Zeitgenössische Kunst aus der Olbricht Collection Zu sperrig geworden: Großsammler trennt sich von Kunst im XXL-Format

Scharf geschnittene Grate aus Edelstahl verleihen der "Chapel" einen furchterregenden Charakter. Der Schätzpreis beläuft sich auf 180.000 bis 240.000 Euro.
Köln-Wesseling „Es ist zu groß. Size matters“. Thomas Olbricht steht vor einem riesigen, frühen Gemälde von Jonas Burgert und erklärt während einer Video-Führung entwaffnend bündig, warum das Frühwerk nun bei Van Ham zum Verkauf steht. Schauplatz ist das zur Kunsthalle umgebaute Depot des Auktionshauses in Wesseling vor den Toren der Stadt Köln. Hier können 119 überwiegend extrem ausladende Formate besichtigt werden, bevor in drei Wochen am Kölner Stammsitz die Versteigerung ansteht.
Zu sehen sind aufregende und auch museale Werke wie etwa Andrea Zittels vielfach ausgestellter 28-teiliger Zyklus „Free Running Rhythms and Patterns Version II“ aus dem Jahr 2000. Wer sich für diese grafisch und farblich attraktive Umsetzung von Zittels Tag- und Nachtbeschäftigungen während einer Woche totaler Isolation interessiert, braucht 28 Meter Wand und hat mindestens 80.000 bis 100.000 Euro aufzubieten.
Über 750 Lose kommen insgesamt zum Aufruf; am Vormittag des 23. Juni 179 Objekte aus der Welt der Wunderkammer und des Designs, nachmittags 357 Werke zeitgenössischer Kunst und Fotografie. 220 Arbeiten werden über die vom 16. bis 24. Juni terminierte Online Only-Auktion verteilt.
Für den ehemaligen Arzt und Wella-Erben, der sein „Sammel-Ich“ gern als „Krake“ bezeichnet, ist das die zweite Versteigerung aus seiner rund 4000 Werke zählenden Olbricht Collection.
Im ersten Durchgang im September 2020 kamen 500 Objekte zum Aufruf. Ein halbes Jahr zuvor hatte Olbricht überraschend die Schließung seines 2010 gegründeten Berliner Privatmuseums „me collector’s room“ verkündet. Dies waren die ersten Schritte, mit denen der Sammler den Weg in seinen letzten Lebensabschnitt frei machte.

"The End" (2006) provoziert subtil existenzielle Betrachtungen. Erwartet werden mindestens 15.000 bis 20.000 Euro.
Mit 180.000 bis 240.000 Euro gehört Wim Delvoye’s fast 3,20 Meter hohe „Chapel“ von 2007 zu den Top-Losen der Juni-Offerte. Die Kathedrale im gotischen Stil ist furchterregend scharfgratig aus Edelstahl geschnitten und mit von innen beleuchteten Fenstern versehen, auf denen Röntgenaufnahmen sexueller Handlungen anstelle frommer Glasmalerei die Erwartungen gegen den Strich bürsten.
Werden und Vergehen, Leben und Sexualität sind die zentralen thematischen Fixpunkte des sammelnden Thomas Olbricht, der laut Selbstaussage mit Armen nach diesem und jenem „in die unterschiedlichsten Richtungen“ griff, während „irgendwo in der Mitte“ der Verstand saß und darauf achten musste, dass das, was die Arme einfingen, „noch zusammenpasst“.
Zweifellos einen guten Griff machte er mit Kris Martins auf Glas applizierten Schriftzug „The End“, eine subtil provozierende und zugleich mit einfachsten Mitteln realisierte Arbeit, für die mindestens 15.000 bis 20.000 Euro erwartet werden.
Zielgruppe zumindest für den in Wesseling ausgestellten Teil der Offerte sind internationale Sammler mit eigenem Museum. Dabei darf man gespannt sein, wer auf die umfangreichen Tranchen mit Werken asiatischer Künstler bieten wird.

Das psychologisch tieflotende Gemälde "Selbstjäger" (2005) misst 300 x 280 cm und zählt zum Frühwerk.
Zum Beispiel auf Satoko Nachis acht Meter breite, im Stil eines detailverliebten Symbolismus gemalte Traumszene „Lullaby“ zur Taxe von 10.000 bis 15.000 Euro. Oder auf ein fremdartiges Figurenensemble, das mit einem mit Pfeilen gespickten Riesenfisch auf einem Perserteppich steht. 15.000 bis 25.000 Euro werden für das Werk des indonesischen Künstlers Entang Wiharso erwartet.
Diese Beispiele illustrieren, was Olbrichts universalen Sammeldrang leitete: die Neugier auf fremde Geschichten und auf Perspektiven anderer Kulturen als nur die des Westens.
Vorbesichtigung 19. bis 21. Juni, Sa. 10 bis 16 Uhr, So. 11 bis 16 Uhr, Mo. 10 bis 18 Uhr im Stammsitz in Köln. Für die Besichtigung der großformatigen Werke muss eine eigene Verabredung getroffen werden. Der Katalog für Online only ist ab 16. Juni einsehbar.
Mehr: Kunstauktion: Komplettausverkauf in Köln: Olbricht Collection unter dem Hammer
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