Rath checkt ein: Kulinarik auf Sylt So schmeckt das Wattenmeer: Kulinarische Reise durch Sylt

Im Hotelrestaurant kommt auf den Teller, was saisonal verfügbar ist und auf oder an der Insel wächst.
(Foto: Söl'ring Hof)
Normalerweise lesen Sie in meiner Kolumne meine persönlichen Erfahrungen und Empfehlungen zu erstklassigen deutschen und internationalen Hotels. Heute nehme ich Sie mit auf eine kulinarische Reise und zeige Ihnen die besten Sylter Restaurants. In der Gastronomie liegen meine beruflichen Wurzeln, und nichts verrät mehr über einen Ort als die Gewürze, Gerüche und Geschmäcker der lokalen Küche. Die fein drapierten Kompositionen auf dem Teller erzählen mehr über die Haltung und Passion derer, die sie kreiert haben, als jeder Reiseführer es tun könnte.
Sylt bietet ein ganzes Meer an Restaurants, sodass ich für meine Wahl das Hornstein-Ranking zur Hilfe nehme, die für mich einzige Restaurant-Richtgröße. Dieser Guide erfasst seit 1981 die Spitzengastronomie und -Hotellerie Deutschlands, Österreichs, der Schweiz und Südtirols. Und ich werde fündig. Meine Sylter Restaurant-Tipps gehören allesamt zu erstklassigen Hotels, die ebenso zu den 101 besten Hotels Deutschlands zählen.
Übrigens: Damit Sie ab November 2021 nicht weiterhin zwei Guides wälzen müssen, kooperieren die 101 besten Hotels Deutschlands mit dem Hornstein-Ranking und präsentieren künftig die besten kulinarischen Adressen sowie die Top-Luxushotels in einer Publikation.
Söl’ring Hof Sylt: Gourmetküche direkt aus dem Wattenmeer, gewürzt mit Dünengewächsen
Eigentlich wollte der Spitzenkoch und Patron des Hauses, Johannes King, Glasbläser werden. Zum Glück hat das nicht geklappt und er verlegte seine berufliche Leidenschaft hinter den Herd. Seit 2004 wird das Restaurant im gleichnamigen Hotel jährlich mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet.
Ein Gang durch den hauseigenen Garten macht definitiv Appetit auf ein Menü am Meer. Für mein wenig geschultes Auge sehen die grünen Büschel zugegeben alle ähnlich aus. Der geschmackliche Vergleich der von Johannes ausgewählten Blätter belehrt mich jedoch eines Besseren. Ich stehe in einer regelrechten Kräuteroase – fette Henne, Knoblauchranken und Bronzefenchel. Alles da, was man für ein würziges Gericht benötigt.
Ich freue mich auf den Geschmack von Sylt, als ich auf mein Menü im Restaurant Söl’ring Hof warte. Auf den Teller kommt, was saisonal verfügbar ist und auf oder an der Insel wächst. Die Köche planen die Erntezeiten ihrer Zutaten akribisch, nur so findet das passende Aroma der Kräuter seinen Platz im Menü.
Die Sommerkarte übersetzt einen warmen Tag am Meer in köstlich leichte Gerichte. Zum Aperitif stimmen mich Huchels Alpha-Spargel aus der Region, verfeinert mit süßen Holunderblüten, Fichtensprossen und gebeiztem Kopfsalat, auf die weiteren Gänge ein. Nussig und buttrig zergeht der Spargel mit seiner feinen Textur auf meinem Gaumen. Die Huchels-Spargelsorte konzentriert ihr gesamtes Geschmackspotenzial auf vier Triebe und muss es nicht wie andere Sorten auf bis zu 16 verteilen. Die Intensität ist enorm. Die jungen Fichtensprossen bereichern das Gericht um eine herb-subtile Note.
An diesen ersten Snack – so nennt King seine Gerichtefolge – schließt sich ein Dreiklang an, der mich kulinarisch in die Salzwiesen und das Wattenmeer eintauchen lässt. Das feine Taschenkrebstatar bettet sich auf den Salzwiesengewächsen Dreizack, Salzmelde und Strandportulak. Mit jedem Bissen schmecke ich, wie die Wiesen des Wattenmeers von der See überflutet und mit dem Salz des Meeres angenehm mariniert werden. Der Dreizack erinnert meine Geschmacksknospen an Koriander.

In den Gerichten inszeniert jeweils ein besonderes Inselkraut den kulinarischen Spannungsbogen.
