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  4. Gut Hermannsberg: Gespräch über die Qualität der Weine und die Strategie

Jürgens Weinlese„Wenn eine Beratungsfirma das Weingut durchleuchtet, wird das Wetter auch nicht besser“

Vor 14 Jahren hat Ex-Private-Equity-Manger Jens Reidel ein deutsches Traditionsweingut gekauft, das nun wieder Top-Rieslinge herstellt. Doch der Weg dahin war schwierig.Jürgen Röder 22.09.2023 - 15:04 Uhr Artikel anhören

Mitten im malerischen Nahetal liegt das Gut Hermannsberg, umgeben von eignen Weinreben in Hanglage. 1902 wurde das Weingut gegründet als „Königlich-Preussische Weinbaudomäne Niederhaus-Schlossböckelheim“.

Foto: Sixdsigns

Düsseldorf. Ende 2008 trat Jens Reidel als Chairman des europäischen Finanzinvestors BC Partners zurück – um im folgenden Jahr ein neues Abenteuer zu starten: Er kaufte das traditionsreiche Weingut „Gutsverwaltung Niederhaus-Schlossböckelheim“, das 1902 gegründet wurde, und nannte es in „Gut Hermannsberg“ um.

Mittlerweile zählen die Rieslinge mit zu den besten, die Deutschland zu bieten hat, was zahlreiche Auszeichnungen beweisen. Reidels Sohn Jasper ist als Geschäftsführer eingesetzt.

Doch hohe Qualität bedeutet nicht zwangsläufig einen hohe Rendite. Bereits vor dem Kauf war dem ehemaligen Beiersdorf-Manger klar, dass man mit einem Weingut nur langfristig Rendite erzielen kann. Entsprechend antwortet er auf die Frage, ob das Weingut Erträge bringt, scherzhaft: „Gemessen an Hektolitern: Ja.“

Weniger scherzhaft kann der 72-Jährige mit Bürokratie umgehen. „Das Gebäude des Weinguts steht unter Denkmalschutz, hinzu kommt der Brandschutz. Von den beiden Behörden kommen gegensätzliche Vorgaben.“ Reidel sieht daher Deutschland als „ein Investitionsverhinderungsland“.

Hallo Herr Reidel, hatten Sie eine Wein-Expertise, als Sie 2009 das Weingut gekauft haben?
Jens Reidel: Ich war immer Wein-Liebhaber, würde mich aber nicht als Wein-Kenner bezeichnen. Ich kannte die Gegend hier gut.

Wollten Sie auf jeden Fall irgendein Weingut kaufen oder nur Gut Hermannsberg?
Der Kauf dieses Weinguts kam aus drei verschiedenen Gründen zustande. Zum einen wollte ich ein konservatives Investment in die Landwirtschaft tätigen, das aber auch Erträge bringen sollte. Zur Erinnerung: 2009 war die Zeit nach dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers. Damals fragten sich viele, wie es mit der gesamten Finanzwelt weitergeht. Ich wurde damals oft gefragt, ob man nicht besser in die Landwirtschaft investiert, beispielsweise in Wälder oder Schafsherden. Größe Waldflächen gibt es in Kanada, das war meiner Frau und mir zu weit weg. In Schafsherden wollte ich auch nicht investieren. Also kauften wir ein Weingut. Die Weine hätten wir im schlimmsten Fall selbst trinken können.

Blick auf die Einzellage Kupfergrube, zusammen mit Hermannsberg die beste des Weingutes. Diese Riesling-Weine werden erst fünf Jahre nach der Ernte verkauft.

Foto: Sixdesigns

Und warum dann Gut Hermannsberg?
Der zweite Punkt: Ich wollte einen Bezug zum Weingut haben. Deswegen kam auch nicht die Toskana in Italien oder Roja in Spanien infrage. Ich bin in der Pfalz aufgewachsen und war hier ganz in der Nähe im Internat. Ich kannte die Domäne hier. Wenn ich mal als Jugendlicher ausgebüxt bin, konnte man hier einen Wein trinken, ohne erwischt zu werden. Das führt zum dritten Grund: Die Liebe zum Wein.

Bringt das Weingut denn Erträge?
Gemessen an Hektolitern: Ja. Wir sind heute finanziell in der Größenordnung einer schwarzen Null. Das hatten wir damals auch so erwartet. Weinanbau ist eine Branche, die Zeit braucht. Man benötigt einen langen Atem. Man muss auch mit vielen unerwarteten Dingen rechnen. Salopp formuliert: Wenn beispielsweise eine Beratungsfirma wie McKinsey das Weingut durchleuchtet, wird das Wetter im nächsten Jahr auch nicht besser.

