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Die ersten Männer von Augusta National

Anwalt Clifford Robert (r.) gründete den Club, Golfer Bob Jones war das Testimonial.

(Foto: Masters Historic Imagery/Getty Images)

Augusta National Wie ein Golfclub Dwight D. Eisenhower zur Präsidentschaft verhalf

Rassismus, ausgebuffte Rechtsauslegung, erzkonservative Haltung, Frauenfeindlichkeit: Augusta National ist der umstrittenste Club der Welt.
11.04.2019 - 17:00 Uhr Kommentieren

Hamburg „Wenn es im Himmel einen Golfplatz gibt,“ hat Altmeister Gary Player mal gesagt, „dann hoffe ich, dass er wie Augusta National ist.“ Heute eröffnen der 83-jährige Südafrikaner und „Jahrhundertgolfer“ Jack Nicklaus (79) mit ihren zeremoniellen Abschlägen „The Masters“; zum 83. Mal wird im wohl umstrittensten Golfclub auf dem Globus das berühmteste Turnier der Welt ausgetragen. Alljährlich im April ist es das erste der vier Golf-Majors einer jeden Saison und einziges mit festem Schauplatz.

Augusta National und sein makellos manikürtes Masters sind ein Mythos. Getragen von großem Sport, von Geschichte und Geschichten, indes ebenso behaftet mit Gutsherren-Attitüde, Geheimniskrämerei, Rassismus, Frauenfeindlichkeit, dem Wechselspiel von Macht und Moneten und nicht zuletzt von Machenschaften in der Grauzone zwischen ausgebuffter Rechtsauslegung und Wirtschaftskriminalität.

Denn trotz der splendiden Kulisse von Südstaaten-Architektur, üppiger und farbenprächtiger Flora ging es in der 86-jährigen Historie nicht immer paradiesisch und integer zu. Für die handverlesenen Mitglieder, auf rund 300 limitiert und ausschließlich berufen, mag das 147 Hektar große Areal im 200.000-Seelen-Städtchen Augusta/US-Bundesstaat Georgia eine Insel der Seligen sein. Für viele war es kein Himmel auf Erden.

„Solange ich lebe, sind hier die Mitglieder weiß und die Caddies schwarz.“ Es ist dieser Satz des Mitbegründers Clifford Roberts, der Augusta Nationals Selbstverständnis über Jahrzehnte prägte und dem Club bis heute anhängt – wenngleich es zu ebendiesem Selbstverständnis gehört, über Kritik von außen erhaben zu sein.

1931 hatten der dünkelhafte New Yorker Börsianer und sein Freund Robert „Bob“ Jones Jr., den viele für den größten Golfer aller Zeiten halten, eine Plantagen- und Baumschul-Brache auserkoren, um Jones‘ Vision vom idealen Golfplatz und ein Winterrefugium für betuchte Nordstaatler entstehen zu lassen.

Die Mitglieder tragen grüne Sakkos mit dem Vereinsemblem auf der Brusttasche. Quelle: AFP
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Die Mitglieder tragen grüne Sakkos mit dem Vereinsemblem auf der Brusttasche.

(Foto: AFP)

Zu den Anfangsmitgliedern gehörten etwa „Singer“-Nähmaschinen-Magnat Alfred Bourne und Robert Woodruff, der Boss von Coca-Cola im nahen Atlanta. Bob Jones war das Testimonial des 1932 gegründeten Clubs und sein Präsident, der studierte Anwalt antichambrierte mit seinem Namen und der Integrität als untadeliger Sportsmann. Clifford Roberts führte mit eisernem Regime die wirtschaftlichen wie strukturellen Geschicke und gab den Zeremonienmeister für die elitäre Vereinsclique.

Roberts‘ Diktum von der Hautfarbenlehre überdauerte sogar seinen Tod. Er erschoss sich 1977 auf dem Golfplatzgelände, 83 Jahre alt und schwer von Krebs gezeichnet. Es währte jedoch weitere 17 Jahre, bis mit Ron Townsend, dem Ex-Direktor einer TV-Station, ein afro-amerikanisches Mitglied eingeladen wurde.

