Schon seit April 2010 ist legal, was bisher von der Medienaufsicht mit Bußgeldern bestraft wurde: Schleichwerbung im deutschen Fernsehen. Weil die EU das in einer „Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste“ so wollte, erlaubt auch die deutsche Politik den Privatsendern seit gut einem Jahr, Produkte von Werbekunden außerhalb der gekennzeichneten Spots direkt in Serien und Filmen zu „platzieren“ - gegen Geld.
Möglich ist das seit der 13. Novelle des Rundfunkstaatsvertrags, in dem die für die Medienpolitik zuständigen Bundesländer den Sendern die Spielregeln für die Ausstrahlung ihrer Programme vorgeben. Da die einst verachtete Schleichwerbung nun bei Einhaltung gewisser Bedingungen legal ist, hat diese neue Sonderwerbeform im TV einen neuen Namen: „Product Placement“, zu Deutsch „Produktplatzierung“.
Die Bedingung für die Legalisierung der Produktplatzierung außerhalb der gekennzeichneten Werbeblöcke ist Transparenz: Die Sender dürfen ihre Zuschauer über diese „Placements“ von Marken und Produkten nicht im Unklaren lassen, ganz gleich, ob es die Botschaften bloß in die Kulissen oder sogar in die Dialoge der Sendungen geschafft haben.
Steht auf einem Frühstückstisch etwa ein bestimmter Brotaufstrich und nicht irgendeiner, weil jemand dafür bezahlt, oder spielt eine Szene in einem bestimmten Luxushotel, weil der Inhaber dafür Geld auf den Tisch legt, müssen Fernsehmacher ihre Sponsoren im Abspann
am Ende der jeweiligen Sendungen konkret benennen. Außerdem muss in den Sendungen der Hinweis „Unterstützt durch Produktplatzierungen“ auftauchen - zu Beginn und nochmals nach jedem regulären Werbeblock.
Das Publikum muss inzwischen auf Zuschüsse von Unternehmen auch dann klar hingewiesen werden, wenn Namen oder Produkte bei Gewinnspielen auftauchen. Gewinnspiele wiederum dürfen - wie bisher schon - auch ein Teil von Magazinen sein, also von Information statt Unterhaltung. Als Aiman Abdallah unlängst in seiner Wissenssendung „Galileo“ auf ProSieben das Publikum fragte, wie denn eine klassische Pizza heiße, und Abdallah den Anrufern einer Bezahl-Hotline etwa Spielkonsolen in Aussicht stellte, die von einem Online-Shop „zur Verfügung gestellt“ wurden, tauchte am Bildschirmrand der Schriftzug auf „unterstützt von Gewinnspielpartnern“. Die Politik will so für Transparenz sorgen.
Bei den von den Bürgern per Rundfunkgebühren finanzierten Programme ist die Politik viel strenger: Anders als private Sender dürfen ARD und ZDF keine Werbung in ihren Sendungen platzieren. Die einzige Ausnahme bleiben Gewinnspiele, die wie bei RTL, ProSieben und Co. gekennzeichnet werden müssen.
Serien und Fernsehfilme im öffentlich-rechtichen Fernsehen fallen oft vor allem damit auf, dass in ihnen fiktive Marken auftauchen. Dann liest ein Schauspieler eine Zeitung, die es gar nicht am Kiosk gibt. Oder er greift zu einem Müsli, das Zuschauer in den Regalen ihrer Supermärkte vergeblich suchen würden.
Zwar wäre ARD und ZDF wie auch Privatsendern eine „unvermeidbare Darstellung von Produkten, Marken und Dienstleistungen“ erlaubt, wie ungekünstelte Kulissen juristisch korrekt beschrieben werden. Die Programmmacher wollen sich mit ihrer fiktiven Markenwelt aber davor schützen, einmal unter einen Schleichwerbeverdacht zu geraten.
Im „Tatort“ fahren die Kommissare weiter Mercedes, BMW, Audi und VW. Und wenn im Zweiten die Gäste des „Traumschiffs“ die Welt entdecken, bleibt tatsächlich die MS Deutschland im Bild - völlig legal. Der Rundfunkstaatsvertrag erlaubt nämlich stets
sogenannte Produktionshilfen. Das soll helfen, Geld zu sparen.
Gebührenfinanzierte Sender dürfen für die Autos ihrer Ermittler oder die Schiffe ihrer Reisenden indes kein Geld nehmen. Mit kostenlosen Produktionshilfen darf zudem keine Gegenleistung vereinbart werden: Ein Auto oder Schiff darf nicht künstlich in Szene gesetzt werden oder bewusst Thema eines Dialogs werden - sonst wäre wiederum von einem „Product Placement“ die Rede, die ARD und ZDF verboten bleiben. Viele Sender mieten inzwischen zum Schutz aber ohnehin die Autos für ihre Produktionen an. Das war früher noch anders.
Ein Schlupfloch für große Marken bleiben Hollywood-Produktionen und ausländische Serien. Wenn James Bond in „Ein Quantum Trost“ einen Ford fährt und mit einem Handy von Sony-Ericsson hantiert, dann müssen auch ARD und ZDF nicht darauf verzichten, solche
Produktionen ins Programm zu nehmen. Werbebotschaften, mit viel Geld platziert“, können damit über Umwege doch im gebührenfinanzierten TV landen.
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