Studium Kann man mit Vorlesungsnotizen Geld verdienen?
Dieser Artikel ist am 23. April 2019 bei Orange - dem jungen Portal des Handelsblatts - erschienen.
„Denke einmal darüber nach, du könntest sogar deinen langweiligen Nebenjob an den Nagel hängen!“ So wirbt das Portal Stuvia für ein Angebot, das verlockend klingt: Vorlesungsmitschriften verkaufen, die man für die eigene Klausur angelegt hat – und damit Geld verdienen.
Nick hat Stuvia entdeckt, als er sich für eine Prüfung vorbereitete und nach Zusammenfassungen und Übungsaufgaben suchte. Vor anderthalb Jahren hat er dann zum ersten Mal eigene Unterlagen hochgeladen – und seitdem 500 Euro damit eingenommen. Ich will wissen: Wie geht das? Und kann ich das auch?
Studium-Mitschriften verkaufen: Lohnt sich das?
Zahlreiche Firmen versprechen Studenten, dass sie deren Notizen in Geld verwandeln. Spitzenreiter auf dem Markt sind die Anbieter Stuvia, Studocu und Unidog. Ich persönlich bin an der Uni bekannt dafür, ganze Wälder für meine Notizen abzuholzen und dass mein Kugelschreiber beim Mitschreiben fast Feuer fängt.
Arbeit, die ich sowieso machen würde, in Bargeld umwandeln: Auf den ersten Blick klingt die Idee genial. Ich schaue mir genau an, wie das System auf den Webportalen Stuvia und Unidog funktioniert.
Zuerst Stuvia. 2010 geht die Plattform online. Ihre Gründer sind damals selbst noch Studenten. Das Prinzip ist denkbar simpel. Man lädt Uni-Notizen hoch, macht einige Angaben dazu, legt den Preis fest und – Abrakadabra – verdient Geld damit.
Jedes Mal, wenn ein anderer Student dein Dokument kauft, wird Geld auf deinen Stuvia-Account eingezahlt. Sobald es mehr als zehn Euro sind, überweist Stuvia es dir auf dein Bankkonto. Allerdings musst du dem Anbieter einen großen Teil der Einnahmen abgeben. Bei drei Euro Verkaufspreis bekommst du selbst zum Beispiel nur noch 1,27 Euro für deine Unterlagen.
Hochladen kannst du unter anderem Vorlesungsmitschriften, Zusammenfassungen und Präsentationen. Preislich liegen die Angebote häufig im unteren Bereich. Gerade wenig umfangreiche Dokumente wie die Mitschrift einer einzigen Vorlesung bekommt man schon für 2,50 Euro.
Nach einem ersten Check des Angebots schätze ich, dass die meisten Downloads für unter zehn Euro zu haben sind, viele sogar für unter fünf Euro. Je mehr die Dokumente leisten, desto mehr verlangen die Uploader aber natürlich auch dafür. Ganze Abschlussarbeiten können auch schon einmal 30 Euro kosten.
Bei Unidog ist das System etwas anders. Man lädt auch hier seine Dokumente online hoch – was allerdings nur im PDF-Format funktioniert – und beschreibt den Inhalt. Den Preis aber legt man nicht selbst fest, sondern das macht Unidog.
Auf Basis verschiedener Kriterien hat das Portal unterschiedliche Preiskategorien eingeführt. Darin heißt es dann unter anderem, dass die Mitschrift einer einzelnen Vorlesungssitzung einen Euro ergibt, eine komplette Semestermitschrift fünf Euro und eine Abschlussarbeit 25 Euro.
Unidog-Erfahrung: 50 Prozent der Einnahmen bleiben bei der Plattform
Auch hier darf der Uploader nicht den kompletten Betrag behalten. Ihm bleiben am Ende noch 50 Prozent vom Nettoverkaufspreis. Konkret bedeutet das:
- Eine Zusammenfassung, die für 3,00 Euro verkauft wird,
- kostet abzüglich der Umsatzsteuer von 19 Prozent exakt 2,52 Euro netto und
- bringt dem Uploader noch 1,26 Euro – ungefähr so viel wie bei Stuvia.
Allerdings gibt es bei Unidog zusätzlich noch eine Tauschfunktion. Lädst du ein Dokument hoch, bekommst du einen Gutschein in Höhe des Verkaufspreises. Damit kannst du dir dann ein anderes Dokument, das genauso viel kostet, ohne Extrakosten herunterladen.
Ein Punkt, der auf beiden Portalen gleich ist: Hochladen heißt nicht sofort Verdienen. Nick, der selbst mehrere Hundert Euro über Stuvia gemacht hat, verrät seine Tricks.
Die wichtigste Regel lautet natürlich: Je mehr Personen die Unterlagen benötigen, desto mehr Geld kann man damit verdienen. Nicks Verkaufsschlager sind seine Karteikarten für „Management Basics“. Die sind zum Beispiel deutschlandweit für mehr als 40.000 Studentinnen relevant, die wie Nick den Bachelor in „Business Administration“ machen. Denn das Fach ist an allen Standorten seiner Hochschule FOM einheitlich gestaltet.