Dafür dürfen die Teilnehmer am Masters immerhin schon seit 1983 ihre eigenen Caddies mitbringen – egal welcher Ethnie. Zuvor war das clubeigene Personal Pflicht. Damit die „fremden“ Taschenträger trotzdem als besondere Spezies ausgewiesen sind, verpasst Augusta National ihnen weiße Overalls. In denen sehen sie dann aus wie Tatortreiniger.

Die Mitglieder hingegen tragen anlässlich des Turniers grüne Sakkos mit dem Vereinsemblem auf der Brusttasche. Seit 1947 wird der Dreiknopf-Einreiher im Farbton Pantone 342 überdies nebst anderen Ehrenzeichen und einem mittlerweile fetten Scheck von aktuell 1,98 Millionen Dollar als Siegertrophäe verliehen und avancierte damit zum begehrtesten Kleidungsstück des Sports.

Letztlich steht das berühmte „Green Jacket“ für eine Zeit, in der Augusta National trotz seiner vermögenden Entourage notorisch klamm und zweimal fast pleite war. Dabei war der Platz, gebaut in den Nachwehen der Weltwirtschaftskrise von 1929, ein Schnäppchen von 70.000 Dollar fürs Grundstück und 85.000 Dollar an Baukosten für die Konstruktion der Golfbahnen.

Die Arbeitslosigkeit war hoch, Hilfskräfte waren billig und willig: Zehn Stunden am Tag wurde geschuftet, für zehn Cent die Stunde, sechs Tage in der Woche. Überliefert ist der Satz: „Es war, als wäre die Sklaverei wieder eingeführt.“ Binnen 76 hektischen Tagen war alles fertig. Von Roberts und Jones auf Pump finanziert, ein finanzieller Drahtseilakt für mehrere Jahrzehnte, viel teurer im Unterhalt als erwartet.

Zudem erlahmte das Interesse am Golfspektakel relativ rasch, nachdem die Masters-Premiere 1934 mit Idol Bob Jones noch Fans in Scharen angezogen hatte. Das ehrgeizige Event wurde zum Groschengrab; der Club saß auf einem Haufen unbezahlter Rechnungen, insgesamt 31.000 Dollar, musste seine Geldgeber und deren Forderungen von rund 120.000 Dollar bedienen, allerhand Erweiterungspläne streichen.

Schon zuvor hatte man versucht, die Gläubiger mit der Drohung ruhig zu stellen, die Anlage im Zweifelsfall zu schließen. Diesem „Moratorium“ folgte 1934 die schäbige Offerte, den Kreditoren Platz im ersten Programmheft des Masters einzuräumen, die sich für dieses Entgegenkommen wiederum mit einem Schuldenerlass erkenntlich zeigen durften.

Die Aufnahmekriterien des Clubs sind auch heute noch extrem rigide. Quelle: AFP
Nur für Mitglieder

Die Aufnahmekriterien des Clubs sind auch heute noch extrem rigide.

(Foto: AFP)

Als dies nur bedingt fruchtete, verfielen Roberts und Konsorten ein Jahr später auf den perfiden Schachzug, mit dem Firmenrecht zu jonglieren und das Objekt pro forma vor die Wand zu fahren, wie der renommierte US-Golf-Journalist Curt Sampson für sein Buch „The Masters“ recherchiert hat. Besitzer des Grundstücks und damit Schuldner war nicht der Club, sondern die Fruitlands Manor Corporation.

Den ersten Rang bei den Hypotheken hatte die Georgia Railroad Bank & Trust und leitete wegen ausbleibender Zahlungen die Zwangsversteigerung ein. Anschließend kaufte eine fünfköpfige Investorengruppe, allesamt ebenfalls Mitglieder, das Gelände für 30.000 Dollar aus der Konkursmasse und gründeten The Augusta National Inc. Der Club war gerettet, die Gläubiger schauten in die Röhre.

Im Weißen Haus ein- und ausgegangen

Den Zweiten Weltkrieg überstand Augusta National als Viehweide zur Truppenversorgung. Anschließend entdeckte das Fernsehen den Golfsport und die US-Öffentlichkeit den charismatischen Arnold Palmer als „American Idol“, der 1958 sein erstes von vier Masters gewann. Mark McCormack erfand mit seiner International Management Group das Sportmarketing, im Zug der Kommerzialisierung blühten Augusta National und das zu fast überirdischer Schönheit stilisiertes Masters explosionsartig auf.

