Zeitgenössische Kunst Enorme Nachfrage bei Verkäufen im Netz

Phillips‘ Auktionator macht seinen Job gut. Er animierte die Bieter.
New York Boutiqueversteigerer Phillips traf in dieser Saison auf besonders heftigen Gegenwind. Zweifel der Einlieferer an der Vitalität des Marktes hatten für die New Yorker Abendauktion von „20th Century and Contemporary Art“ am 2. Juli gerade einmal 25 Lose zusammengebracht. „Wir hatten noch nie so große Probleme bei der Akquise wie in dieser Saison. Gezielt wollten wir nur auf Werke setzen, von denen wir wissen, dass sie einen starken Markt haben. Da haben wir viel von unseren Onlineauktionen und Privatverkäufen gelernt“, erklärten Robert Manley und Jean-Paul Engelen, die Abteilungschefs bei Phillips.
Die Offerte setzte erfolgreich vor allem auf angesagte junge Künstler, Schwarze und Frauen. Sie wurde vollständig zu 41,1 Millionen Dollar weitergegeben; drei Rekorde wurden für jüngere Künstler gesetzt. Zum Vergleich: Im Mai 2019 kamen für 42 Lose noch 99,9 Millionen Dollar zusammen. „Das ist ein ungemein beruhigendes Ergebnis und zeigt: Jetzt ist eine großartige Zeit zu verkaufen“, so CEO Edward Dolman. „Wir sehen eine enorme aufgestaute Nachfrage. Eine beträchtliche Geldmenge wartet nur darauf, wieder im Kunstmarkt aktiv zu werden.“
Wie schon bei Sotheby’s machten auch bei Phillips lange unterbewertete Vertreterinnen des Abstrakten Expressionismus Furore. Joan Mitchells kraftvolles Bild „Noël“, nach 25 Jahren wieder auf dem Markt, wurde von zwei Interessenten auf 11,06 Millionen Dollar gehievt, ihren höchsten Zuschlag in dieser Woche.
Einen Spitzenpreis gab es auch für Jean-Michel Basquiats Spätwerk „Victor 25448“ , das 1987, ein Jahr vor seinem Tod, entstand. Das Großformat hatte beim letzten Auktionsauftritt 2008 noch 3,5 Millionen Dollar gekostet. Nun wurde es dem einzigen Interessenten zur unteren Taxe von acht Millionen Dollar – 9,25 Millionen Dollar brutto – zugeschlagen. Lebhaften Wettbewerb gab es dagegen um Gerhard Richters „Abstraktes Bild (801–3)“ von 1994 in Grüntönen, das erst über der Taxe bei 3,7 Millionen Dollar brutto weitergegeben wurde.
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Regelrechte Bieterfeuerwerke sahen aber vor allem die jungen und angesagten Künstler. Um sechs Minuten lang wurde um Titus Kaphars Bild „Untitled (red thread lady)“ gerungen, Teil seiner international gezeigten Installation „The Vesper Project“. Erst beim Rekordpreis von 187.500 Dollar, dem dreifachen der oberen Taxe, fiel der Hammer. Dem schwarzen Multimediakünstler war erst vor wenigen Wochen der Sprung zur Gagosian Gallery gelungen.

Das großformatige, 2019 geschaffene Leinwandbild verzehnfachte seinen Preis auf 668.000 Dollar (Ausschnitt).
Der Shootingstar der Woche, Matthew Wong, zog auch bei Phillips magnetisch an. „Mood Room“, ein melancholisches Gemälde von 2018, sprang vom Ausruf bei 80.000 Dollar rasend schnell auf 848.000 Dollar brutto. Sotheby’s hatte am Montag Wongs Landschaft in lebhaften Rottönen dank 59 registrierten Bietern aus 16 Ländern zu erstaunlichen 1,8 Millionen Dollar verkaufen können. Der vielversprechende, in China geborene Kanadier, der nie eine formelle Kunstausbildung genossen hatte, nahm sich im letzten Oktober im Alter von 35 Jahren das Leben.
Die Prestigeauktionen machen nur deutlich, wie sehr die Coronakrise als Katalysator für den Onlinehandel wirkt. Der soeben vom Versicherer Hiscox veröffentlichte „Online Art Trade Report“ schätzt, dass reine Onlineauktionen bei Christie’s, Sotheby’s und Phillips in der ersten Jahreshälfte (ohne die New Yorker Gala-Auktionen) 370 Millionen Dollar eingebracht haben. Das seien zwar nur 28,3 Prozent ihrer gesamten Auktionsverkäufe, bedeuten aber eine Steigerung von 436 Prozent zum gleichen Vorjahreszeitraum.
Frühe Anzeichen für eine Erholung
Auch andere Anbieter schwärmen von traumhaften Zuwächsen. Im Mai ließ der bei Boston angesiedelte Onlinehandel „Invaluable“, der vor allem Auktionatoren seine Software bereitstellt, wissen, dass die Zahl der im April und Mai dazugestoßenen Versteigerer im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 70 Prozent zugenommen hätte. Deren Umsatz sei um 132 Prozent gestiegen, die Zahl der Käufer um 52 Prozent. „Obwohl der Auktionsmarkt im Allgemeinen rückläufig ist, sehen wir frühe Anzeichen einer Erholung – wie etwa zweistellige Zuwachsraten bei Onlinebietern und -käufern“, so CEO Rob Weisberg.
Der New Yorker Online-Kunsthandelsaggregator Artsy, laut CEO Mike Steib vor allem im Mittelmarkt bis zu 200.000 Dollar aktiv, bietet neben Auktionen auch internationalen Galerien und Messen eine Plattform. Im April sah Artsy im Vergleich zu den vorangegangenen sechs Monaten allein in Europa eine Zunahme der Galeriebewerbungen um 110 Prozent.
Mehr: Auktionsmarkt: Sotheby's Prestigeversteigerungen vor der Kamera machen Furore
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