Tourismus im Weltraum 55 Millionen Euro für zehn Tage Schwerelosigkeit – was Touristen im All erwartet
Düsseldorf Der Designer Philippe Starck hat den Menschen allerlei Weltliches erschaffen: die Zitronenpresse Juicy Salif zum Beispiel, den stapelbaren Stuhl Olly Tango, die Motorjacht A oder das Hauptgebäude der Asahi-Brauerei in Tokio. Der Franzose hat ungezählt viele Objekte des täglichen Lebens gestaltet; vieles davon sehr außergewöhnlich, aber immer mit dem Anspruch, sich zu verkaufen.
Da ist fast alles ausgereizt. Der Schritt, seine Schaffenskraft in neuen Sphären auszuprobieren, mag für den universellen Gestalter somit nahegelegen haben. Denn nun treibt es Starck in den Weltraum. Für das texanische Unternehmen Axiom Space hat der Franzose das Interieur eines Hotelmoduls entworfen, das spätestens 2022 an die internationale Raumstation ISS andocken soll.
Dass dieser Trip in die Schwerelosigkeit eher nichts für den Mallorca-Pauschalurlauber ist, versteht sich von selbst. Es sei denn, er hat sich bislang in pekuniärem Understatement geübt und will es nun mal so richtig krachen lassen.
55 Millionen Dollar muss jeder übrig haben, der sich einen zehntägigen Aufenthalt im All gönnen möchte, 15 Wochen Trainingslager mit professionellen Astronauten und Raketen-Zubringerflug inklusive.
Die zehn Tage sollten es schon sein, damit nach der erfahrungsgemäß mehrtägigen Akklimatisierungsphase in der Schwerelosigkeit noch genügend Zeit zum unbeschwerten Sightseeing bleibt. Der Blick nach draußen und 400 Kilometer hinunter auf die blauweiße Heimat ist dann aber tatsächlich unvergleichlich.
Axiom-Modul beim Andocken an die ISS (3D-Rendering)
Kein Vergleich zur ISS
Hier unten hat Starck schon vielen Hotels ein extravagantes Innenleben verpasst. Oben im All aber gelten ganz andere Spielregeln. Die Wohnmodule der Axiom-Raumstation, die kaum größer sind als ein Telefonhäuschen, will er als „komfortable Zellen“ gestalten, erzählt Starck auf seiner Website. Etwas Vergleichbares habe es ohnehin noch nicht gegeben, schließlich sei ein Hotel auf der Erde nicht mit einem im Weltall zu vergleichen.
Maßgeblich, sagt Starck, sind natürlich die Bewegungen des menschlichen Körpers in der Schwerelosigkeit. Damit Arme und Beine der Teilzeit-Astronauten keinen Schaden erleiden, sind, wie erste Bilder zeigen, die Wände der Schlafsäulen mit weichem, cremefarbenem Stoff ausgekleidet, der mit seinen Noppen wie eine überdimensionierte Luftpolsterfolie aus Wildleder wirkt.
Auf einem Bildschirm sind Informationen oder Filme abrufbar, für den besseren Halt im Orbit sorgen grellgelbe Griffe, Hunderte Nano-LED für weiches Licht, das regelmäßig wechselt – je nachdem, mit welcher Intensität und zu welcher Zeit es durch das große Fenster hereinfällt, das ein goldschimmernder Rahmen begrenzt. Kein Vergleich zum kargen Innenleben, mit dem sich Astronauten und Forscher auf der ISS zufriedengeben müssen.
Überhaupt die Aussicht: Die Chance, den Erdball von allen Seiten aus zu betrachten, bietet sich auch in einer Art gläsernen Kuppel am unteren Ende der Axiom-Raumstation. Dort können bis zu vier Passagiere gleichzeitig staunen, Häppchen essen und Cocktails aus Gläsern genießen, die speziell für die Schwerelosigkeit entwickelt wurden. Ein Drink pro Sonnenuntergang ist nicht zu empfehlen. 16 Tequila Sunrise pro Tag könnten den klaren Blick sukzessive vernebeln.
Starck designt auch die Mannschaftquartiere für Astronauten und Wissenschaftler, die Kombüse und den Speiseraum. Keine Frage, dass überall an Bord WLAN verfügbar ist. Auf den einschlägigen Social-Media-Kanälen kann also – wenn nicht von hier, von wo dann? – ungehemmt mit Urlaubsfotos geprahlt werden, die das Mobiltelefon zur Erde schickt.
All die schönen Träume solventer Erdlinge will Michael Suffredini wahr machen. Er hat Axiom Space vor gut zweieinhalb Jahren gegründet, und der Mann sollte wissen, was er tut. Suffredini hat mehr als 30 Jahre Erfahrung im Raumfahrtgeschäft. Zuletzt managte er für die Nasa zehn Jahre lang die ISS, bevor er im September 2015 ausschied. Auf bis zu 1,8 Milliarden Dollar werden die Kosten geschätzt, die sein Abenteuer bis zum Start verschlingen wird.
Konkurrenz aus Nevada und Kalifornien
Axiom ist nicht das einzige Unternehmen, das Touristen den Weltraum in absehbarer Zeit als hippe Destination schmackhaft machen möchte. Ebenfalls für das Jahr 2022 bietet Orion Span zwölftägige Aufenthalte auf seiner Aurora-Station an; die Warteliste ist eröffnet, schon ein Eintrag kostet 80.000 Dollar. Der Gesamtpreis für zwölf Tage von knapp zehn Millionen US-Dollar ist gemessen am Axiom-Paket dann aber geradezu ein Schnäppchen.
Sitz von Orion Span ist San Mateo in Kalifornien, der von Bigelow Space Operations Las Vegas in Nevada. Auf der Erde machte die Hotelkette Budget Suites of America Robert Bigelow zum Milliardär, im All sollen ihn und sein Unternehmen aufblasbare Module erfolgreich machen.
Sie werden platzsparend mit Raketen hochgeschossen und falten sich dann auf. Seit Mai 2016 wird eines an der ISS getestet, angedockt am Verbindungsmodul Tranquility. Ab und an schweben ISS-Astronauten hinein und schauen nach, ob noch alles dicht ist. Auch bei Bigelow Space Operations sollen die ersten Touristen im Jahr 2022 durchs Weltall cruisen.
Da die ISS im Jahr 2024 stillgelegt, sprich zum kontrollierten Absturz gebracht werden soll, werden Michael Suffredinis Axiom-Module dann autark durch den Weltraum treiben. Sie sind das Herz einer geplanten, kommerziellen Raumstation mit vielen weiteren Modulen, die folgen sollen.
Axiom will nicht nur Hotel, sondern auch Forschungsstation und Fabrik sein. Für die Produktion von diffizilen Gegenständen aus 3D-Druckern etwa, die in der Schwerelosigkeit einfacher herzustellen sind. Oder von kleinen Satelliten, die dann direkt im All ausgesetzt werden.
Die ISS könnte also als Sprungbrett für die erste kommerzielle Station in die Geschichte der Raumfahrt eingehen. Suffredini macht das stolz: „Es ist eine Ehre, die Arbeit fortzusetzen, die die Nasa und ihre Partner begonnen haben“, erklärte der Weltraum-Veteran. Die „New York Times“ urteilt mit weniger Pathos. „Die Reichen planen, diesen erbärmlichen Planeten zu verlassen“, titelte das Blatt süffisant. Ob sie dies zudem schon ab 2022 tun, wird sich zeigen. Verspätungen bei Großprojekten im Weltall sind so sicher wie die täglich 16 Sonnenauf- und -untergänge auf der ISS.
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