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Knigge gestern und heute Gute Umgangsformen sind zeitlos: Sechs moderne Evergreens der Etikette

Anstandsregeln gelten auch im digitalen Zeitalter: Der Knigge ist aktueller denn je, auch im Business. Selbst das Basecap abzunehmen, zeugt von guten Manieren.
09.06.2019 - 08:55 Uhr Kommentieren
„In den Mantel helfen“ zeugt von Aufmerksamkeit und Respekt – und keinesfalls von Verschrobenheit. Quelle: Corbis/Getty Images
Zeitlose Geste

„In den Mantel helfen“ zeugt von Aufmerksamkeit und Respekt – und keinesfalls von Verschrobenheit.

(Foto: Corbis/Getty Images)

Düsseldorf Alles kann, nichts muss. Das, so scheint es, ist die Gesellschaft, in der wir leben. Der Mensch dieser modernen Zeitläufte verfolgt die Selbstverwirklichung, macht „sein Ding“; das Gefüge ist manchmal wackelig, die Welt steht ohnehin Kopf. Und nicht selten stellt sich bei alldem die Frage: Wo ist der Anstand geblieben? Im großen Kontext wie im Mikrokosmos des eigenen Alltags.

Bei Google löst exakt diese Fragestellung „ungefähr 333.000 Ergebnisse“ aus, samt jeder Menge schlechter Beispiele. Die gute Nachricht: Es gibt noch Sitte und Anstand. Anleitung ebenfalls. Durch den berühmten Knigge beispielsweise. Nur beherzigen muss man‘s halt.
Das ist das Schwierige daran. Umgangsformen sind tradiert, verändern sich mit der Entwicklung der Gesellschaft, werden überliefert und modifiziert, passen sich an. Sie sollten zur vielzitierten Kinderstube gehören, lebendig indes sind sie allein durch Anwendung.

„Gutes Benehmen und Höflichkeit brauchen in erster Linie ein Bewusstsein dafür und gar keine Vielzahl von Vorschriften. Die wichtigsten Grundlagen sind Offenheit, Aufmerksamkeit und Respekt“, hat Moritz Freiherr Knigge mal in der „WirtschaftsWoche“ formuliert. Er ist Nachfahre jenes Adolph Freiherr Knigge (1752-1796), der durch seine Schrift „Über den Umgang mit Menschen“ zum Mentor der Manieren und zum Synonym für Schliff wurde.

„Es ist ein menschliches Grundbedürfnis, das Miteinander zu regeln. Daraus entstehen gesellschaftliche Vereinbarungen“, sagt Linda Kaiser. „Manieren sind keine Verschrobenheiten. Knigge gestern und heute bedeutet immer nur, respektvoll, wertschätzend und tolerant mit sich selbst und mit dem Gegenüber um- und dabei vorausschauend, verständig und adressatengerecht vorzugehen.“

Die Trainerin für Business-Etikette ist Vize-Vorsitzende der Deutsche-Knigge-Gesellschaft. Quelle: Giulio Coscia Fotografie
Linda Kaiser

Die Trainerin für Business-Etikette ist Vize-Vorsitzende der Deutsche-Knigge-Gesellschaft.

(Foto: Giulio Coscia Fotografie)

Als Vize-Vorsitzende der Deutsche-Knigge-Gesellschaft gehört die zertifizierte Trainerin für Business-Etikette aus Düsseldorf zu den Nachlassverwaltern des niedersächsischen Schriftstellers und Aufklärers. Sie weiß: „Der Umgang miteinander ist eine soziologische Entwicklung, die den jeweiligen Zeitgeist spiegelt. Benimmregeln sind generell die Definition dieses Umgangs. Jede neue Generation ordnet das für sich.“

Benimmregeln seien generell die Definition dieses Umgangs. „Jede neue Generation ordnet das für sich. Knigge gestern und heute bedeutet immer nur, respektvoll, wertschätzend und tolerant mit sich selbst und mit dem Gegenüber um- und dabei vorausschauend, verständig und adressatengerecht vorzugehen“, sagt die Etikette-Trainerin.

Eherne Basics des Benehmens sind schon in der Bibel definiert, in den Zehn Geboten beispielsweise: Du sollst die Eltern ehren, sollst nicht morden, stehlen und so weiter. Bereits die altgriechischen Philosophen formulierten bekanntlich beachtenswerte Tugenden.

Manches außerhalb des justiziablen Bereichs ist besagtem Zeitgeist zum Opfer gefallen. Und ja, es kommt zu Verschiebungen der Prioritäten für bestimmte gesellschaftliche Verhaltensweisen. „Weil der Prozess, den man landläufig unter ,Knigge-Regeln‘ versteht, sich mit der Gesellschaft verändert, die diese Regeln anwendet“, erklärt Linda Kaiser. „Eine direkte Abschaffung von Regeln gibt es nicht, allenfalls haben sich die Anforderungen gewandelt.“

Oder anders: Anstand hat kein Verfallsdatum, Manieren sind zeitlos, gutes Benehmen ist so gültig wie eh und je. Die Evergreens der Etikette sollten sattsam bekannt sein – Wiederholung indes schadet nie:

1. Der Kavalier hilft

Ein gutes Beispiel ist „Tür aufhalten“ oder „aus dem/in den Mantel helfen“. Kavaliere beherrschen das, selbst emanzipierte Damen nehmen die Geste gern an. „Frau geht nicht mehr davon aus, freut sich gleichwohl, wenn es passiert“, sagt Stilberaterin Kaiser und ergänzt: „Die weibliche Haltung ,Das kann ich selbst, danke‘ ist heutzutage eine immerhin akzeptable Unhöflichkeit.“

Apropos Tür aufhalten, wenn‘s denn sein darf: Die Dame geht durch die vom Herrn offen gehaltene Tür und wartet dann, damit der Begleiter in der Lokalität wieder die Führung übernehmen kann. Im Business allerdings gilt „Ladies first“ nicht mehr. Gentlemen beachten es dennoch.

