Ernährung Wie man Käsefondue am besten genießt
Hamburg Käsefondue ist höhere Mathematik. Es geht darum, einen Brotwürfel so durch den Topf zu ziehen, dass bei jedem Zug maximal viel Käse daran hängen bleibt. Nur Anfänger streifen einmal sacht von oben nach unten durch den Topf.
Experten dagegen drehen mit ihrer Fonduegabel erst mal eine kraftvolle Runde am Rand entlang und pflügen danach kreuzweise durch die Schüssel. Ist ihr Brotstück vollständig unter einer dicken Schicht Schmelzkäse verschwunden, haben sie das Ziel erreicht: Eine Käsekugel am Spieß, deren Aroma und Wärme einen vor Glück tief seufzen lässt.
Nun, da die Temperaturen sinken und das Jahresende näher rückt, ist die Zeit gekommen, die Schmelztiegel zu entstauben. Denn gerade der letzte Abend des Jahres ist perfekt dafür geeignet, um mit ein paar guten, alten Freunde ein paar Kilo alten, guten Käse zu schmelzen. Schließlich braucht man für ein Käsefondue braucht man vor allem eines: Zeit.
Fondue ist kein Essen, dass man mal eben so „To Go“ zwischen die Backen schiebt. Fondue ist Essen und Erzählen, Pusten und Plaudern, Trinken und Tratschen. Stundenlang kann man dem Käse beim Blubbern zuschauen.
Gelegentlich taucht man einen Brotwürfel in das Caquelon – den meist aus Steingut oder Keramik gefertigten Fonduetopf – und spült mit Weißwein nach. Und hofft heimlich darauf, dass dem Nachbarn das Brot von der Gabel rutscht. Denn dann kommt der Schnaps ins Spiel.
Wer sein Brot im Käse versenkt, so lautet die uralte Fondue-Regel, muss der Runde einen Klaren spendieren. So war es jedenfalls früher. Heute, sagt Petra Meerbach, konzentrieren sich die Leute lieber darauf, die Pötte leer zu kratzen.
Meerbach, 52, hat zusammen mit ihrem Partner Reto Ruprecht, 54, im Hamburger Stadtteil Eppendorf vor einem Jahr das „Schweiz Ahoi“ eröffnet, ein kleines, gemütliches Restaurant mit puristischer Einrichtung.
An den Wänden hängen Scherenschnitte von Kühen und Bäumen, auf der Karte stehen Schweizer Spezialitäten wie Berner Käse-Wurstsalat und Toblerone-Mousse. Aber die meisten, die ins „Schweiz Ahoi“ gehen, wollen nur das Eine: Käsefondue, und zwar reichlich. 220 Gramm Käse rechnen sie hier pro Person. Und meistens bleibt am Ende nichts davon im Caquelon hängen.
Wenn man Reto Ruprecht nach dem Geheimnis eines guten Käsefondues fragt, dann überlegt er nicht lange: „Das Geheimnis ist ein guter Käse“. Pause. „Aber sonst ist es wirklich einfach, das kriegt wirklich jeder hin.“
Für seinen Klassiker, das Fondue „Moitié-Moitié“, nimmt er je zur Hälfte geriebenen Freiburger Vacherin und Greyerzer. Das Caquelon reibt er mit einer Knoblauchzehe aus, dann erwärmt er darin den Weißwein, gibt den geriebenen Käse dazu und verrührt das Ganze mit dem Schneebesen.
Damit die Käsemasse noch geschmeidiger wird, löst er etwas Speisestärke in einem Glas Kirschschnaps auf und gibt auch das unter schnellen Rührbewegungen dazu. Das war’s.
Nach knapp fünf Minuten wirft das Fondue Blasen und ist servierfertig. Ruprecht hat Recht: Damit kann nun wirklich Jeder seine Silvestergäste ins neue Jahr kochen. „Deshalb machen die Schweizer ihr Käsefondue auch meistens selbst “, sagt er. Dass die Deutschen das Fondue so gerne auswärts essen, liegt wohl daran, dass uns hierzulande in den Supermärkten eine bleiche Pampe im verschweißten Alubeutel als „Original Schweizer Käsefondue“ angedreht wird.

Auf der Karte des kleinen Hamburger Restaurants stehen Schweizer Spezialitäten wie Berner Käse-Wurstsalat und Toblerone-Mousse.
Die Industrieprodukte gibt es inzwischen sogar als Single-Pakete für die Mikrowelle. „Dabei ist doch gerade Fondue ein Gericht, das man am besten in Gesellschaft genießt“, sagt Ruprechts Partnerin Petra Meerbach. Die Schweizer dagegen hauen seit frühesten WG-Zeiten ihre Käsereste ins Caquelon und würzen sie mit etwas Pfeffer und viel Weißwein. „Es ist halt das Nationalgericht“, sagt Ruprecht.
Das allerdings darf einem Franzosen nicht zu Ohren kommen. Denn nicht nur die Schweizer, sondern auch die Franzosen beanspruchen die Erfindung des Fondue für sich. Sie pochen mit Nachdruck auf die Namenskunde: Das Wort leite sich schließlich von „fondre“ ab, was so viel bedeutet wie „schmelzen“.
Ursprünglich war mit Fondue nur das aus Käse bestehende Gericht gemeint. Erst später übertrug sich die Bezeichnung auch auf Zubereitungsarten mit Fisch, Fleisch oder Schokolade. Wahrscheinlich haben, wie so oft, sowohl die Eidgenossen als auch die Gallier Recht: Fondue ist ein traditionelles Gericht der Bergbauern, die an den langen, kalten Winterabenden ihre trockenen Brotreste in warmen Käse tunkten.

Schweizer und Franzosen reklamieren die Erfindung des Fondues für sich.
Heute ist Fondue längst kein Arme-Leute-Essen mehr. In den exklusiven Skihütten reiben sie Steinpilze oder Trüffel unter den Käse oder setzen das Fondue mit Champagner an. Wer will, kann dann natürlich gleich das ganze Mahl mit Champagner bestreiten.
Die meisten Gäste trinken zum Fondue aber lieber Fendant aus dem Wallis. Manche bestehen auf schwarzem Tee, weil der angeblich verhindert, dass der Käse im Magen verklumpt. „Ob es wirklich hilft, weiß ich nicht“, sagt Ruprecht. Er trinkt auch manchmal Rotwein zum Fondue. Man könne aber bedenkenlos auch Bier bestellen. Und natürlich Schnaps.
Im „Schweiz Ahoi“ bekommt jeder Gast zum Fondue ein großes Glas Kirschwasser. Nicht zum Trinken. Sondern um das Brot dort hinein zu tunken, bevor es in den Käse kommt. Jetzt versteht man auch, warum die Gäste hier freiwillig auf die Schnapsstrafe verzichten.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.