Baur-au-Lac-Chef Wilhelm Luxem: „Man dient den Königen seiner Zeit“
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Baur-au-Lac-Chef Wilhelm Luxem„Man dient den Königen seiner Zeit“
Vor einem Jahr wurden im Züricher Baur au Lac sechs Fifa-Funktionäre verhaftet. Im Interview spricht Hotelchef Wilhelm Luxem über Polizeibesuche und Gäste-Image, wahren Luxus und geklaute Bademäntel.
DüsseldorfWilhelm Luxem ist die Contenance selbst. Wahrscheinlich würde er auch brandschatzende Hell’s Angels einfach weglächeln. Nur einmal wird selbst er in der nächsten Stunde unruhig: als der bestellte Fotograf samt Equipment an seinem Tisch auftaucht. Luxem macht sich da keine Sorgen um sich selbst, sondern um seine Hotelgäste. Die haben’s nicht so mit Fotografen.
Herr Luxem, das Baur au Lac gilt als eines der traditionsreichsten Luxushotels der Welt. Was ist das Schlimmste, was so einer Institution passieren kann? Dass die Gäste ausbleiben. Die sind ja letztlich der einzige Grund dafür, dass es Hotels gibt. Gott sei Dank können wir uns angesichts einer Auslastung von rund 80 Prozent nicht beklagen.
Vor einem Jahr geriet ausgerechnet dieses Haus weltweit in die Schlagzeilen, als sechs hochrangige Fifa-Funktionäre aus ihren Zimmern heraus verhaftet wurden. Hat die Publicity geschadet ... oder sogar genutzt? Geholfen hat es sicher nicht. Aber auch nicht geschadet. Würde jemand seinen Mercedes zurückgeben, weil die Fahrzeuge von jemandem genutzt werden, mit dem ich nicht übereinstimme? Vorkommnisse dieser Art sind natürlich unangenehm. Für mich war aber vor allem erstaunlich, auf wie vielfältige Weise Medienvertreter sich damals Zugang ins Hotel zu verschaffen versuchten. Soweit das geht, versuchen wir, unsere Gäste vor solchen Attacken zu schützen.
Ihre Mitarbeiter haben die Festgenommenen beim Verlassen des Hauses mit Bettlaken vor den Paparazzi geschützt. Auf Ihre Anordnung hin? Nein, ich war gerade nicht vor Ort, fand diesen Reflex aber schön. Es ist letztlich Teil unserer Kultur, Gästen ihre Privatsphäre zu sichern.
Die Fifa-Affäre – Verhaftung im Luxushotel
Im Mai 2015 rückte die Polizei im Baur au Lac an und verhaftete sechs Fifa-Funktionäre. Die Fotos gingen um die Welt. Die Angestellten des Hotels versuchten, ihre Gäste mit Laken vor den Paparazzi zu schützen. „Ein Reflex“, sagt Hoteldirektor Wilhelm Luxem, der damals nicht anwesend war, die Haltung seiner Crew aber tadellos findet. Diskretion sei „einer der wichtigsten Grundwerte guter Hotels“.
Immerhin residierten im Zürcher Baur au Lac schon viele Staatsgäste, gekrönte Häupter, aber auch Künstler von Richard Wagner bis Alfred Hitchcock. Im Dezember wurden erneut Fifa-Spitzen im Baur au Lac verhaftet. Da der Verband, der in Zürich seine Zentrale hat, weiter zu den Kunden des Hotels zählt, dürfte Luxem diese Art der Publicity womöglich auch in Zukunft nicht erspart bleiben.
Was wiegt mehr: öffentliches Interesse oder der Schutz Ihrer Gäste? Unsere Diskretion ist einer der wichtigsten Grundwerte guter Hotels. Anders als manch andere Hotels kolportieren wir zum Beispiel nie die Namen unserer prominenten Gäste an die Klatschspalten der Presse. Und wir äußern uns auch auf Nachfrage nicht – egal ob es Politiker, Wirtschaftsgrößen oder Künstler sind.
Muss es einem Hotelchef generell gleichgültig sein, womit seine Gäste zu Reichtum gekommen sind? Nicht ganz, denn ein Hotel ist immer nur so gut wie seine Bewohner. Aber das ist eben etwas sehr Gewachsenes. Wir sind kein Bling-Bling-Hotel, in dem auf den Tischen getanzt wird. Eine bestimmte Klientel ziehen wir schlicht nicht an.
