Hochseesegeln Warum bei der wichtigsten Regatta der Welt wieder ein deutsches Team startet

Mit dem Schiff wollen Michael End (l.), Robert Stanjek (r.) und Jens Kuphal das legendäre Ocean Race bestreiten.
(Foto: OTG)
Berlin Der Berliner Jens Kuphal und Michael End aus Bad Oeynhausen, das Teammanagement des Offshore Team Germany, und ihr sportlicher Kopf Robert Stanjek haben einen Traum: Zum ersten Mal nach 20 Jahren soll bei der kommenden Auflage des „Ocean Race 2021“ (ehemals „Volvo Ocean Race“), der härtesten Hochseeregatta der Welt, wieder eine Jacht unter deutscher Flagge an den Start gehen.
Zuletzt war im Jahr 2001 ein deutsches Boot mit einem internationalen Team von Topseglern bei dem Weltrennen dabei. In einem furiosen Zieleinlauf vor Kiel gelang damals der „Illbruck“ der Sieg in einer der bekanntesten Regatten, die in mehreren Etappen, zwischen denen auch Crewwechsel möglich sind, einmal um die Welt führt.
Seitdem träumt Segeldeutschland davon, dass es wieder ein deutsches Ocean-Race-Projekt gibt. Doch in den vergangenen Jahren fehlte es vor allem an einer Organisation, die in der Lage ist, die ersten finanziellen Hürden zu stemmen, bevor geeignete Sponsoren gefunden sind. Mit dem vor zwei Jahren von dem Berliner Segler und ehemaligen Musikproduzenten Kuphal, dem Unternehmer End und Olympia-Teilnehmer Stanjek gegründeten Offshore Team Germany ist das anders.
Mit Kuphal, der vor allem als Produzent zahlreicher Stars der Neuen Deutschen Welle Erfolg hatte, und dem Mittelständler End („End Armaturen“) gibt es wieder Unterstützer, die bereit und in der Lage sind, die ersten Investitionen vorzustrecken. Investitionen, die nötig sind, wenn es gilt, einen segelnden Rennstall aufzubauen, mit dessen Hilfe deutsche Segler an die internationale Spitze im Hochseesegelsport Anschluss finden sollen.
Aktuell hat das Offshore Team Germany (OTG) zwei Rennboote: den nur 6,50 Meter langen Mini-Prototypen „Lilienthal“, der von dem erfahrenen Regattasegler und Arzt Morten Bogacki gesegelt wird, und eine mit fast 20 Meter Länge beeindruckend große Rennjacht vom Typ „Imoca Open 60“, mit der das Weltrennen bestritten werden soll.

