf Benjamin Millepied, Ehemann der Schauspielerin Nathalie Portman. Millepied belebte drei Jahre lang mit seiner Truppe aus Los Angeles „L.A. Dance Project“ die Fondation.
Umweltschutz wird mitgedacht
Luma Arles unterhält auch ein ökologisches Forschungslabor. Der Umweltschutz ist der Mäzenin wichtig. Sie folgt damit der Tradition ihres Vaters Luc Hoffmann, der einst durchsetzte, dass ein Großteil der Camargue als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde.
Zur Umsetzung ihrer Idee einer Kulturproduktionsstätte stützt sich Maja Hoffmann auf einen Think-Tank, der bestvernetzte Kenner vereint: die Schweizer Hans Ulrich Obrist und Beatrix Ruf, die Künstler Tom Eccles, Philippe Parreno, Liam Gillick, Ian Cheng und Sophia Al-Maria.

Die Gründerin und Präsidentin der Luma Foundation eröffnete in Arles den von Frank Gehry entworfenen Turm.
Der Fotografie-Spezialist Matthieu Humery berät neben Maja Hoffmann auch den Großsammler François Pinault. Das Team erarbeitete das künstlerische Fundament von Luma Arles, organisiert Symposien und zeichnet verantwortlich für das Musik, Theater- und Tanzprogramm, sowie sämtliche Ausstellungen im „Gehry-Turm“ und in den renovierten Hallen.
Erstaunt entdeckt die Journalistin in der persönlichen Sammlung von Maja Hoffmann die gleichen Wachs-Skulpturen von Urs Fischer, die sich auch im neuen Pinault-Museum in Paris langsam verzehren. Darauf angesprochen, erläutert die Sammlerin, dass sie ihrem Landsmann Fischer 2011 bei der Produktion für die Ausstellung der Venedig-Biennale half.
Wie die Zürcher Galerie Eva Presenhuber, die die Wachs-Werke vermittelte, dem Handelsblatt mitteilt, erwarben die Fondation Luma und die amerikanische Brant Foundation jeweils eine Skulptur „Ohne Titel (The Rape of the Sabine Women)“. Dieser Wachsguss existiert in einer Edition von zwei plus einem Künstlerexemplar.
Das Künstlerexemplar übernahm François Pinault, der dies jedoch nicht bestätigt. Für den französischen Großsammler goss Urs Fischer jedenfalls zusätzlich afrikanische Stühle, um den kolonialen Kontext von Pinaults früherer „Handelsbörse“ zu unterstreichen.
Im Katalog der Pinault Collection erklärt der Künstler: Sobald sich die Wachsskulpturen in Nichts aufgelöst hätten, würden „sich diese Stücke dauernd erneuern“. Fischer vergleicht sein Studio mit einer „Bäckerei oder einer Konditorei, die permanent deliziöse, frische Dinge“ produziere. „Diese Arbeit liegt auf halbem Weg zwischen der Bäckerei und dem Louvre“, behauptet der „agent provocateur“.
Wo, wie, wann die drei Sammler die frischen Wachsskulpturen nachbestellen, zu welchen Bedingungen und Preisen, und was nach dem Tod des zynischen Witzbolds Urs Fischer passiert – dazu wollte sich weder die Galerie Presenhuber und schon gar nicht die Galerie Gagosian äußern, die auf Anfrage nicht reagierte.
Presenhuber vermittelte noch zu Lebzeiten von Franz West dessen 13 Meter hohe, im Park platzierte rosa Außenskulptur an Maja Hoffmann. Mehrere bunte Sofas und Stühle, sowie fünf bemalte Köpfe aus Papiermaché des rabiaten österreichischen Kunstdekorateurs kamen ebenfalls über die Zürcher Galerie in die Sammlung.
Weitere Highlights sind sieben Nofretete-Skulpturen mit Sonnenbrillen von Isa Genzken, eine schwarze Madonna von Katharina Fritsch, eine schauerliche Grotte von Mike Kelley, Holzskulpturen von Paul McCarthy und eine poetische Bilderserie der Malerin Etel Adnan. Die 96-jährige Libanesin gestaltete auch den Fries im Auditorium des „Turms“.
Adnans Oper „Arabische Apokalypse“ wurde Anfang Juli in der Fondation Luma Arles und nicht in Aix uraufgeführt. Geschaffen wurde sie gemeinsam mit dem Direktor des Festivals von Aix-en-Provence, Pierre Audi. Da spürt man die Einflussnahme und die Bedeutung der privaten Stiftung Luma für die Kultur in Frankreich.
Mehr: Privatsammlung François Pinault: Provokationen in Schwarzweiß
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