2. Das Basecap lüften

Zum kleinen Einmaleins der Umgangsformen gehört zwingend das Thema Kopfbedeckung. „Früher war es üblich, dass Männer in geschlossenen Räumen oder in Anwesenheit von Damen und Ranghöheren beziehungsweise zum Gruß den Hut abnehmen“, sagt Kaiser. „Heute erklären Männer Kappen und Mützen zu Bestandteilen ihres Outfits und tragen diese drinnen und im Beisein von Damen. Die Regel ist allerdings nicht abgeschafft worden, sondern wird nur dem Zeitgeist entsprechend gebeugt.“

Freilich: Auch Basecap oder Beanie bei gegebenem Anlass zu lüften, zeugt von guten Manieren. Gleiches gilt für die Sonnenbrille.

3. Am Tisch

Eine separate und ziemlich umfangreiche Sparte ist die Etikette bei Tisch, angefangen mit der Besteck- und Gläserfolge oder dem angemessenen Einsatz der Serviette. Gar nicht zu reden von der Handhabung des Esswerkzeugs, wobei es manchmal zugeht wie mit Säge, Forke und Schaufel im heimischen Garten. Das aber ist eine andere Geschichte, die demnächst erzählt wird.

Jetzt nur so viel: Brot und Brötchen, ganz gleich ob auf dem Beiteller oder am Frühstückstisch, werden weder abgebissen, noch mit Messer und Gabel gegessen – und mag dies noch so vornehm anmuten. Stilvoll ist, das Backwerk zu brechen, ein kleines Stück dann per Messer mit dem zu bestreichen oder zu belegen, was zuvor per separatem Besteck an Butter, Aufstrich etc. auf dem Teller bereit gelegt wurde, und anschließend händisch zum Mund zu führen.

Der Handkuss war einmal: Gutes Benehmen hat aber nicht an Bedeutung verloren. Quelle: gms
Etikette ist immer noch gefragt

Der Handkuss war einmal: Gutes Benehmen hat aber nicht an Bedeutung verloren.

(Foto: gms)

Außerdem: Kling-Klang beim Zuprosten ist zwar beliebt, jedoch streng genommen ein Fauxpas. Angestoßen wird „ausschließlich zu Hochzeiten, Jubiläen und zum Jahreswechsel mit prickelnden, alkoholhaltigen Getränken wie Sekt oder Champagner. Bei Tisch prostet man sich mit Wein, Bier oder Wasser lediglich symbolisch zu, ohne dass sich die Gläser berühren. Der korrekte Gruß dazu lautet: „Zum Wohl(e).“

Und dann sind da noch die notwendigen Normen in Zeiten von Smartphones und Tablets, in der Allgegenwärtigkeit der Paralleluniversen sozialer Netzwerke. „Soziale Kompetenz geht im digitalen Zeitalter verloren, es sei denn, man gibt sich selbst Regeln“, sagt Linda Kaiser. Die Anlässe ergeben sich täglich – wie vor kurzem, als in einem lauschigen Gartenlokal das vorfreudige Warten auf abendliche Köstlichkeiten vom ständigen Gezirpe der Handys am Nachbartisch „untermalt“ wurde. Bei uns kam das Essen, nebenan permanent elektronische Post.

4. Handy weg vom Tisch

Das Handy hat auf dem Tisch nichts zu suchen“, betont die Etikette-Expertin. „Egal, welcher Tisch und in welcher Gesellschaft. Es gilt: Der persönliche Umgang hat immer Vorrang, Klingeltöne sind tabu.“ Ausnahmen sollten angekündigt werden, das Telefon selbst ist stumm geschaltet oder vibriert dezent. Zum Telefonieren sollte man den Tisch verlassen und einen diskreten Bereich abseits des Geschehens aufsuchen, denn:

5. Privatsphäre respektieren

Vertrauliche Gespräche in der Öffentlichkeit sind gleichermaßen tabu. Die Stimme kann weit tragen und die Umgebung belästigen. Manche reden gar so laut, dass sie kein Mobiltelefon bräuchten, um sich am anderen Ende der Leitung akustisch bemerkbar zu machen. Letztlich berührt Telefonieren die Privatsphäre des Gesprächspartners oder Dritter, wenn über sie geredet wird.

6. Diskrete Notebooks

Außerdem weist Linda Kaiser auf einen sinnvollen und diskreten Umgang mit Notebooks oder Tablets in der Öffentlichkeit hin. In der Tat: Wie oft könnte man im Zug oder in Wartebereichen mitlesen, was der Nachbar oder Vordermann tippt. Hier geht es ebenfalls um Schutz von Privatsphäre und Daten.
Und zu guter Letzt: Man darf – ehedem von „oft alten Tanzschullehrern“ (Moritz Freiherr Knigge) als Reduzierung auf eine Krankheit verpönt – längst wieder „Gesundheit“ wünschen, wenn den Mitmenschen ein Niesen überkommt.

Mehr: Auch bei Kunstausstellungen gibt es einiges zu beachten. Welche Manieren dort angebracht sind, lesen Sie hier.

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