Zurzeit ist die Rennjacht des deutschen Teams auf dem Ärmelkanal unterwegs.
(Foto: OTG)
Während Bogacki sich aktuell darauf vorbereitet, an Bord der „Lilienthal“ bei der nächsten Solo-Transatlantikregatta Mini Transat, die im September gestartet wird, allein den Sprung über den großen Teich zu schaffen, ist mit der Imoca bereits eines der Schiffe im Besitz des OTG, das für das Ocean Race 2021 an den Start gehen darf.
Die Klasse der Imoca Open 60, die vor allem für das berühmte Weltrennen der Solosegler, das Vendée Globe Race, eingesetzt wird, ist aktuell die weltweit am stärksten verbreitete Rennjacht für Solosegler und Zweihandcrews. Für das kommende Ocean Race sind zwei Bootstypen zugelassen: die bei den letzten beiden Rennen eingesetzten Jachten vom Typ VO 65 und die Imoca Open 60.
Die Idee der Organisatoren: Durch den Einsatz dieser stark prosperierenden Klasse sollen möglichst viele Teams animiert werden, an dem nächsten Rennen teilzunehmen. Doch bisher wurden die Imocas überwiegend für Regatten von Soloseglern oder Zweier-Teams (Double handed) eingesetzt. Um mit einer Crew von fünf Seglern und einem On-Board Reporter, der das Rennen die ganze Zeit über begleitet, an dem Weltrennen teilnehmen zu können, müssen die Jachten zusätzlich modifiziert werden.
Um sich optimal auf das Weltrennen vorbereiten zu können, hat sich das OTG, das neben Kuphal maßgeblich von dem ehemaligen Olympioniken und Starboot-Weltmeister Stanjek operativ geleitet wird, dazu entschieden, den Fokus nicht auf die kommende Auflage des Vendée Globe Race zu legen. Alle Kräfte sollen auf einen erfolgreichen Start beim Ocean Race 2021 konzentriert werden.
Neben Stanjek als Teamcaptain und Skipper stehen die weiteren Teammitglieder noch nicht fest. Geplant ist ein weiterer erfahrenen Skipper, der bereits an Weltrennen teilnahm. Zudem wird eine internationale Crew mit Unterstützung von deutschen Nachwuchsseglern an Bord des Schiffes sein.
Hochseesegeln „made in Germany“
Während internationale Top-Syndikate wie das spanische Team „Mapfre“ oder auch das chinesische Team „Dongfeng“ mit einem Budget für die Gesamtkampagne zwischen 20 und 25 Millionen Euro rechnen, wollen die Verantwortlichen des OTG mit rund der Hälfte des Budgets auskommen.
„Unser Ziel ist es nicht einzig und allein, auf Anhieb einen Platz auf dem Treppchen zu ersegeln, sondern mit einem Schiff unter deutscher Flagge und deutschen Seglern wieder bei dem wichtigsten Hochseerennen der Welt präsent zu sein“, betont Kuphal. „Mit den gewonnenen Erfahrungen wollen wir unser Engagement bei den kommenden Rennen dann konsequent ausbauen und entsprechend erfolgreich segeln.“
Die der OTG gehörende Jacht, die früher unter dem Namen „Acciona“ beim Vendée Globe Race segelte, absolviert nach einem längeren Werftaufenthalt in Lissabon und Südenglang zurzeit erste Testfahrten auf dem Ärmelkanal. Dann segelt sie mit Skipper Stanjek und einer internationalen Crew zur Kieler Woche.
Direkt an der Innenförde, an der Kiellinie, wird das Schiff mit dem strahlend weißen Rumpf am 21. Juni auf seinen künftigen Namen getauft. Für maximale Aufmerksamkeit gibt es für die Organisatoren des OTG keinen besseren Zeitpunkt als das Eröffnungswochenende der weltgrößten Segelveranstaltung.

An Bord des deutschen Ocean-Race-Bootes gibt es noch einiges zu tun.
(Foto: OTG)
Als erste große Bewährungsprobe steht dann die Teilnahme der Jacht mit Skipper Stanjek beim berühmten Rolex Fastnet Race an, das er bereits zweimal an Bord anderer Jachten gewinnen konnte. Anfang August wird es vor Cowes gestartet und führt bis zum Fastnet Rock in der Irischen See und zurück nach Plymouth. Im Unterschied zu den übrigen gemeldeten Jachten der Imoca-Klasse wird das deutsche Team bereits „fully crewed“ antreten und so den internen Startschuss für die aktive Trainingsphase für das Weltrennen geben.
Genügend Fläche für Logos und Brandings potenzieller Sponsoren bietet neben dem Schiffsrumpf, der bisher nur das Logo des OTG mit schwungvollen deutschen Farben zeigt, vor allem die 330 Quadratmeter große Amwind-Segelfläche der Jacht an. Bisher haben der norwegische Bekleidungshersteller Helly Hansen und der deutsche Tauwerkproduzent Liros ihre Unterstützung zugesagt.
Die besondere Herausforderung des OTG ist es nun, Sponsoren für eine deutsche Kampagne zu begeistern. Beim Volvo Ocean Race 2011 schickte Sportartikelhersteller Puma eine Jacht ins Rennen, die unter US-Flagge an den Start ging. Das ebenfalls in Deutschland ansässige Modeunternehmen Hugo Boss unterstützt als Titelsponsor seit mehr als zehn Jahren den britischen Segelstar Alex Thomson.
Sichtung junger Talente
Einen besonderen Schwerpunkt in der Arbeit des OTG sieht Kuphal, der selbst mit seiner Jacht „Intermezzo“ an zahlreichen nationalen und internationalen Regatten in der Ostsee teilnimmt, in der Ausbildung deutscher Segler zu erfahrenen Hochseeseglern – der zweite Aspekt der „made in Germany“-Kampagne.
„Wir wollen den Hochseesegelsport in Deutschland fördern und jungen Seglern, die bereits in den olympischen Klassen Erfolge gesammelt haben, die Chance geben, sich auf Hochseerennjachten weiterzuentwickeln“, betont er. „Bei der Vorbereitung für das Ocean Race werden wir verschiedene junge Talente sichten und dann entscheiden, wer als Crewmitglied für das härteste Jachtrennen der Welt nominiert wird.“
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