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„Tour de Gourmet Jeunesse“ Wo junge Feinschmecker ihren Genusshorizont erweitern

Passion, Sorgfalt, Liebe zum Produkt: Auf einem kulinarischen Road Trip in Schleswig-Holstein lernen 18- bis 35-Jährige ganz lässig Lust auf gutes Essen.
08.02.2020 - 08:59 Uhr Kommentieren
Die rustikal-charmante Gutsküche des Guts Wulksfelde in Tangstedt mit einsehbarer Küche. (Foto: Susanne Plaß)
Junges Publikum

Die rustikal-charmante Gutsküche des Guts Wulksfelde in Tangstedt mit einsehbarer Küche.

(Foto: Susanne Plaß)

Ahrensburg Das Gehirn, diese Genussmaschine, es will trainiert werden. Übt Geschmacksbildung, raunt es den Sinnesorganen zu: probiert, definiert, zelebriert, zensiert. Wer übt, genießt auch intensiver. Gute Gelegenheiten hierfür gibt es natürlich genug. Aber nur eine, die in Form eines sinnesfrohen Road Trips „junge Gaumen only“ adressiert.

Auf der Tour de Gourmet Jeunesse geht´s kreuz und quer durch Schleswig-Holstein. Seit 13 Jahren, immer Mitte Januar, immer an einem Sonnabend, lernen rund 40 vorfreudige Entdecker im Alter zwischen 18 und 35 drei gastronomische Oasen kennen. Die Restaurants wechseln jährlich und liegen idealerweise in einem Radius von etwa 60 Kilometern, damit es zeitlich passt mit all den Vorspeisen, Zwischen- und Hauptgängen, der Dessertparty und dem Drumherum.

Den Norden schmecken, ist die Idee; erleben, was das in vieler Hinsicht reiche Land zwischen Nord- und Ostsee kulinarisch so bietet. Und das mitten im Winter. Dies ist für die Region jetzt nicht mehr wirklich mutig, seit das Schleswig-Holstein Gourmet Festival (SHGF) im heuer 33. Jahr und jeweils von September bis März ein fester Termin für Kulinarier wie dekorierte Kochkünstler ist.

Was als Marketingmaßnahme mal den Tourismus in der schwachen Saison ankurbeln sollte, ist zu einem Ereignis geworden, das die Nachfrage nach frischen heimischen Lebensmitteln und damit die saisonalen Anbau- und Produktionsgewohnheiten verändert hat.

Die Tagestour für den Nachwuchs ist eine der Weiterentwicklungen des SHGF. Und für die Organisatoren, die Kooperation Gastliches Wikingland e.V., ein weiteres wunderbares Beispiel dafür, wie sich bodenständige und meist nachhaltig erwirtschaftete Erzeugnisse mit einer schöpferischen Küche verbinden lassen.

Es muss gar nicht viel Feuerwerk und Tamtam sein. Es geht ums Pure, Authentische. Herr Stockmann hat mir mit großer Passion von der Petersilienwurzel erzählt, das war wunderschön. Alena Plaß, zum 3. Mal dabei

Auch so kann man Neugier wecken und für Verantwortungsbewusstsein werben. Das Wichtigste an dem Tag ist allerdings: Rundum schön soll er sein, bei gutem und gemeinsamem Essen in lässigen Atmosphären fröhlich stimmen, den Horizont erweitern – auch für Tischkultur – und das Netzwerk gleich mit.

Die Lust darauf ist groß, die Eltern sind gegebenenfalls großzügig. Schenken Karten, mindestens zwei und nicht zum ersten Mal. Der Gastronomensohn zum Beispiel, zum elften Mal dabei, bringt sechs Freunde mit. Die frisch gebackene Uniabsolventin reist mit dem Liebsten an. Ein Paar wiederum hat sich die Karten gegenseitig unter den Weihnachtsbaum gelegt. Eine Schweizerin trifft ihre norddeutschen Freundinnen. Und in Zeiten des Fachkräftemangels streckt eine potenzielle neue Mitarbeiterin die Fühler aus.

Eine bunte Gesellschaft ist das, aus Hamburg und Umgebung, aus Bremen, dem Münsterland, Heidelberg, Österreich und Zürich, die sich da einmal im Jahr durch die holsteinische Landschaft chauffieren lässt; bis vor drei Jahren in gesponserten Limousinen, nun im Reisebus. Doch gemach, aller Anfang ist der Champagner-Empfang.