Als ehemaliger Private-Equity-Manager haben Sie bestimmt vor dem Kauf einen Businessplan erstellt.
Wir hatten vorher eine gute Analyse gemacht. Das Weingut war schließlich vorher über 100 Jahre im Staatsbesitz und es wurde in den vergangenen zehn bis 20 Jahren etwas vernachlässigt, um es vorsichtig auszudrücken. Ein Ergebnis der Analyse war aber auch: Wir haben Weinberge, mit denen wir Weine mit unglaublicher Qualität produzieren können, in erster Linie Riesling. Mit Riesling ist die Domäne groß geworden.

War auch eine Exit-Strategie dabei, falls es schlechter als erwartet gelaufen wäre?
Nein. Mir war völlig klar, dass dieses Investment ganz langfristig angelegt ist und es am Anfang schwierig werden dürfte. Wir haben zugunsten der Qualität auf Ertrage verzichtet, um später die optimalen Weine herstellen zu können und das dann preislich honoriert zu bekommen. Das gesamte Projekt ist auch eine generationsübergreifende Aufgabe. Ich bin hier aufgewachsen, meine Großeltern, von väterlicher und mütterlicher Seite, kommen aus dieser Gegend. Hier sind meine Wurzeln und damit auch ein Stück Heimat, weil ich hier meine Kindheit verbracht habe.

Die treibenden Kräfte im Gut Hermannsberg: Jasper Reidel (l.) ist seit fünf Jahren Geschäftsführer. Karsten Peter (M.) ist seit der Übernahme Kellermeister des Weinguts. Jens Reidel hat das Weingut 2009 gekauft, das damals „Gutsverwaltung Niederhaus-Schlossböckelheim“ hieß.

Foto: sixdesign

Was ist der Unterschied zwischen einer Private-Equity-Beteiligung und einem Weingut?
Da ist hier keine Fabrik, mit der Sie mit Softwareoptimierungen Fortschritte bei der Qualität machen können. Das Wetter sorgt jedes Jahr für neue Herausforderungen. Um die Qualität in die Flasche zu bringen, benötigt es zweierlei: gute Weinberge und eine gute Mannschaft. Unser Kellermeister Karsten Peter hat mal gesagt: Wir müssen zwölf Monate unsere Weinberge pflegen und dürfen im Keller keinen Fehler machen.

Haben Sie vieles verändert?
Ja. Mit der Übernahme haben wir einen Schnitt gemacht. Wir machen das, was uns die Natur vorgibt Der Fokus liegt auf Riesling und dazu etwas Weißburgunder, der auch gut verkauft wird. Nicht jede Traube passt zu jedem Weinberg. Wir könnten beispielsweise hier nur mittelmäßige Chardonnays herstellen, weil keine Kalkböden existieren. Tolle Rotweine, das überlassen wir anderen Regionen wie beispielsweise der Ahr.

Und am Weingut selbst?
Wir haben über den Wein hinaus Werte geschaffen. Es ist viel investiert worden: in die Besprechungsräume, in die Vinothek, in das Gästehaus mit elf Übernachtungsplätzen. Dabei ist die Hilfe der Behörden, vorsichtig formuliert, auch nicht optimal gewesen.

Sie sind nicht der einzige Unternehmer in Deutschland, der so etwas sagt …
Das ganze Gebäude steht unter Denkmalschutz, hinzu kommt der Brandschutz. Von den beiden Behörden kommen dann gegensätzliche Vorgaben, die sich widersprechen. Und vieles ist teuer. Beispielsweise mussten wir für einen sechsstelligen Betrag einen Löschwassertank bauen.

Blick vom Weingut auf die malerisch gelegenen Anbauflächen.

Foto: Sixdesigns

Warum?
Jasper Reidel: Weil die Feuerwehr zwei Minuten zu spät hier am Brandort wäre.

Jens Reidel: Wissen Sie, wie viele Flaschen Wein Sie verkaufen müssen, um 200.000 Euro Gewinn zu machen, damit solch ein Löschwasserbecken gebaut werden kann? Deutschland ist ein Investitionsverhinderungsland.

Zurück zum eigentlichen Thema, Ihrem Wein. Sie wollen mit Ihren Weinen die Spitze erreichen und Weltruhm erlangen. Wie weit sind Sie mit Ihren Plänen?
Jens Reidel: Das müssen andere beurteilen. Wir haben aber seit 2009 mit der Qualität unserer Weine viel an Bedeutung und Reputation gewonnen und spielen mit unserem Riesling ganz oben in der deutschen Spitze mit. Dabei sind wir auch nicht größenwahnsinnig. Wir haben Weinberge, die früher mal an der Weltspitze waren.

