Milliarden-Business mit der Schönheit Beauty-Branche wächst – und wandelt sich

Erfolgreiches Albino-Model.
Köln Eva Gödel spricht fremde Männer an. Auf offener Straße. Junge Männer. Interessante Männer. Schön in einem klassischen Sinne müssen sie nicht sein. Was ist schon schön? Die Kölnerin ist Gründerin und Chefin der Modelagentur Tomorrow is Another Day, die sich höchst erfolgreich auf die etwas anderen Gesichter spezialisiert hat. „Vielleicht passen jene Männer am besten zu meiner Agentur, die sich nicht für ein Model halten“, sagt Eva Gödel selbst – und hat damit enormen Erfolg. Zegna, Prada, Gucci, Burberry & Co. – alle setzen mittlerweile auf die Models von ihr.
Die Sixpack-Typen jedenfalls, die aussehen, als seien sie gerade der Brandung der alten „Davidoff-Cool-Water“-Werbung entstiegen, haben Eva Gödel schon früher nicht interessiert. Erst recht nicht heute in Zeiten von „Schönheitswahn und Selbstoptimierung“, wie sie die Exzesse selbst wahrnimmt. Dabei ist auch klar: Schönheit ist mehr denn je ein gigantisches Geschäft, das mittlerweile jährlich über 200 Milliarden Euro umsetzt. Allein der globale Marktführer L’Oreal kommt aktuell auf einen Umsatz von rund 26 Milliarden Euro, obwohl der französische Konzern im boomendsten Markt eher am Rande aktiv ist: der kosmetischen Chirurgie.
Nicht nur in den Spitzenländern USA und Brasilien steigen die Operationszahlen drastisch: Immer mehr und immer filigraner wird die Natur korrigiert. 2015 wurden weltweit 21,7 Millionen Eingriffe gezählt. Tendenz steigend. Botox-Behandlungen: 4,6 Millionen. Hyaluron-Injektionen: 2,9 Millionen. Haarentfernung: 1,1 Millionen. Brustvergrößerungen: 1,5 Millionen. Fettabsaugungen: 1,4 Millionen. Bis 2020 wird in diesem Gewerbe mit einem globalen Umsatz von 61 Milliarden Dollar gerechnet. Um 20 Prozent wachse der Markt jedes Jahr, sagt der bekannte Schönheitschirurg Darius Alamouti. Mit dafür verantwortlich: Die Zielgruppe Mann entdeckt sich gerade erst selbst.
Aber wer bestimmt heute, was überhaupt zum Schönheitsideal taugt? Klar gibt es noch die Ideale, von denen eine boomende Beauty-Branche besser lebt als je zuvor. Andererseits sind gerade in der Mode zwei gegenläufige Trends zu beobachten: Einerseits wird auf Überraschungseffekte gezielt. Da ist die mittlerweile 22-jährige dunkelhäutige Chantelle Brown-Young, die trotz oder wegen ihrer Pigmentstörungen als Model Winnie Harlow Weltkarriere machte. Da ist das Albino-Model Shaun Ross. Da ist die Amerikanerin Ashley Graham, die mit einem Body-Mass-Index (heute für viele der wichtigste Werte-Maßstab) von 25,1 als „Plus-Size“-Schönheit Erfolge feiert. Sie wurde ein Star wie auch Andrej Pejic, der als androgynes Model schnell Karriere machte und sich 2014 endgültig operativ in Andreja verwandeln ließ.
Zugleich sind Scouts wie die Kölner Casting-Unternehmerin Eva Gödel höchst erfolgreich darin, den Topmarken so etwas wie ganz alltägliche Straßengesichter zu vermitteln. „Ich denke schon, dass ich das Bild von Schönheit ein bisschen mitverändert habe“, sagt die 40-Jährige selbstbewusst.
Was sie selbst für schön hält, welche Rolle TV-Formate wie „Germany’s Next Topmodel“ noch spielen, und warum die Model-Karriere von Viktoria Modesta nach der Amputation ihres linken Unterschenkels überhaupt erst begann – all das lesen Sie im neuen Handelsblatt Magazin.
Themen im Handelsblatt Magazin N° 3 – Mai 2017 u.a.:
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"Was ist schön?" (http://www.handelsblatt.com/my/panorama/reise-leben/das-globale-geschaeft-rund-um-ein-ideal-was-ist-schoen/19748512.html)
Schön ist für mich, was ich schön finde.
Da hat Gott sei Dank wirklich jeder eine eigene Meinung.
Wie heißt es so treffend: "De gustibus non est disputandum" ("Über Geschmack lässt sich nicht streiten").
Dass sich jetzt auch männliche Schönlinge von der Beautyindustrie anfixen lassen, zeugt nur davon, dass immer mehr männliche Zeitgenossen sich emotional und intellektuell dem fraulichen Daseinsideal anzunähern versuchen, weil sie darin ein bequemeres Leben erwarten.