Nebenbei machten die Granden in Grün mit ihren Verbindungen und ihrer Schubkraft Dwight D. Eisenhower zum 34. Präsidenten der Vereinigten Staaten (1953 bis 1961), wie Sampson in seinem Buch schreibt. Der gefeierte Weltkriegsgeneral war einer der Ihren und Clifford Roberts sein persönlicher Finanzberater; „Ike“ und seine Gattin Mamie hatten auf dem Gelände des Golfclubs ihr eigenes Domizil, Roberts ging dafür im Weißen Haus ein und aus. Gegner der Kandidatur bekamen Post von überzeugungsstarken und wirtschaftlich bedeutenden Clubmitgliedern. Unliebsame Schlagzeilen wurden verhindert, indem Zeitungsherausgeber zu Grünjacken gemacht wurden.

Erst 2012 wurden die ersten weiblichen Mitglieder aufgenommen. Quelle: AFP
Frauen erwünscht

Erst 2012 wurden die ersten weiblichen Mitglieder aufgenommen.

(Foto: AFP)

Mit der von Clifford Roberts begründeten rigiden Politik der Alleinstellung sowie dem aus Perfektion und Selbstherrlichkeit gezimmerten Gerüst von Glanz und Gloria ist Augusta National reich geworden. Heute sind Turniertickets limitiert und ohnehin rar wie Goldbarren im Hausmüll, einmal ergatterte Eintrittskarten werden immer wieder verlängert oder vererbt, Wartelisten setzen Staub an, das Wochen-Badge fürs VIP-Zelt liegt bei 7.500 Dollar: Und der Club ist auf seinem Gelände absoluter Alleinherrscher, auch beim Masters redet keiner rein: nicht das Fernsehen, nicht die Wirtschaftspartner, nicht mal die Sporthoheiten, alles Gäste.

Das gilt gleichermaßen für die Hauptdarsteller: Wiewohl es nominelle Kriterien gibt, nach denen die weltbesten Professionals und ausgewählte Amateure teilnahmeberechtigt sind, zählt an der Einfahrt zur Magnolia Lane weder Name oder Gesicht, sondern ausschließlich die förmliche Einladung in feiner Kalligraphie auf Büttenpapier. So schaffte es der Club, den Start eines afro-amerikanischen Spielers zu verhindern, bis 1975 der Texaner Lee Elder nach allerhand öffentlichem Druck tatsächlich beim Masters abschlagen durfte.

Mit Buffett und Gates – aber ohne Trump

Augusta National lädt ein und oder nicht, notfalls kurzerhand wieder aus. 2002 nahmen Feministinnen die Herrenrunde aufs Korn und riefen landesweit zum Masters-Boykott auf. Das brachte die traditionellen drei Großsponsoren IBM, AT&T und Exxon in arge Bedrängnis, mitnichten aber die Vereinsoberen, die ihre Partner kurzerhand von allen Verpflichtungen entbanden. Während Chef-Aktivistin Martha Burk Morddrohungen von empörten Masters-Fans bekam, zog der Club in den nächsten zwei Jahren seinen TV-Quotenhit auf der generell werbefreien Anlage ohne Sponsoren durch.

Bis heute ist der Club ein Hort erzkonservativen Gedankenguts, ein Zirkel einflussreicher Zeitgenossen: mächtig und gut vernetzt, moralisch und ideologisch passgenau. Nicht zu vergessen Diskretion, Understatement, Wirkweise im Stillen. Deshalb gehören beispielsweise Warren Buffett oder Bill Gates dazu – und Donald Trump nicht.

Zugeständnisse gibt es allenfalls „tröpfchenweise“. 2012 wurden die ersten beiden weiblichen Mitglieder aufgenommen, darunter Ex-US-Außenministerin Condoleezza Rice. Mittlerweile sind die Damen zu sechst. Und vergangene Woche fand erstmals ein Frauenturnier im Augusta National Golf Club statt, als die weltbesten Amateurspielerinnen zur Endrunde des Augusta National Women‘s Amateur auf dem heiligen Rasen antreten durften.

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