Rath checkt ein: Hotel d’Angleterre, Kopenhagen, The Thief, Oslo Diese zwei skandinavischen Luxushotels haben eine spezielle Vergangenheit

Seit 1787 trägt das Hotel d’Angleterre seinen offiziellen Namen.
(Foto: Hotel d’Angleterre)
Die Dänen sind glücklich. Zumindest wohnen hier laut World Happiness Report die zufriedensten Menschen – gleich nach denen in Finnland und Island. Als ich die Hauptstadt Kopenhagen per Boot und mit dem Rad erkunde, begegnen mir strahlende Gesichter und zuvorkommende Menschen. Vielleicht liegt es an dem berühmten Smørrebrød, dem klassischen Butterbrot, das mir an jeder Ecke angeboten wird. Sicher spielt auch das ausgezeichnete, wenn auch steuerlich quälende Sozialsystem eine Rolle.
Und natürlich das „Hygge“, das gemütliche Beisammensitzen. Freizeit und Gemeinschaft werden in Dänemark und auch den weiteren skandinavischen Ländern großgeschrieben. Die allgegenwärtige Herzlichkeit genieße ich auch in den beiden Top-Hotels: dem „Hotel d’Angleterre“ in Kopenhagen und dem „The Thief“ in Oslo mit der recht zweifelhaften Vergangenheit. Aber von vorn.
Kopenhagen will bis 2025 die erste klimaneutrale Hauptstadt der Welt werden. Ein spannendes Ziel. Tatsächlich bestätigt mein erster Eindruck von der Stadt, dass Dänemark auf dem richtigen Weg ist: Die Metropole ist ausgesprochen grün, modern und digital. Ich folge auch als Reisender dem nachhaltigen Trend, wo ich kann. Das Verkehrsmittel für eine erste Sightseeing-Tour ist daher ein Fahrrad.
Vom Rückenwind der frischen Nordbrise angetrieben, entdecke ich das etwas andere, sehr sehenswerte Kopenhagen: Das Viertel Christiania wurde 1971 von rebellischen Hippies gegründet. Mittlerweile lebt hier eine autonome Gemeinschaft, die eher keinen Regeln folgt. Anarchie modern. Autofahren ist verboten. Wie gut, dass ich radelnd unterwegs bin. Schillernd bunt ist es hier. Ich hätte gern ein paar Schnappschüsse für Sie aufgenommen, doch das ist – Sie ahnen es – leider verboten.
Weitere Top-Spots der Metropole entdecke ich etwas gediegener vom Boot aus, auf der einstündigen Fahrt erlebe ich von der Wasserseite aus alle wichtigen Sehenswürdigkeiten. Das Viertel Nyhavn, das im 17. Jahrhundert von Kaufleuten gegründet wurde, erscheint mit seinen farbenfrohen Häusern auf der Backbordseite ebenso wie die berühmte Meerjungfrau und die Winterresidenz der dänischen Königsfamilie. Die Dänen lieben „ihre“ Queen.