Früher logierten hier Thomas Mann, Richard Wagner und andere Künstler. Bertha von Suttner hat im Baur au Lac angeblich Alfred Nobel zur Einrichtung seiner Stiftung bewegt. Trauern Sie jenen Zeiten nach, als Häuser wie Ihres auch Heimat von Künstlern und Kulturschaffenden war? Heute könnten sich nur die wenigsten Schriftsteller hier eine Übernachtung leisten. Die von Ihnen erwähnten Künstler hatten früher Mäzene, die ihnen die Aufenthalte möglich machten. Insofern hat sich da sicher ein bisschen was verschoben. Die einzige Konstante ist auch bei unserer Arbeit die stete Veränderung. Wir wollen ja kein Museum werden. Man dient als Hotel immer den Königen seiner Zeit.
Wer sind die Könige unserer Zeit? Heute vielleicht weniger die Kunstschaffenden als die -sammelnden. Natürlich auch Geschäftsleute. Menschen aus dem Finanzbereich. Zürich ist ein Brennpunkt von Top-Entscheidern unterschiedlichster Branchen. Und um jeden wollen wir uns ganz individuell kümmern.
Wie hoch ist der Anteil Ihrer Stammgäste? Rund 60 Prozent. Das sind Leute, die oft alle paar Wochen oder gar Tage bei uns sind.
Sie haben sicher Listen mit allen Wünschen und Marotten solcher Stammgäste. Natürlich. Und die können durchaus etliche Seiten lang sein – von den Ernährungsgewohnheiten bis zu Fragen der Zimmereinrichtung. Viele Gäste haben bei uns ein Depot, in dem sie persönliche Dinge einlagern. So können sie mit leichtem Gepäck hier ankommen und doch das Gefühl haben, ihr ganz persönliches Zimmer zu beziehen. Das reicht von Möbel-Accessoires bis zu Kleidungsstücken, die wir dann frisch gereinigt bereitlegen.
Wie haben sich Hotels Ihrer Kategorie über die Jahrzehnte verändert? Das geht beim Personal los: Das muss heute auf Augenhöhe dem Gast dienen, natürlich nie kumpelhaft jovial, aber auch nicht mehr so devot wie in früherer Zeit.
Polizeiwagen vor dem Baur au Lac
„Es ist Teil unserer Kultur, Gästen ihre Privatsphäre zu sichern.“
(Foto: AP)
Und sonst? Der Bedarf an höheren Investitionen und schnelleren Zyklen der Erneuerung ist größer als je zuvor – einfach weil etwa die Technologie sich unglaublich rasant weiterentwickelt. Als das Baur au Lac gegründet wurde, waren fließend Warm- und Kaltwasser oder ein eigenes Bad in den Zimmern schon ein Indiz dafür, höchsten Ansprüchen zu genügen. Da ist über die Jahrzehnte doch einiges an Bedürfnissen dazugekommen.
Sind die Moden kurzlebiger geworden? Viele Häuser glauben, dass sie auf jeden Designtrend aufspringen müssen. Aktuell gilt ja ein sehr puristischer Stil als trendig. Das sieht in Lifestyle-Magazinen oft toll aus, ich habe aber meine Zweifel, dass sich darin immer komfortabel wohnen lässt.
Messing und Marmor sind jedenfalls nicht mehr zeitgemäß heute, oder? Nein, finden Sie bei uns auch nur noch sehr sparsam.
Wie oft werden Ihre Zimmer erneuert? Spätestens alle sechs bis sieben Jahre wird jedes unserer 120 Zimmer komplett renoviert. Wir legen Wert darauf, keine „Zeit-Oasen“ zu haben, die man manchmal in anderen Häusern findet.
Bitte was? Dass man sich im einen Trakt noch in den achtziger Jahren fühlt, während der nächste gerade erst bezugsfertig geworden zu sein scheint. Veränderung muss behutsam sein. Kontinuität ist wichtig. Wir wollen ja, dass sich die Gäste zu Hause fühlen. Vor zwei Jahren haben wir die Eingangshalle komplett überarbeitet. Danach lobten uns Gäste dafür, dass wir den großen Lüster so schön neu zur Geltung gebracht hätten. Diesen Lüster gab’s vorher gar nicht.
Wie definieren Sie Luxus? Als etwas nicht mehr unbedingt Sichtbares. Ein bestimmtes Level an Einrichtung und Ausstattung wird ohnehin vorausgesetzt. Es ist eher eine Form höchster Aufmerksamkeit. Sehr persönliche Betreuung ist heute weit wichtiger als noch irgendein High-Tech-Gadget oder goldene Wasserhähne. Luxus darf nicht aufdringlich sein.