(Foto: Söl’ring Hof)
Die nächsten drei Snacks werden mir in einem Aufgang serviert. Sie zelebrieren die Aromen der Insel pur in drei Akten: Es folgt eine herzhafte Waffel aus braunen Sylter Algen, die sich auf meinem Teller zu einem knackig-krossen Chip formieren. Makrelen sind gerade im Sommer vor den Küsten angesiedelt und werden daher fangfrisch serviert. Leicht angeräuchert, aromatisiert mit dem Strandwermut von der Salzwiese treffen sie auf eine frische Quelleremulsion und junge Quellerspitzen.
Die Meeräsche, die vor allem im Rantumbecken heimisch ist, rundet gemeinsam mit frischen Nordseekrabben das Salzwiesentrio mit feiner Senfnote in einem gebackenem Senfkrapfen und Salzmiere ab. Auch der Küstensenf wächst direkt auf der Düne und schmeckt wie handelsüblicher mittelscharfer Senf. Nur deutlich intensiver und besser.
Auch in den weiteren Gerichten inszeniert jeweils ein besonderes Inselkraut den kulinarischen Spannungsbogen. Der Gartenschnittlauch heizt der Forelle aus dem nächsten Snack so richtig ein. Er ist so scharf, dass er zu einem milden Flan reduziert werden muss. Aus den Süßwasserfischen wie Saibling und Forelle entsteht eine geräucherte Bouillon. Das herzhaft-fleischige Highlight, bevor es dann mit frisch gebackenem Brot und selbstgemachter Butter zu den Degustationsmenüs übergeht. Das Brot wird zweimal am Abend frisch direkt aus dem Ofen noch heiß dampfend serviert. Die Butter nimmt es geschmacklich definitiv mit jeder französischen Rohmilchbutter auf.
Nach diesen ersten Snacks habe ich bereits das Gefühl, sämtliche Inselnuancen einmal gekostet zu haben. Doch das folgende Degustationsmenü verleiht diesen Geschmäckern noch weiteren Tiefgang. Die Menüs unterscheiden sich saisonal, sind aber vom Grundtenor ähnlich aufgebaut. Sie bestehen aus einem vegetarischen Gang, mehreren Fisch- und Krustentierkompositionen, einem Pre-Dessert und dem krönenden End-Dessert. Näher können Sie dem Geschmack der Insel nicht kommen!
Kulinarische Finesse to take finde ich im Kings Genuss-Shop in Keitum. Wäre ich ein ambitionierter Hauskoch, so könnte ich mich hier mit Aromen und wichtigen Küchenutensilien eindecken. Doch ich komme lieber wieder und lasse mich bekochen. Ich vermisse eine Dependance auf dem Festland und wünsche mir mehr Mut bei der Verbreitung der Produkte. Mittelmäßige Konsummarken wie das Sansibar kommen einfach nicht an den Stil ran.
Tipken’s: Shared Dining

Im Tipken’s überrascht das Konzept des „Shared Dining“.
(Foto: Tipken’s)
Ein frischer kulinarischer Wind weht auch am anderen Ende der Insel in Keitum. Das Tipken’s ist eines der beiden Restaurants, die die Gäste des Severins Hotel & Spa mit Köstlichkeiten verwöhnen. Wenn ich auf Sylt bin, dann übernachte ich auch immer ein paar Nächte im Severins, dem besten Sylter Hotel, künftig werde ich sicher auch öfter dort speisen.
Kulinarisch entdeckte ich das Tipken’s erst vor Kurzem. Das Konzept des „Shared Dining“ überrascht mich. Ich probiere sehr gern von anderen Tellern, kenne diese Tischkultur aber eher aus dem mediterranen Raum beim geselligen Tapasessen.
Ich lasse mich nun auf das Konzept im rauen Norden ein – und werde positiv überrascht. Küchenchef Norman Eller versteht sein Handwerk und stimmt die Gänge perfekt aufeinander ab. Herb-salzige Nuancen gehen in ein frisch-kräftiges Aroma über und werden von einem süßen Dessert gekrönt. Zwei- bis Vier-Gänge-Menüs kommen also zusammen mitten auf den Tisch.
Als Einstimmung gibt es zu jedem Gericht das salzig-fischige Trio von Tatar, Makrelen und Thunfisch. Der nächste Gang überrascht meinen Gaumen: Ich teile mir die gebratenen Jakobsmuscheln, die in Kokos geschwenkt und auf einem Auberginen-Cashew zu einem angenehm bitter-nussigen Arrangement gebettet sind. Mein Favorit ist das gegrillte Flat-Iron-Steak, abgelöscht mit herbem Whiskey mit Gremolata und Karotten. Die Krönung des Menüs ist ein selbstgebackener Brownie mit Macadamia, Lavendel und Kirschen. So schmeckt definitiv der Sylter Sommer, 500 Gramm schwer.