Der nächste Tipp von Nick: eine große Reichweite schaffen. „Die wird gerade auf Webportalen wie Stuvia durch aussagekräftige Tags und ausführliche Beschreibungen der Unterlagen erreicht. Meine Karteikarten sind relativ schnell über Suchmaschinen auffindbar“, erklärt Nick.
Auch die beiden Portale selbst geben Tipps, wie man den Verkauf steigern kann. Stuvia rät beispielsweise, in studiennahen Facebook-Gruppen Reklame für die eigenen Notizen zu machen. Unidog gibt den Tipp, die URL an die Tafel zu schreiben oder Werbung ans Schwarze Brett der Uni zu heften.
Mit Mitschriften Geld verdienen bei Stuvia und Unidog: Ist das legal?
Als ich zum ersten Mal von den Portalen gehört habe, fragte ich mich: Ist das überhaupt legal? Der Dozent gibt sich ja schließlich viel Mühe mit seiner Vorlesung, denkt sich Beispiele und Übungsaufgaben aus. Ist der Inhalt der Vorlesung dann nicht urheberrechtlich geschützt?
Das müsse man differenziert sehen, erklärt Sebastian Dramburg. Er ist Rechtsanwalt in Berlin und auf Urheberrecht spezialisiert. Im Prinzip sei es so:
„Solange ich keine Inhalte des Dozenten eins zu eins übernehme, bin ich urheberrechtlich gesehen auf der sicheren Seite. Wichtig ist, dass man die Gedanken mit eigenen Worten zusammenfasst und selbst schildert, was Gegenstand der Vorlesung ist.“
Ganze Zitate oder Skripte des Professors ohne dessen Erlaubnis online stellen und als die eigenen verkaufen geht also nicht.
Um Plagiate zu vermeiden, gibt es bei Unidog eine sogenannte Mitschreiberlizenz, die du dir auf der Webseite herunterladen kannst. Darin unterschreibt dann dein Dozent und erklärt sich so mit dem Upload von Material einverstanden, in dem er wortwörtlich zitiert wird.
Ob es sich lohnt mit den Notizenbörsen im Internet, ist von verschiedenen Faktoren abhängig:
- Deine Materialien müssen für möglichst viele Studenten potenziell nützlich sein.
- Du musst aktiv Werbung für deine Unterlagen machen.
- Deine Notizen sollten so geschrieben sein, dass auch diejenigen gut damit lernen können, die nicht in der Vorlesung saßen. Das gilt auch für deine Handschrift.
- Achte darauf, dass du nicht gegen das Urheberrecht verstößt.
Bei mir persönlich scheitert das lukrative Notizengeschäft zum Beispiel bereits an meinem kleinen Journalistik-Studienjahrgang, in dem nur knapp 60 Leute sitzen. Ich habe außerdem einen sehr eigenen Stil im Zusammenfassen, weshalb es mir zu umständlich wäre, meine Notizen für andere mitzuformulieren.
Wenn du tatsächlich ins Geschäft mit den Vorlesungsnotizen einsteigst und dich an alle obigen Punkte hältst, heißt das noch lange nicht, dass du im Jahr mehrere Tausend Euro damit verdienen wirst. Auch für Nick ist es eher ein netter Nebenjob: „Leben werde ich davon natürlich nicht können, aber ein paar Euro nebenbei mit Inhalten zu verdienen, die ja sowieso im Zuge des Studiums angefertigt werden, halte ich für sinnvoll“, sagt er.
Erfahrungen mit Stuvia: eignet sich als solider Nebenverdienst
Für mich habe ich zwar herausgefunden, dass sich der Notizenverkauf nicht lohnt, aber ich habe das Ganze auch mal von der anderen Seite durchgespielt. Wenn ich schon keine Notizen hochlade, würde ich mir denn welche herunterladen? Wahrscheinlich eher nicht.
Das liegt vor allem daran, dass ich es zeitlich meistens schaffe, alle Vorlesungen und Seminare zu besuchen. Sollte ich doch einmal fehlen, orientiere ich mich an den Präsentationsfolien, die der Professor online stellt, oder bitte eine Freundin darum, mir ihre Mitschrift zu schicken.
Jeder Student befindet sich aber in einer anderen Situation und in einigen Fällen lohnt es sich mit Sicherheit, von Stuvia, Unidog und Studocu Gebrauch zu machen. Wenn du zum Beispiel zu einer ganzen Vorlesungsreihe nicht erscheinen kannst, weil du krank bist, arbeitest oder ein Kind betreust. Auch bei Veranstaltungen, in denen man mit den Kommilitonen nicht so gut vernetzt ist, können die Notizenportale hilfreich sein, um am Ende die Klausur zu bestehen.
Mein Fazit: Notizenbörsen können sich durchaus als solider Nebenverdienst eignen. Auch der Download von Mitschriften oder Zusammenfassungen kann sich lohnen. Beide Faktoren sind allerdings von der individuellen Situation abhängig und eine pauschale Empfehlung deshalb nicht möglich.
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