Zur Begrüßung bestrahlt die Wintersonne das weiße Wasserschloss aus dem 16. Jahrhundert. Rechter Hand, im Park Hotel Ahrensburg, hat Küchenchef Christian Stockmann mit seinem Team in der offenen Küche alles vorbereitet, um die Gesichter von 42 jungen Gleichgesinnten an diesem 11. Januar zum Leuchten zu bringen. Holsteiner Ziegenkäse, Saiblingskaviar, Rindertartar: Zur besten Mittagszeit wird mit Fingerfood gestartet.

Dazu herzliche Worte der Gastgeber, Champagner, ein 2018er Riesling aus dem Rheingau, Wasser aus dem Lahntal, die noch unvermeidliche Cola, Saft – Auftakt gelungen. Der Schmelz der Speisen löst die übliche Anfangsspannung. An perfekt weiß eingedeckten Tischen und Stehtischen beginnt das Plaudern, Fachsimpeln, Kennenlernen. Es wird nachgereicht und ausgeschenkt, Fragen zur Zubereitung sind ausdrücklich gewünscht.

Die erreichen den Chefkoch zuhauf, besonders zum ersten Gang: Wildente mit Moosbeere, Quitte, Petersilienwurzel. „Das Fleisch ist außergewöhnlich – nicht zu vergleichen mit konventionellem Federvieh“, findet Philipp Weber, der die Tour zum zweiten Mal mitmacht.

„Wir haben 20 Wildenten aus dem Kreis Stormarn verarbeitet und die Innereien in Blätterteigröllchen verpackt“, sagt Christian Stockmann, vor zwei Jahren aus dem 30 Kilometer entfernten Hamburger Grandhotel Atlantic gekommen, um seine „durch und durch grüne Seele“ zu leben.

Den ersten Gang kreierte Küchenchef Christian Stockmann im Park Hotel Ahrensburg. (Foto: Susanne Plaß)
Wildente mit Moosbeere, Quitte, Petersilienwurzel

Den ersten Gang kreierte Küchenchef Christian Stockmann im Park Hotel Ahrensburg.

(Foto: Susanne Plaß)

Die Jungköche lassen sich gern sensibilisieren, ebenso wie jetzt die jungen Feinschmecker; sie nehmen die Unterschiede wahr, sind begeistert: von Quitten, die mehrere Stunden in Salzwasser gelegen haben; von der leichten Marzipannote des gebratenen Honigkuchens – jener vegetarischen Variante zur Ente, die fast wie Taube schmeckt. Derart inspiriert geht´s nach einer Stunde weiter, vorbei an gepflegten Rotklinkerdörfern und typischen Gutsanlagen zum Zwischen- und
Hauptgang.

Die Küchenwelt des Ehepaars Gfrörer ist konsequent. Es kommt auf die Teller, was Felder, Wiesen, Äcker, Flüsse und das Meer je nach Saison gerade in Topqualität hergeben. In der mehrfach ausgezeichneten, rustikal-charmanten Gutsküche des Guts Wulksfelde in Tangstedt kann jeder an der prominent positionierten Schiefertafel über der einsehbaren Küche lesen, was Herzenssache ist: Authentizität. Ökologie. Transparenz. Gewürzt mit Liebe zum Handwerk und Expertenwissen.

Simone und Dustin Heuer, beide 30, finden das Konzept so spannend, dass sie vergangenen Sommer ihre Hochzeit hier gefeiert und den Freunden diesen Tag zu deren Heirat geschenkt haben. „Wir vier teilen eine Leidenschaft, wir kochen und essen sehr gern, kaufen auf dem Wochenmarkt ein und achten auf Bio und Nachhaltigkeit“, erzählt Sebastian Förch bei Knollen-Ziest, einer Artischockenart, und Winterspargel beziehungsweise Schwarzwurzeln, geschrubbt, nicht geschält – zum Schutz der Wurzeln wie der Hände – beides würde sich sofort braun verfärben – und um die zarten Bitternoten zu erhalten.