Das Bodendorf’s: Friesisch herb, friesisch herzlich
Kennen Sie den „Edlen Friesen“? Sicher gibt es auch menschliche edle Friesen, doch ich meine hier eine köstliche Harmonie aus Flocken, dunkler Kuvertüre, Haselnussgrieß, Mascarponeschaum, Prosecco, Butter und vielen weiteren kleinen Zutaten. Die süße Delikatesse stammt vom Sylter Sternekoch Holger Bodendorf und ist eines der Aushängeschilder des gleichnamigen Restaurants Bodendorf’s. Holger Bodendorf ist Chef des Hotels Landhaus Stricker, das immer eine Übernachtung wert ist. Er betreibt das dazugehörige Gourmetrestaurant Bodendorf’s und das Siebzehn84 mit regionalen Gerichten und einer tollen Bar für einen Aperitif.
Auch Bodendorf kocht seine Gerichte mit regionalen Produkten, fein abgeschmeckt mit deftigen Gewürzen und eigenen Kompositionen. Einen Michelin Stern und 18 Gault-Millau-Punkte erkocht er sich seit Langem. Nachdem ich selbst in den Genuss seiner Cuisine gekommen bin, bin ich mir sicher, dass noch einige Auszeichnungen folgen werden. Das Limousin-Lamm auf geschmorter Karotte mit Pfifferlingen & Ras el Hanout ist wunderbar würzig und doch so zart wie ein Sylter Frühlingsmorgen. Der geschmorte Weinberg-Pfirsich mit Champagnermousse, Salzkaramell und rotem Shiso birgt eindeutig Suchtgefahr.
Wer lieber in der heimischen Küche auf der Insel speisen möchte, der kann sich den Geschmack des „Landhaus Strickers“ nach Hause oder in die Ferienwohnung holen. Genuss to go nennt Bodendorf dieses kreative Konzept, bei dem das Team Feierlichkeiten und kulinarisch unvergessene Stunden direkt bei den Gästen zu Hause ausrichtet, großartiger Service inklusive.
Hotel Budersand Golf & Spa: Internationale Gourmetküche am Golfplatz
Mein letzter kulinarischer Sylt-Tipp trifft direkt ins Grüne und bereitet meinen Gaumen gleichzeitig wieder auf das Festland vor: Das Hotel Budersand Golf & Spa ist Lieblingsort ambitionierter Golfer und Erholungssuchender und kann durchaus mit den anderen Restaurants hinter dem Herd mithalten.
Im KAI3 zaubert Küchenchef Felix Gabel mit seinem Team „Nordic Fusion“ auf die Teller seiner Gäste. Herzstück der Küche sind Produkte aus Sylt, Norddeutschland und Skandinavien. Einen Michelin Stern und 16 Gault-Millau-Punkte brachte die Aromareise durch Nordeuropa bereits.

Seit Sommer 2008 ist die Golfanlage des Budersand in Betrieb, seit 2009 kann man den Aufenthalt in einem der 55 Zimmer und 22 Suiten genießen.
(Foto: Stefan von Stengel)
Dabei bedienen sich die Gerichte auch heimlich der Nuancen südlicherer Gefilde. Ich finde diese geschmackliche Erweiterung beispielsweise mit der Amalfi-Zitrone und dem indischen Gulab Jamun durchaus gelungen. Auch das Studieren der Karte bereitet Freude mit den eher ungewöhnlich humoristischen Namen nach dem Motto „English forever“ wie „The yellow from the egg“ und „Das lachende Ende“.
Fazit: Haute Cuisine verleiht dem Sylter Urlaub die richtige Würze
Das Restaurantangebot auf der Insel ist groß. Wer seinen Gaumen mit auf Reisen nehmen möchte, der diniert abseits der klassischen Touristenpfade und probiert neben dem obligatorischen Fischbrötchen direkt vom Fischkutter in den Sternerestaurants. Ich bin mir sicher, dass die Insel-Sterne auch in Zukunft noch weiter zunehmen werden. Die am Firmament vielleicht auch.
Über den Autor: Als früherer Grandhotelier und Betreiber einer Reiseplattform ist Carsten K. Rath Globetrotter von Berufs wegen. Sämtliche Hotels, über die er für das Handelsblatt schreibt, bereist er auf eigene Rechnung. Rath ist Ideengeber des neuen Rankings „Die 101 besten Hotels Deutschlands“, zu dessen Partnern auch das Handelsblatt gehört.
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