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Zeitgenössische Kunst Ausstellung in Berlin: Bilder vom fragilen Konstrukt Europa

Eine gelungene Ausstellung reflektiert Europa über alle nationalen Grenzen und kulturellen Prägungen hinweg mit ästhetischen Mitteln.
26.08.2021 - 15:05 Uhr Kommentieren
Anselm Kiefers Bühnenbildprojekt „Winterreise“ spielt mit dem Bezug auf Franz Schuberts Liederzyklus mit „schwarzer Romantik“. Quelle: Stiftung für Kunst und Kultur, Bonn; Foto: Silke Briel
Installationsansicht Flughafen Tempelhof

Anselm Kiefers Bühnenbildprojekt „Winterreise“ spielt mit dem Bezug auf Franz Schuberts Liederzyklus mit „schwarzer Romantik“.

(Foto: Stiftung für Kunst und Kultur, Bonn; Foto: Silke Briel)

Mit 86 Künstlerinnen und Künstlern aus 34 Ländern bietet die Berliner Ausstellung „Diversity United“ ein anspruchsvolles Programm. Im Hangar 2 des historischen Tempelhofer Flughafens sind ältere und jüngste für diese Präsentation entstandene Arbeiten ausgebreitet. Sie liefern nach den Worten der Veranstalter „einen Diskussionsbeitrag über das Jetzt und Morgen Europas in all seiner Vielfalt“.

Initiator dieser Schau, die nach Moskau und Paris weiterwandert, ist die Bonner Stiftung für Kunst und Kultur, die das fragile Konstrukt Europa über alle nationalen Grenzen und kulturellen Prägungen hinaus ästhetisch hinterfragen lässt.

Protagonisten des Alten Europa wie Gilbert & George, Gerhard Richter, Christian Boltanski oder Anselm Kiefer sind Galionsfiguren in einer transnationalen, Generationen verbindenden Mischung, die eine starke Gruppe junger osteuropäischer Künstler herausstellt. Mit 36 Frauen ist der Anteil weiblicher Künstler in dieser Ausstellung erfreulich hoch. Viele der ausgewählten Künstlerinnen und Künstler leben und arbeiten nicht an einem Ort, sondern in zwei verschiedenen Regionen, was ihren Blick auf Europa schärft.

Die Werke werden in neun Sektionen vorgestellt, die mit generalisierenden Titeln wie „Erinnerung & Konflikt“, „Dialog & Monolog“, „Aktion & Abstraktion“ keine differenzierten Einsichten fördern. In der Zusammenschau mischt sich das Ganze zu einem europäischen Konglomerat unterschiedlichster künstlerischer Positionen, das dem Besucher die eigene Sicht auf die Werke und ihre Ideenvielfalt nicht verstellt.

Eines der größten Exponate ist das in die Mitte der Schau gestellte Bühnenbildprojekt „Winterreise“ des Deutsch-Parisers Anselm Kiefer, das mit dem Bezug auf Franz Schuberts Liederzyklus mit „schwarzer Romantik“ spielt. Der tiefe Blick in den Winterwald hat einen Doppelsinn: Unter dem Schriftzug der Madame de Staël, die die deutsche Romantik nach Frankreich trug und die französische Romantik nach Deutschland, liegen verbrannte Bücher und steht das Bett der Terroristin Ulrike Meinhof.

Verbindendes ist wichtig in der Kunst wie der Politik. Quelle: Stiftung für Kunst und Kultur, Bonn; Foto: Silke Briel / VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Sheila Hicks „Liberating Reality“

Verbindendes ist wichtig in der Kunst wie der Politik.

(Foto: Stiftung für Kunst und Kultur, Bonn; Foto: Silke Briel / VG Bild-Kunst, Bonn 2021)

Die Theatralik dieser Installation untergräbt allerdings ihren kritischen Ansatz. Wie die Vergangenheit sich durch das sich immer wieder verjüngende Medium Malerei in rätselhaft uneindeutige Bildkraft verwandelt, zeigt Adrian Ghenie. Der in Berlin arbeitende Rumäne genießt seit drei Jahren internationalen Starruhm für seine zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion changierenden Gemälde.

In dieser „Erinnerung & Konflikt“ betitelten Abteilung finden sich so konträre Arbeiten wie das vom Künstlerduo Gilbert & George mit symbolbeladenem Blick auf die britische Geschichte eingerichtete Kabinett und Henrike Naumanns begehbare Wohnlandschaft mit trostlosen Möbeln und Einrichtungsstücken der Nachwendezeit.

Zwischen Cyberkunst und Post-Pop ist die Rauminstallation des Wieners Peter Kogler mit ihren vielteiligen medialen Versatzstücken angesiedelt, die in der Sektion „Dialog & Monolog“ aufgebaut ist. In diesem Kontext gewinnen die zu Schwebeskulpturen gewordenen leeren Kleidungshüllen der Französin Annette Messanger eine düstere Aussagekraft: Alles Menschliche ist in diesen Entkörperungen ausgelöscht.

Zu den stärksten Arbeiten des von Künstlerinnen beherrschten, vage betitelten Bereichs „Erkenntnisse & Perspektiven“ zählt die aus 144 Leuchtstoffröhren komponierte Lichtskulptur „Light me Black“. Monica Bonvicinis Arbeit erhellt zugleich mit brutaler Leuchtkraft, blendet, stößt ab und weckt damit Zweifel an der beruhigenden Wirkung von Aufklärung.

Im Kapitel „Grenzen & Begrenzungen“ wird eine Klebewand mit Videoinstallation der türkisch-französischen Feministin Nil Yalter zu einem 1983 entstandenen poetischen Mahnmal von Arbeitsmigrantinnen und -migranten in Frankreich.

Von starker Signalkraft ist die in bunte Stoffrahmen eingesetzte Videoinstallation der in Paris lebenden Multimedia-Künstlerin Ulla von Brandenburg, die an den mit Süßigkeiten gefeierten Eintritt Großbritanniens in den europäischen Binnenmarkt im Jahr 1973 erinnert: durch Kunst erhellte Vergangenheit, die nicht wenige der hier ausgestellten Werke behandeln und sich damit zugleich kritisch reflektierend der europäischen Gegenwart stellen.

Mehr: Museumspolitik: Wiedereröffnung in Berlin: Die Neue Nationalgalerie gibt sich etwas zu politisch korrekt

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