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Tatort – Pro und Contra Blutrünstig unterhaltsam oder hanebüchen?

Western in Wiesbaden, 50 Leichen und ein Gegenspieler wie aus einem Bond-Film: Der neue Tatort war alles andere als Durchschnitt. Über den Film gehen die Meinungen auseinander – ein Pro und Contra.
13.10.2014 - 10:13 Uhr 7 Kommentare
Ulrich Tukur als Kommissar Felix Murot: Der Tatort „Im Schmerz geboren“ regt zu Diskussion an. Quelle: dpa

Ulrich Tukur als Kommissar Felix Murot: Der Tatort „Im Schmerz geboren“ regt zu Diskussion an.

(Foto: dpa)

Contra – Übertriebene Inszenierung, keine Realitätsnähe
Eigentlich hätte man nach einer Minute ausschalten sollen. Ein Zeremonienmeister, der einen Tatort mit einer künstlerisch überhöhten und inhaltsleeren Rede einführt?! Der Finger an der Fernbedienung zuckt, doch ich bleibe dran.

Nach der Einführung folgende Szene: Auf einem verlassenen Bahnhof warten drei bewaffnete Männer auf den einfahrenden Zug. Anscheinend ist es brüllend heiß. Oder doch nicht? Während einer der Männer seinen schwitzenden Oberkörper in die Kamera hält, tragen die anderen beiden Jacke und Kapuzenpullover.

Der Zug fährt ein. Bösewicht Richard Harloff steigt aus (gespielt von Ulrich Matthes), steht den Männern gegenüber. Es kommt zum Showdown. Western in Wiesbaden. Die drei Widersacher sterben, ohne das Harloff seine Finger krümmen musste. Orchestrale Musik ertönt, Momentaufnahmen der erschossenen Attentäter werden farblich verfremdet, Harloff nimmt seinen Koffer und geht.

Wie sich später herausstellt, ist Harloff ein alter Freund des Tatortkommissars Felix Murot. Zusammen besuchten sie die Polizeischule. Doch Harloff geriet auf die schiefe Bahn, floh nach Bolivien und wurde dort zum Drogenbaron. Klingt ziemlich an den Haaren herbeigezogen, um es vorsichtig auszudrücken.

Zusammen mit Harloff floh Marielle nach Bolivien. Sie war die Geliebte der beiden angehenden Polizisten. Szenen der Dreiecksbeziehung werden gezeigt. Aus dieser Liaison entstand ein Kind, das Harloff zum Killer erzogen hat, doch dessen Vater er nicht ist. Nach dreißig Jahren im Dschungel kehrt Harloff zusammen mit dem jungen Mann nach Deutschland zurück und verursacht ein Blutbad. Alle Widersacher aus den alten Zeiten werden getötet, inklusive des Shakespeare-Fanatikers Bosco (Alexander Held), der am Anfang den Zeremonienmeister gab.

Hört sich alles eigentlich wie ein solider Rache-Thriller an – wenn da nicht diese übertriebene Inszenierung wäre mit allerlei angestrengten Anspielungen auf Tarantino & Co. Es wirkt mehr wie ein kunstvolles Theaterspiel, bei dem Realitätsnähe nur zweitrangig ist.

Problematisch ist auch die Charakterzeichnung der Protagonisten. Murot und Harloff treffen sich im Park eines teuren Hotels bei bolivianischen Kaffee und teurem Wein und sinnieren über das gemeinsam erlebte. Dabei verrät eine Stimme aus dem Off, worüber die beiden plaudern. Sind das noch Polizisten? In diesem Moment wirken die beiden vielmehr wie zwei alte Künstlerfreunde, die auf die Vergangenheit zurück- und auf die Freuden des noch bevorstehenden Lebens vorausblicken.

Immer wieder ertönt monumentale klassische Musik. Die Gangster in diesem Tatort erweisen sich als „profunde Weinkenner“ und intellektuelle Kulturmenschen, die sich an alten Gemälden erlaben und dabei ihre Sinne verlieren. Ulrich Tukur spielt den Felix Murot zwar gewohnt souverän, doch das verwundert nicht weiter. Denn mit Murot spielt Tukur eigentlich sich selbst – allerdings ist Tukur kein Gesetzeshüter, sondern ein Kulturschaffender.

Das einzige, was ich diesem Tatort zugute halten kann, dass er mal anders war als sonst. „Es ist alles eine Illusion“, sagt Zeremonienmeister Bosco am Anfang des Films. Am Ende wünschte ich mir, dass das gerade gesehene wirklich nur eine Illusion war. (Roman Tyborski)

Pro – Mehr Kino als Fernsehen, wer hätte das vom Tatort erwartet?
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7 Kommentare zu "Tatort – Pro und Contra: Blutrünstig unterhaltsam oder hanebüchen?"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Ja, der Tatort ging an meinen Erwartungen vorbei. Aber im positiven Sinne. Da ich Montags sehr früh raus muss, schlafe ich bei den meisten Tatorten ein. Bei diesem jedoch nicht. Dieser Tatort war geradezu schon ein cineastisches Vergnügen. Also, sowas würde ich gerne häufiger sehen.

  • "...Aber es war eine großartige Mischung aus klassischem Theater und moderner Filmkunst.Ich fand es toll..."
    Zustimmung. (Auch wenn ich nur die letzte halbe Stunde gesehen habe.)

  • @Tom Beck

    "...und die Geschichten zwischen den Ermittlern gehen verloren"

    Das ist in der Tat ein Manko geworden.

  • @Bernd Engesser

    Richtig. Die Murot-Tatorte sind ohnehin allesamt deutlich über dem Durchschnitt, gerade weil sie z.T. sehr eigenwillig sind.

  • OK, das war kein klassischer Tatort und ging sicher an den Erwartungen der meisten Zuschauer vorbei.
    Aber es war eine großartige Mischung aus klassischem Theater und moderner Filmkunst.
    Ich fand es toll. Den schaue ich mir heute Abend gleich noch einmal an.

  • War ein geiler Tatort. Nicht so ein Rentner-Krimi wir er üblicherweise im ZDF läuft.

  • Ich habe früher oft Tatort gesehen. Schimanski war Kult unerreicht, dass liegt sicherlich auch an der Zeit zu der er lief. Heute gibt es nach meinem Empfinden einfach zu viel Tatort. Viel zu viele unterschiedliche Ermittlerteams, ich blicke da nicht mehr durch und die Geschichten zwischen den Ermittlern gehen verloren. Der Hamburger Tatort war top mit dem undercover Ermittler, den hat man ja leider "abgeknallt". Die Kommissare sind mittlerweile schon zu realitätsfern und die Storys naja.

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