Von der Philosophie her passt die Gutsküche total zu uns: Altes Wissen und moderne Zubereitungen – und keine Avocado. Anna-Lena Jessen, zum 1. Mal dabei

„Damit die hervorkommen, wurden die Wurzeln lediglich angeröstet und mit Parmesan verfeinert“, erläutert Matthias Gfrörer. Und um Wildsalat ergänzt. Dazu schenkt Rebecca Gfrörer einen aromenreichen 2016 Pinot Blanc aus dem Elsass in die Gläser. Ihr Mann meint zwar in erster Linie seine Crew und seine Kinder, wenn er sagt: „Appetitbildung, Geschmacksprägung und -kultur – das kann ich, das können sie bei mir lernen.“

Doch auch die profitieren, für die dieser Ort längst genussintensives Heimatjuwel ist. Oder vielleicht gerade wird, beim kraftvollen Hauptgang mit Winter-Ferkel, Grünkohl wie Spinat gegart, Haselnuss-Schupfnudeln. Serviert wird das Ganze nach einer kleinen Führung über die ausgedehnte Hofanlage, deren Betrieb geprägt ist von der Landschaft, die sie umgibt: ein 1060 Hektar großes Naturschutzgebiet und die Flusslandschaft Oberes Alstertal. Gegen 15 Uhr wird es Zeit zum Aufbruch, die Gästeschar erwartet ein Dessert-Erlebnis.

Craft Beer zu Edelschokolade und schwerem Eis

Man sieht Moritz Meyer den Spaß an, den er an der Zubereitung des ersten Teils eines opulenten Finales hatte: Insgesamt 14 Elemente aus ganz viel französischer Edelschokolade, aus Buttermilch (Parfait, Gel, Schnee), Grieß, Fliederbeereis. „Ein Craft Beer aus Kiel, ein fruchtiges Pale Ale, leicht süßlich, malzig, passt prima dazu. Wir haben deshalb auf Wein verzichtet“, erwähnt Patrick Wulf noch, der Direktor des Friederikenhofs.

Das Fachwerkrefugium von 1867 versteckt sich in einem Park mit altem Baumbestand – knapp zehn Kilometer von der historischen Altstadt Lübecks entfernt. Heute beherbergt die ehemalige Hofanlage ein Hotel und Restaurant. Seit 15 Jahren arbeiten Dirk Werner und Moritz Meyer hier Hand in Hand, der 37-jährige Maître de Cuisine und sein etwas jüngerer Sous Chef, Sohn des ehemaligen Inhaberpaars. Die beiden stehen für ländlich-ehrliche Küche mit Produkten, die zu mehr als 60 Prozent aus der Gegend kommen.

Das Gutsküchen-Team bei der Arbeit. (Foto: Susanne Plaß)
Vorbereitung

Das Gutsküchen-Team bei der Arbeit.

(Foto: Susanne Plaß)

Mmmhhh. Jenes Summen an die Freude erklingt mal hier, mal dort – und setzt sich fort beim Finale Teil 2, eine Eis-Verkostung mit zehn melonenkugelkleinen Farbtupfern auf weißem Porzellan und der Einladung: Finden Sie die Knoblauchvariante. Das „Bauernhofeis“ stellt Familie Steffens in Handarbeit und ohne Farb- oder Konservierungsstoffe auf dem ehemals elterlichen Milchhof in Ostholstein her.

Mike Steffens ist stolz auf seine Kreationen aus Kürbiskernöl mit karamellisierten Walnüssen, Buchweizen mit Erdbeermarmelade oder Blutorangen mit Aperol, weil sie von besonderer Qualität sind: „Unser Eis schmilzt sehr langsam, da es viel Masse hat. Es ist ein schweres Eis, ein Sattmacher mit nur 20 Prozent Luft, industriell gefertigtes Eis hat 80 Prozent.“

Besonders interessant an dieser Tour ist der Fokus aufs Regionale, ein mächtiges Thema, und dass alles transparent ist. Julian von Gerkan, zum 2. Mal dabei

Der Tag geht zu Ende. Mit heißem Rum Liqueur Caramel – vom Gutsadel fast nebenan – zum Messerweitwurf an eine dicke Baumscheibe im Park. Mit der Freude aller daran, sich neue Genüsse und Quellen erschlossen zu haben; dem Gedanken, dass Geschmack auch mit dem Erfahrungsschatz reift; dem Impuls, eine Kugel Knoblauch doch mal zu Fleisch zu versuchen. „Genuss kommt von Können“, hat mal jemand geschrieben. „Wir machen nächstes Jahr weiter, weil es immer einfach toll ist“, strahlt ein 29-Jähriger.

Mehr: Harald Wohlfahrt gilt als der Doyen der deutschen Hochküche. Im Interview spricht er über die deutsche Esskultur und neue kulinarische Herausforderungen.

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