Das Innendesign ist von dänischen Autoren und Künstlern wie Karen Blixen und Hans Christian Andersen inspiriert.
(Foto: Hotel d’Angleterre)
Nach einem bewegten Sightseeing checke ich in das Fünfsternehaus Hotel d'Angleterre ein, dem besten Hotel am Platz mitten in der City. Die Mitarbeiter sind liebevoll und authentisch. Genauso stelle ich mir die Anfänge des Hauses vor, seit jeher liegt eine besondere Herzlichkeit in der Luft: Mitte des 17. Jahrhunderts verliebten sich Jean Marchal, ein französischer Diener, und Maria Coppy, die Tochter des Küchenchefs der Königsfamilie. Die beiden heiraten in Kopenhagen, eröffnen ein Restaurant und verlegten dies später nach Kongens Nytorv (King’s New Square). Mit den ersten Gästezimmern legt das Paar den Grundstein für das heutige d’Angleterre, auch wenn das Haus erst seit 1787 den offiziellen Namen trägt.
Pompöser Bau und außergewöhnliche Gastfreundschaft
Leidenschaftlich ist auch die jüngere Geschichte des Hauses: 1993 erwirbt Henning Remmen das Hotel als Teil seiner gleichnamigen Hotelkette. Die winterliche Außenfassade wird zum Publikumsmagneten, da Remmens Frau, die Theaterrequisiteurin Else Marie, ein spektakuläres Winterensemble auf dem Balkon der Royal Suite inszeniert. 2007 verkauft das Paar das Hotel, drei Jahre später kauft die Remmen-Stiftung das Hotel erneut, um es als Denkmal der Grandhotellerie zu schützen, als Zeichen ihrer Liebe zu Kopenhagen und ihrer eigenen Verbindung.
Seit mehr als 260 Jahren sind nun Service, die Liebe zu den Gästen und Komfort die Markenzeichen der Grand „White Lady“. Ich fühle mich sofort heimisch in diesem Haus, und das nicht allein aufgrund der Top-Lage: Das königliche Theater, der Königsgarten und die Strøget, Europas längste Einkaufsstraße, sind zu Fuß in einer Minute erreichbar. Es kommt mir fast vor, als würde ich in der kleinen Schwester des besten Hotels Deutschlands, des Hamburger Fairmont Vier Jahreszeiten, einchecken. Der pompöse Bau und auch die außergewöhnliche Gastfreundschaft sind klare Parallelen der beiden Luxus-Hotels.
Jedes der 90 Zimmer ist sehr unterschiedlich. Ich wähle die d'Angleterre-Suite, die mit ihren 90 Quadratmetern ausgesprochen großzügig gestaltet ist. Das Innendesign ist von dänischen Autoren und Künstlern wie Karen Blixen und Hans Christian Andersen inspiriert. Alles ist sehr hell und edel, der Blick auf das Theater weckt meine Lust auf Kunst. Bevor ich mich wieder in den Trubel der Stadt stürze, nehme ich ein ausgiebiges Bad. Ich könnte mir die Nachrichten direkt aus der Wanne aus ansehen, auf dem installierten Bath-TV. Doch ich sauge die Eindrücke der Stadt lieber aus meinem eigenen Erleben auf.

Vom Hotel aus sind das königliche Theater, der Königsgarten und die Strøget, Europas längste Einkaufsstraße, zu Fuß in einer Minute erreichbar.
(Foto: Hotel d'Angleterre )
Das Luxushotel mit seiner langen Vergangenheit ist sehr aufgeschlossen. Internationale Gäste gehen ein und aus. Das Team setzt sich aus über 35 verschiedenen Nationen zusammen. Alle begegnen mir, als würden wir uns schon lange kennen. Mehr Service-Attitude und Herzlichkeit habe ich selten erlebt.
Vom düsteren Underdog zum angesagtesten Viertel Oslos: Hotel „The Thief“
Orte mit Tiefgang und einer Vergangenheit faszinieren mich. Insbesondere, wenn Vergangenheit und Gegenwart einer Location so kontrastreich sind, wie es beim Hotel „The Thief“ in Oslo der Fall ist. Als ich das Hotel betrete, begeistert mich die kunstvoll gestaltete Lobby. Mit ihren gedeckten Farben, dunklem Nebelgrau und warmen Goldtönen fühlt es sich fast an, als wäre ich auf einer alten Schatzinsel gelandet. Nun, das bin ich gewissermaßen auch. Das Designhotel liegt auf der Insel Tjuvholmen, was so viel bedeutet wie „Diebesinsel“. Im 18. Jahrhundert ankerten hier dunkle Gestalten, die ihre funkelnde Beute zählten.
„I was born to serve“ – diese Formulierung ist bei mir hängen geblieben, als ich mit Dominic Gorham, dem Guest-Relation-Manager des Hauses, sprach. Er war Rugbyspieler in England, überlegte sich, als Fußballspieler seinen Lebensunterhalt zu verdienen, versuchte es mit Musik und entdeckte dann schließlich in Paris seine Passion für das Gastgewerbe. Er eröffnete einige Clubs und Bars in der Stadt, bis der Unternehmer Petter Storedalen ihn für das Hotelprojekt begeistern konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Dominic noch nie etwas mit Hotels zu tun gehabt.

