Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Restitution Max Stern-Ausstellung in Düsseldorf: Boykott dient der Sache nicht

In Düsseldorf erinnert eine gelungene Ausstellung an das Schicksal des jüdischen Kunsthändlers Max Stern. Nun wird es Zeit, dass sich seine Erben mit deutschen Forschern an einen Tisch setzen.
09.09.2021 - 11:52 Uhr Kommentieren
Das Ehepaar Stern begutachtet die Suchanzeige der Dominion Gallery, die am 1. August 1952 in dem Magazin Weltkunst geschaltet wurde. Quelle: Stadtmuseum Düsseldorf/Archiv National Gallery, Ottawa
Max und Iris Stern

Das Ehepaar Stern begutachtet die Suchanzeige der Dominion Gallery, die am 1. August 1952 in dem Magazin Weltkunst geschaltet wurde.

(Foto: Stadtmuseum Düsseldorf/Archiv National Gallery, Ottawa)

Düsseldorf Düsseldorf kommt aus dem selbst verschuldeten diplomatischen Desaster um den jüdischen Kunsthändler Max Stern (1904 bis 1987) nicht heraus. Jedenfalls nicht so schnell, wie es sich Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) vielleicht vorgestellt haben mag, als er am 1. September die durchaus gelungene Ausstellung zum Schicksal Sterns im Stadtmuseum eröffnete.

„Im Namen der Stadt“ entschuldigte sich Keller bei dem kanadischen Stern-Nachlass für die Absage der Ausstellung durch seinen Vorgänger Thomas Geisel (SPD) vor fast vier Jahren. Die daraus entstandene Kontroverse sei bedauerlich und müsse „als Affront wahrgenommen werden“.

Zugleich kündigte Keller an, die Beschäftigung mit Max Stern sei mit der Eröffnung der Ausstellung nicht abgeschlossen. „Wir sind bereit, neue Gespräche aufzunehmen – auf einer sicheren rechtlichen Grundlage und auf der Basis der Handreichung.“ Sie dient als Orientierungshilfe für den Umgang mit verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut.

Damit deutete Keller an, dass man für das von den Stern-Erben zurückgeforderte Kinderbild von Wilhelm von Schadow eine faire und gerechte Lösung anstrebt. Man sei noch immer bereit, die Beratende Kommission anzurufen, ergänzte Kulturdezernent Hans-Georg Lohe. Hier fehle indes noch der Nachweis, dass es auch nach 1933 Eigentum der Galerie Stern war.

Auch auf Heinrich Heimes 1891 gemalten „Sonnenuntergang an der Nordsee“ haben die Stern-Erben ein Auge geworfen und ein „informelles Auskunftsersuchen“ an Düsseldorf adressiert. Diesen Fall aber sieht Düsseldorfs Provenienzforscherin Jasmin Hartmann nach derzeitigem Kenntnisstand als gelöst an. „Es gibt mehrere Gemälde mit demselben Motiv. Das Düsseldorfer Heimes-Bild ist nicht identisch mit dem gleichen, jedoch anders signierten Motiv, das Stern 1937 bei Lempertz zwangsversteigern musste“, erläuterte Hartmann der Presse bereits Anfang Juli.

Abgebildet ist Wilhelm von Schadows Bildnis „Die Kinder des Künstlers“, flankiert von einer Video-Erläuterung der Düsseldorfer Provenienzforscherin Jasmin Hartmann. Das Gemälde bewahrt die Stiftung Kunstpalast auf. Quelle: Christiane Fricke
Blick in die Ausstellung im Stadtmuseum Düsseldorf: „Entrechtet und Beraubt. Der Kunsthändler Max Stern“.

Abgebildet ist Wilhelm von Schadows Bildnis „Die Kinder des Künstlers“, flankiert von einer Video-Erläuterung der Düsseldorfer Provenienzforscherin Jasmin Hartmann. Das Gemälde bewahrt die Stiftung Kunstpalast auf.

(Foto: Christiane Fricke)

Das Bild habe sich immer im Eigenbesitz des Künstlers und seiner Familie befunden, bis es auf testamentarischen Wunsch des Künstlers durch seine Stieftochter dem städtischen Kunstmuseum (heute Stiftung Kunstpalast) vermacht worden sei, ergänzt Hartmann. Das schließe indes nicht aus, dass es sich möglicherweise vorübergehend in Kommission bei der Galerie Stern befunden habe. Dafür spreche ein Etikett auf der Bildrückseite mit der Bezeichnung „Co“ (Commission), das sich auf vereinzelten Werken mit Stern-Provenienz befinde.

