Spitzengastronomie Warum Asiens Top-Restaurant seine Türen schließt

Der Spitzenkoch schließt sein Gourmet-Restaurant in Bangkok.
Bangkok Fast zehn Jahre lang hat er hier gezaubert, in einem renovierten Kolonialstilhaus in einer ruhigen Seitenstraße mitten im Bangkoker Stadtzentrum: Seinen Gästen servierte Gaggan Anand Gerichte wie Hühnerleberpastete mit Banane, Hokkaido-Jakobsmuscheln mit Curry-Eiscreme und Seebarsch mit bengalischem Senf.
25 Gänge umfasste sein überwältigendes Probiermenü. Ein Feuerwerk aus indischen, japanischen, thailändischen und tibetanischen Einflüssen, das er jeden Abend binnen zwei Stunden abfeuerte und damit zum Superstar in Asiens Gastronomieszene wurde: zwei Michelin-Sterne, vier Jahre in Folge auf Platz eins im Ranking „Asia's 50 Best Restaurants“ – und in diesem Jahr der viertbeste Gastronomiebetrieb der Welt, wenn es nach dem britischen Fachmagazin „Restaurant“ geht.
Doch obwohl sich das nach dem Chefkoch benannte „Gaggan“ kaum vor Gästen retten konnte – die umgerechnet 235 Euro teuren Menüs waren zuletzt Monate im Voraus ausgebucht – ist das Erfolgsrestaurant nun Geschichte. Am Samstagabend tischte das Personal in der thailändischen Hauptstadt zum letzten Mal die Kreationen des Mannes auf, der in der Fachwelt als bester indischer Koch seiner Generation gilt.
Bei seinen Fans, für die die Schließung des Lokals überraschend kam, bat der 41 Jahre alte Küchenchef um Entschuldigung: „Ich bin müde, ich lache, ich weine“, schrieb er vor wenigen Tagen auf seiner Instagram-Seite und fügte hinzu: „Ich bin nur ein Mensch.“
Grund für das abrupte Ende des „Gaggans“ sind nach Angaben des Gründers Streitigkeiten mit seinen Geschäftspartnern. Anand hielt zuletzt 25 Prozent der Anteile an dem Restaurant und war mit seiner unternehmerischen Rolle als Minderheitsgesellschafter offenbar nicht mehr zufrieden. „Ich wollte mehr Anteile und mehr Kontrolle haben“, sagte er in einem Interview. „Aber die Geschäftspartner haben abgelehnt.“
Vor zwei Monaten reichte Anand deshalb seine Kündigung als Koch ein. An diesem Wochenende endete seine Kündigungsfrist und damit ging auch in seiner Sterneküche das Licht aus.

Hier bewies Gaggan Anand, dass moderne indische Küche nicht nur aus Currys und Naan besteht.
Anands Fans reagierten geschockt. Für viele Gourmets aus aller Welt war eine der begehrten Reservierungen bei „Gaggan“ bereits Grund genug, um eine lange Reise nach Bangkok anzutreten. Auf der Instragram-Seite des Kochs äußerten sie sich bestürzt.
„Worte können meine Enttäuschung nicht ausdrücken“, schrieb eine Frau aus Hongkong, die für ein Abendessen in einem Monat reserviert hatte. „Wir haben uns so lange darauf gefreut. Wir machen die Reise nach Bangkok nur wegen Ihres Restaurants.“
Andere Gäste beklagten, dass sie Vorauszahlungen, die bei der Reservierung nötig sind, nicht zurückerstattet bekamen. „Einige meiner Kunden sind sehr verärgert“, fasste Anand zusammen. „Ich wünschte, es würde mir besser gelingen, meine Kunden glücklich zu machen.“
Wer die Kochkunst im „Gaggan“ verpasst hat, soll aber schon bald eine neue Chance bekommen, in den Genuss von Anands Arbeit zu kommen. Der ursprünglich aus Kalkutta stammende Sternekoch plant, in Bangkok in Kürze ein neues Restaurant zu eröffnen – ohne seine alten Geschäftspartner. Eigentümer sollen dieses Mal nur er und seine Tochter sein. „Mein nächstes Unternehmen wird von Liebe und purer Leidenschaft angetrieben sein“, verspricht Anand.
Jeden Abend soll für 40 Gäste Platz sein. Den kommerziellen Druck will der Koch offenbar reduzieren. „Gäste müssen nicht mehr verfrüht ihren Tisch aufgeben“, schreibt er. Bei „Gaggan“ mussten Gäste mit Reservierung für 18 Uhr ihren Platz rechtzeitig für die Kunden räumen, die für 21 Uhr gebucht hatten.
Das Verlangen nach möglichst großer Freiheit in seiner Arbeit zieht sich durch Gaggans Biografie. Sein Handwerk lernte er als junger Mann in einer Gastronomieschule im südindischen Bundesstaat Kerala. Nach seinem Abschluss bekam er einen Job in der renommierten Luxushotelgruppe Taj, die zum Tata-Konzern gehört.
Zusammenarbeit mit Ferran Adrià
Doch was er anfangs als Traumjob ansah, stellte sich für ihn bald als das Gegenteil heraus: „Die Realität als Koch und wie ich kochen wollte, waren zwei unterschiedliche Welten“, sagte er in einer Folge der Netflix-Dokumentation „Chef's Table“, die ihn einem größerem Publikum bekannt machte. Anand suchte sich die Freiheit in der Selbstständigkeit und gründete ein Catering-Unternehmen mit einem Geschäftspartner. Doch auch diese Partnerschaft scheiterte. „Es war ein Desaster“, erinnert sich Anand.
In Spanien bekam er dann die Chance für einen Neustart. Als erster Koch indischer Abstammung arbeitete er mit dem Spitzengastronomen Ferran Adrià in dem preisgekrönten Restaurant elBulli zusammen. Anand fand hier seine Leidenschaft für die sogenannte Molekularküche – ein Kochansatz, der auch seine Arbeit im „Gaggan“ prägte.
Nach dem Einsatz in Spanien kehrte Anand zurück nach Asien, in seine neue Wahlheimat Bangkok. Dort fand er aber kein Restaurant, bei dem er seine experimentierfreudige Küche nach eigenen Vorstellungen umsetzen konnte. Sein eigenes Restaurant „Gaggan“ sollte der Ausweg sein und ihm die gewünschte künstlerische Freiheit bieten. Seinen Gästen wollte er dort beweisen, dass moderne indische Küche nicht nur aus Currys und Naan besteht.
Dass „Gaggan“ kein Lebenswerk werden sollte, war dem Koch, der sich selbst als Rebell bezeichnet, aber schon länger klar. Lange bevor sich der Streit mit seinen Mitgesellschaftern öffentlich abzeichnete, sagte er in einem Interview: „Jedes Restaurant hat ein Zehn-Jahres-Leben. Danach wird es zu einer Marke.“
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