Zwischen dem Meer und dem Museum Astrup Fearny Museum of Modern Art hat das preisgekrönte Architekturbüro Mellbye ein wahres Meisterwerk geschaffen.
(Foto: The Thief)
Doch sein Ehrgeiz und seine Haltung waren genau die richtige Basis, dieses Projekt erfolgreich auf die Beine zu stellen. Das Gespräch findet übrigens beim Frühstück statt. Man sieht Gorham jeden Tag zur selben Uhrzeit hier. Für ihn ist das eine perfekte Möglichkeit, mit seinen Gästen zu interagieren, ihnen Fragen zu beantworten und vor allem eines: ihnen den perfekten Start in den Tag zu bescheren. So viel Herzlichkeit am Morgen, ganz ohne die Frage nach der Zimmernummer, ist schon fast utopisch.
Steifer, formeller Service gehört in dem Haus wie das Diebesgut der Insel der Vergangenheit an. Die Mitarbeiter des The Thief reagieren intelligent. Grundlage des Service-Konzeptes sind die beiden Säulen Aufmerksamkeit und Ortskenntnis. Egal, wen ich frage, ich werde immer kompetent beraten. Beim Check-in kann ich wählen, ob ich direkt mobil einchecke oder den Service eines persönlichen Check-in in Anspruch nehme. Ich freue mich auf Letzteres. Mein Schlüssel ist ein iPad, mit dem ich auch weitere Services ordern kann.
Von meinem Zimmer aus überblicke ich den atemberaubenden Osloer Fjord. Wem der Ausblick allein nicht reicht, kann sich das exklusive Package „Thief Riva Cruizin“ buchen und mit einem der beiden hoteleigenen Riva-Boote samt Kapitän den Fjord per Wasser erkunden. Nach einer rasanten Fahrt wärmen mich die Hausschuhe aus norwegischer Wolle und mein Bademantel der Modedesignerin Maggie Wonka. Wirklich jedes Detail wurde liebevoll durchdacht.
Unternehmer Petter Stordalen wirkt wie ein Richard Branson der Norweger, ließ sich von der dunklen Vergangenheit nicht beirren und begann vor 16 Jahren, erste Herbergen auf der Halbinsel zu bauen. Zur daraus entstandenen „Nordic Hotels & Resort Kette“ gehören mittlerweile mehr als 220 Hotels.

Das „The Thief“ ist das einzige ernstzunehmende Designhotel Norwegens.
(Foto: The Thief)
Das Hotel The Thief ist für mich der architektonische Höhepunkt der Insel. Zwischen Meer und dem Astrup Fearny Museum of Modern Art hat das preisgekrönte Architekturbüro Mellbye ein wahres Meisterwerk geschaffen. Ein urbanes, autarkes Kunstwerk, das zu Recht aktuell das einzige ernst zu nehmende Designhotel Norwegens ist. Das Innere gestaltete die renommierte Norwegerin Anemone Wille Vågeist mit viel Liebe zum Detail. Bei meinem Gang in mein Zimmer kommt es mir so vor, als würde ich durch eine Galerie flanieren. Die Werk von Andy Warhol, Jeff Koons oder Bryan Ferry im Hotel – echte, wohlgemerkt – zieren die Wände und sind künstlerischer Ausdruck der Verbindung zwischen Hotel und Museum.
Petter Stordalen ist privater Sponsor des Museums und hat durch die Kooperation eine der aufregendsten öffentlichen Galerien in einem Hotel installiert. Als Gast muss ich aufpassen, mich nicht in den Fängen des The Thief zu verlieren. Doch dieser Ort nimmt mir etwas: meine Gedanken an meine To-do-Liste, an den Alltag und die Hektik …
Fazit: Kopenhagen und Oslo sind auch eine zweite Reise wert
Die sympathisch-lockere und dabei professionelle Haltung der Dänen und Norweger begeistert mich. Es sind wie immer die Menschen und die Geschichten der beiden Häuser, die einen Aufenthalt zu einem echten Erlebnis machen. Das The Thief und das Hotel d’Angleterre zählen ab sofort zu meinen europäischen Lieblingsorten. Und wer weiß, vielleicht schaffen sie es im nächsten Jahr unter die Nachbarhotels der „101 Besten“.
Über den Autor: Als früherer Grandhotelier und Betreiber einer Reiseplattform ist Carsten K. Rath Globetrotter von Berufs wegen. Sämtliche Hotels, über die er für das Handelsblatt schreibt, bereist er auf eigene Rechnung. Rath ist Ideengeber des neuen Rankings „Die 101 besten Hotels Deutschlands“, zu dessen Partnern auch das Handelsblatt gehört.
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