Obwohl Ausstellungskurator Dieter Vorsteher ohne die Ergebnisse der kanadischen Stern-Forscher und deren Leihgaben auskommen musste, sparte er die strittigen Fälle nicht aus – wohl wissend, dass die Debatten um sie die Ausstellung überhaupt erst initiiert hatten.

Sowohl das Heimes-Gemälde wie auch das Kinderbild von Schadow sind in die Ausstellung mitsamt Texttafeln integriert, auf denen die Herkunftsgeschichte nachzulesen ist. Im Fall Heimes lässt sich das Prozedere der Provenienzrecherche darüber hinaus Schritt für Schritt interaktiv nachvollziehen.

Im Übrigen erzählt die Schau sehr anschaulich, was die recherchierten Fakten über das Leben Sterns und seiner Familie hergegeben haben. Wer war der Mensch? Wo kam er her? Wie gelang es ihm, mit den immer bedrohlicher werdenden Repressalien durch das NS-Regime umzugehen und nicht wie so viele ermordet zu werden? Und wie schaffte er gleich zwei Neuanfänge? In London mit den West’s Galleries und dann in Kanada, wo er sich mit der Dominion Gallery zu einem der bedeutendsten Kunsthändler des Landes hocharbeitete.

Mit der Ausstellung würdigt Düsseldorf das Schicksal eines Mitbürgers, der nach der Verfolgung und Vertreibung durch das NS-Regime fast vergessen worden wäre, hätten seine Erben nicht vor zehn Jahren die Rückgabe eines im Stadtmuseum hängenden Selbstbildnisses von Gottfried Schadow Gemäldes gefordert.

2013 wurde das Porträt restituiert, und Susanne Anna, Direktorin des Stadtmuseums Düsseldorf, fasste eine Ausstellung über Stern ins Auge, die jedoch 2017 nur wenige Wochen vor der Eröffnung von Seiten der Stadt abgesagt wurde.

Offiziell hatte Düsseldorf das Ausstellungsprojekt damals wegen aktuell laufender „Auskunfts- und Restitutionsgesuche in deutschen Museen, die im Zusammenhang mit der Galerie Max Stern stehen“, gestoppt.

Das Prozedere der Provenienzrecherche zu Heinrich Heimes „Sonnenuntergang an der Nordsee“ (1891) lässt sich Schritt für Schritt interaktiv nachvollziehen. Quelle: Christiane Fricke
Interaktive Provenienzrecherche

Das Prozedere der Provenienzrecherche zu Heinrich Heimes „Sonnenuntergang an der Nordsee“ (1891) lässt sich Schritt für Schritt interaktiv nachvollziehen.

(Foto: Christiane Fricke)

In Wirklichkeit stieß man sich vor allem daran, dass an der Schau neben Susanne Anna ausschließlich zwei kanadische Wissenschaftler mitwirkten: der Archivar der kanadischen Nationalgalerie Ottawa, Philip Dombowsky, und die als Professorin der Concordia Universität in Montreal lehrende Kunsthistorikerin Catherine MacKenzie. Die Sorge war groß, die Ausstellung könnte so zum verlängerten Arm des Max Stern Art Restitution Project (MSARP) werden und die deutsche Seite unter Druck setzen.

Mit Recht, wie jüngere Verlautbarungen von Clarence Epstein unterstreichen. Er ist der Senior Direktor für urbane und kulturelle Angelegenheiten der Concordia Universität in Montreal. Der Rheinischen Post gegenüber machte er unmissverständlich klar, die Hauptaufgabe des MSARP bestehe darin, das Kulturgut wiederzuerlangen, mit dem Stern in Düsseldorf während der Nazizeit unter Druck handelte. Eine Verbesserung der Beziehungen machte er abhängig davon, wie die unter Ex-OB Dirk Elbers angekündigten Wiedergutmachungen geleistet würden.

Auf die Entschuldigung von OB Keller reagierte die kanadische Seite denn jetzt auch nur mit einer Zurechtweisung: „Der Oberbürgermeister sollte sich zunächst bei den beiden Co-Kuratoren der seinerzeit abgesagten Ausstellung entschuldigen, denn diesen wurde damals mangelnde fachliche Qualifikation bzw. wissenschaftlicher Mangel im Konzept der Ausstellung vorgeworfen“, forderte Epstein über seinen deutschen Sprecher Willi Korte.

Letztlich kann man die damalige Ausstellungsabsage durch die Stadt durchaus nachvollziehen, selbst wenn sie unklug war, voreilig und eine sehr schlechte Lösung darstellte.