Es kann weiter nach oben gehen?
Jens Reidel: Das geht immer. Es gibt ja noch den internationalen Markt. Als wir das Weingut 2009 übernommen hatten, lag der Exportanteil bei null, aktuell sind es 40 Prozent. 25 bis 30 Prozent unserer Weine verkaufen wir an Privatkunden, der Rest geht an Fachhandel und Gastronomie.

Jasper Reidel: Der Jahrgang 2015 war für uns ein Meilenstein. Seitdem haben wir einen klar erkennbaren Stil entwickelt. Wir haben erkannt, dass sich die Lage immer durchsetzt. Zugleich war das auch für uns eine Inspiration, noch mehr den Fokus auf große Rieslinge mit Reifepotenzial zu setzen.

Womit setzen Sie nun Akzente?
Jasper Reidel: Mit dem Thema Reife. Indem wir unsere Großen Gewächse erst nach einer zweijährigen Reifezeit auf den Markt brachten, haben wir für Aufmerksamkeit in der deutschen Weinbranche gesorgt. Dieser Ansatz hat sich mittlerweile im Markt etabliert. Vor einigen Jahren haben wir unsere Strategie noch erweitert: Zwei unserer Einzellagen, die Kultweine Kupfergrube und der Hermannsberg, werden nun erst nach einer fünfjährigen Reifezeit verkauft. Das ist ein Novum in der deutschen Weinszene.

Was ist die Idee hinter Ihrer neuen Basislinie?
Jasper Reidel: Die Weinlinie selbst ist nicht neu, sie existierte bereits. Was wir verändert haben, ist das Design der Etiketten. Unser Ziel war es, unsere Basislinie visuell klarer vom „7 Terroirs“ abzugrenzen, unserem Premium-Gutswein, der seit 2018 und ausschließlich aus unseren sieben VDP Großen Lagen produziert wird, allesamt Steillagen. Ab diesem Wein setzt unsere „Hermannsberg-Philosophie“ ein, die Spontanvergärung und langlebige Weine umfasst, und diese Unterscheidung wollten wir auch optisch hervorheben.

Das soll keineswegs bedeuten, dass unsere Basisweine von geringerer Bedeutung sind. Sie sprechen eine andere Zielgruppe an. Sie sollen die Nahe repräsentieren und sind unkomplizierter, jugendlicher und deshalb von Beginn an zugänglicher. Um diesen speziellen Charakter zu erreichen, haben wir uns bewusst für flachere Weinberge entschieden und nach und nach zusätzliche Flächen von befreundeten Winzern gepachtet. Dabei handelt es sich nicht um Zukauf von Trauben. Wir zahlen stattdessen pro Hektar und auch diese Lagen werden mit denselben Maßgaben wie die eigenen bewirtschaftet. Zudem führen wir jedes Jahr zwei Selektionsschritte während der Lese durch.

Seit fünf Jahren ist Jasper Reidel für das operative Geschäft im Weingut zuständig.

Foto: sixdesigns

Wollen Sie das Geschäft mit den Basisweinen ausbauen?
Jasper Reidel: Eher nicht. Wir sind mit unseren Kapazitäten, die wir hier vor Ort haben, gut ausgelastet.

Mit Ihrer Marke und Qualität könnten Sie ja beispielswiese unter der Marke Gut Hermannsberg und mithilfe weiterer Winzer Weine beim Discounter verkaufen. Das machen andere bereits.

Jens Reidel: Das würde nur unsere Marke beschädigen, zumal wir mit unserem aktuellen Lagenportfolio sowie unseren hohen Standards in Produktion und Bewirtschaftung gar nicht in der Lage wären, zu den genannten Preispunkten zu verkaufen oder herzustellen. Und Zukauf würde schlichtweg nicht mehr Gut Hermannsberg entsprechen.

Jasper Reidel: Wir beschäftigen uns lieber mit dem Thema Schaumwein, das wir schon länger sehr ernst nehmen. Neben unserer normalen Sektlinie produzieren wir seit 2013 einen sehr limitierten Kupfergrube Jahrgangs-Sekt, der nach wie vor als Unikat bei der traditionellen VDP-Versteigerung in Mainz gekauft werden kann.

Noch eine Frage zum Schluss: Über die Kaufsumme für das Weingut haben Sie Stillschweigen vereinbart …
Jens Reidel: Ja.

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Und wie viel haben Sie investiert?
Jens Reidel: Viel.

Ich gebe auf. Aber danke für das informative Gespräch.

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