Privatsammlung von François Pinault in Rennes Provokationen in Schwarzweiß

Links steht die „Bourgeois Buste“ von Jeff Koons, daneben die Skulptur „Death’s Head“ von Damien Hirst.
Rennes Der Großsammler und Eigentümer von Christie’s, François Pinault eröffnete kürzlich in Rennes seine neueste Leistungsschau: „Jenseits der Farbe. Schwarz und Weiß in der Collection Pinault“ heißt sie und findet im ehemaligen Kloster „Couvent des Jacobins“ statt. Sein Sohn François-Henri Pinault, CEO der Luxusgruppe Kering, war selbstverständlich auch dabei.
Als souveräner Kurator agiert der Generaldirektor der Collection Pinault, Jean-Jacques Aillagon, Frankreichs ehemaliger Kulturminister der Jahre 2002 bis 2004. Damals zeichnete Aillagon verantwortlich für das Mäzenatengesetz, das die Steuerabschreibung von Kunstkäufen regelt. Aillagon und Pinault zeigen eine Auswahl von 106 Werken von 56 Künstlern aus der immens großen Sammlung des Kunstmagnaten. Sie sind schwarz, weiß oder schwarzweiß.
Einige Ausnahmen lockern Aillagons Konzept des starken Farbkontrasts auf. Blue-Chip-Stars der 2000er-Jahre setzen mit ihren Megaformaten Akzente; minimalistische Künstler wie Robert Ryman, Niele Toroni oder Mario Merz halten locker dagegen mit sparsam eingesetzten Mitteln.
Gleißendes Sonnenlicht bestrahlt den weißen Marmor der „Bourgeois Buste“: die pseudo-romantische, kitschige Darstellung des Paars Jeff Koons und seiner ersten Frau, dem Pornostar Cicciolina. Im Schatten daneben ruht eine enorm große, quasi-afrikanische Masken-Skulptur aus Granit, „Death’s Head“ von Damien Hirst. Er zeigte sie bereits 2017 in seiner Monsterschau in Pinaults venezianischen Museen.
Hirst ist auch mit der schwarzen Wandskulptur „Cancer“ vertreten. Für sie klebte das britische „Enfant terrible“ unzählige schwarze Fliegen auf die 366 x 366 Zentimeter große Leinwand.
Sein nicht weniger provokanter italienischer Kollege Rudolf Stingel wartet mit zwei überdimensionalen Werken auf. Eines ist aus weißem Styropor. In ihm verewigte der von Pinault unterstützte Künstler bloß seine Fußstapfen. Die zweite Arbeit spielt mit einer Art schwarz-schwarzem Tapetenmuster.

Bei den Römern stellten die Lemuren die bösen Geister der Verstorbenen dar.
Direkt auf dem Klosterboden liegen die schon oft gezeigten, mit weißen Tüchern umhüllten neun Marmorleichen, „All“, von Maurizio Cattelan. Sie führen zu den vier großen „Lemurenköpfen“ von Franz West. Bei den Römern stellten die Lemuren die bösen Geister der Verstorbenen dar.
Als typischer Österreicher verfügte West über viel schwarzen Humor, was seine weißen Gipsplastiken zwar nicht anziehender macht, aber die Faszination von François Pinault erklärt. Der Sammler mit surrealistischem Sinn für Humor behauptet, sobald er einen Totenkopf sähe, könne er sich nicht zurückhalten - er müsste ihn ankaufen.
Besonders gelungen ist der Saal mit schwarz-weiß-grau auf die Leinwand geschriebenen Wörtern von Christopher Wool, Paulo Nazareth und Roman Opalka. Und packend ist der im Iran gedrehte Film von Shirin Neshat, „Rapture“. Er lebt von den extremen sozialen und farblichen Kontrasten der schwarz verschleierten Frauen im Gegensatz zu den in weißen Hemden tanzenden Männern.
Auch der Franzose Adel Abdessemed bringt mit seinen tiefschwarzen Skulpturen eine soziale, aggressiv-denunzierende Komponente in die Schau. Zu sehen ist ein ausgebrannter BMW aus Terrakotta; ein ganzer Wald aus 51 vergrößerten Bohrern aus Marmor und – der Clou der Ausstellung – die 227 Zentimeter hohe Skulptur „Coup de tête“. Sie bezieht sich auf den historischen Kopfstoß, den der französische Fußballstar Zinédine Zidane einem italienischen Spieler beim Weltmeisterschaft-Endspiel 2006 gegen die Brust versetzte. Abdessemed verewigte die Attacke 2012 in schwarzem Marmor.

Blick auf das Skulpturenensemble "Bear and Rabbit on a Rock" von 1992 in der Collection Pinault
Etwa ein Drittel der Schau ist der Fotografie gewidmet. Künstlerisch schlüssig ist das weltbekannte Foto von Man Ray, „Noire et blanche“ von 1926: eine weiße Frau, die eine schwarze afrikanische Maske betrachtet. Viele andere Serien sind, wie der Fotograf und Filmemacher Raymond Depardon bescheiden bemerkte, dem „Fotojournalismus“ zuzuordnen.
Cocktailkleider von Balenciaga
Am Schluss gibt Aillagon sein Konzept auf und schleust Farbfotografien ein: Zuerst von der Amerikanerin Sturtevant, die sich Andy Warhol’s serieller Arbeiten zu Marilyn Monroes Kopf aneignet. Ein kuratorischer Seitensprung gilt dem gebürtigen Ägypter Youssef Nabil, dem Kulturminister Aillagon 2003 half, sich in Frankreich zu etablieren. Nur waren Nabils bemalte Fotos zuletzt im Palazzo Grassi in Venedig zu sehen. Das war eigentlich ausreichend.
Zusätzlich leistet sich Aillagon einen Exkurs in den Life-Style, indem er Kleider von Cristobal Balenciaga und einen Damen-Smoking von Yves Saint Laurent ausstellt. Es handelt sich um Cocktail-Outfits der Kering-Marken, die hier wie bei einer Vintage-Auktion von Christie’s präsentiert werden. Eine tiefe Verbeugung vor dem Sammler und seinem Sohn.
Die Ausstellung „Au-delà de la couleur. Le Noir et le Blanc dans la Collection Pinault” läuft in Rennes, Couvent des Jacobins, bis 29. August 2021. Der Katalog dokumentiert die Schau. Er kostet 30 Euro.
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