Wieso wurde etwa Jasmin Hartmann, seit 2016 Leiterin der Abteilung Provenienzforschung bei der Stadt Düsseldorf, nicht noch in die Ausstellungsvorbereitungen eingebunden, auch wenn diese schon weit gediehen waren? Warum – neben Susanne Anna – nur die beiden kanadischen Forscher? Sie sind – zwar nicht formal – aber bei aller Unabhängigkeit, auf die sie Wert legen, doch inhaltlich dem Anliegen des MSARP verbunden. Susanne Anna wollte sich auf Nachfrage nicht äußern.

Katastrophal für Düsseldorf ist im Übrigen, dass sich neben der Stern Foundation, dem MSARP, der Jüdischen Gemeinde und dem Freundeskreis des Stadtmuseums in Düsseldorf auch das kooperative „Stern Cooperation Project (SCP)“ hinter den Rückzug der kanadischen Forscher stellten.

Besucher haben bei dieser dokumentarischen Schau naturgemäß viel Lesestoff zu bewältigen. Quelle: Christiane Fricke
Blick in die Ausstellung "Entrechtet und Beraubt. Der Kunsthändler Max Stern" im Stadtmuseum Düsseldorf

Besucher haben bei dieser dokumentarischen Schau naturgemäß viel Lesestoff zu bewältigen.

(Foto: Christiane Fricke)

Das am Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZI) in München angesiedelte und vom deutschen Steuerzahler mitfinanzierte Projekt arbeitet die Geschichte der Kunsthändlerfamilie und ihrer Firmen auf. „Das sind unsere Partner von Anfang an. Wenn sie nicht mehr mitspielen, machen wir auch nicht mit“, konstatierte soeben noch Stephan Klingen für das SCP-Team auf Nachfrage des Handelsblatts: „Dass es der Sache nicht dient, davon bin ich überzeugt.“

Damit spielte Klingen auf die nordrhein-westfälische Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen an. Sie erinnerte anlässlich der Ausstellungseröffnung alle Stern-Forscher daran, dass sich gerade in komplexen Forschungsfragen Lösungen und Wege oft erst in der Zusammenschau und auch im Perspektivwechsel erkennen ließen: „Ich bin überzeugt, dass wir die Lücken der Provenienzen nur aufklären können, wenn wir Wissen teilen und auch kommunizieren.“

Auf diesen Austausch wartete die Provenienzforscherin Jasmin Hartmann vergebens. „Was fehlt, ist der Dialog“, konstatierte sie am Rande der Eröffnung. Ihre Fragen seien ab einem bestimmten Moment unbeantwortet geblieben.

Würden alle Beteiligten ergebnisoffen die Fakten zusammentragen und öffentlich machen, hätte ein solches Desaster wohl vermieden werden können. Das gilt auch für die kanadischen Forscher, die seit 20 Jahren Spezialwissen angesammelt, aber nur in wenigen Fällen veröffentlicht haben.

Die Texttafel beschäftigt sich mit dem Neuanfang in London nach der Flucht aus Deutschland. Quelle: Christiane Fricke
Blick in die Ausstellung "Entrechtet und Beraubt. Der Kunsthändler Max Stern" im Stadtmuseum Düsseldorf

Die Texttafel beschäftigt sich mit dem Neuanfang in London nach der Flucht aus Deutschland.

(Foto: Christiane Fricke)

Das Spiel machen unterdessen drei weitere Parteien mit eigenen Interessen: die Stadt Düsseldorf, die zwar Unrecht wiedergutmachen will, aber nicht vorschnell alles unter Verdacht stehende ohne Prüfung restituieren möchte, das Max Stern Restitution Projekt, das ehrgeizig sämtliche Bilder, von denen es glaubt, dass sie zwangsweise entzogen wurden, zurückfordern möchte, und die deutsche Politik.

Die Restitutionspolitik hat mit ihren Entscheidungen der letzten Jahre dafür gesorgt, dass immer mehr Werke für eine Rückgabe in Frage kommen. Dem Max Stern Art Restitution Project liefert sie damit eine Steilvorlage für weitere Forderungen. 1933, 1934 seien die jüdischen Händler noch im Geschäft gewesen, kommentiert Korte. „Wenn die alles ab Sommer 1933 verfolgungsbedingt verkauft haben sollen – dann kommt was zusammen“, prognostiziert der Chefunterhändler der Stern-Erben.

„Entrechtet und beraubt. Der Kunsthändler Max Stern“ bis 30. Januar 2022, Stadtmuseum Düsseldorf. Katalog: Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König: 24,90 Euro.

Mehr: NS-Raubkunst: Die Aufarbeitung des Falls „Galerie Max Stern“ wird zum Spagat zwischen Recht und Moral

Startseite
Mehr zu: Restitution - Max Stern-Ausstellung in Düsseldorf: Boykott dient der Sache nicht
0 Kommentare zu "Restitution: Max Stern-Ausstellung in Düsseldorf: Boykott dient der Sache nicht"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%