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Neuverfilmung von „Das Boot“ Mythos einer Tauchfahrt

„Das Boot“ ist einer der bekanntesten deutschen Filme. Sky lässt das Kriegsdrama nun fürs Fernsehen fortsetzen. Der Nazi-Bunker im Hafen von La Rochelle ist geblieben – sonst ist vieles anders. Die Geschichte eines globalen Marketinghits.
17.11.2017 - 12:52 Uhr Kommentieren
„Jeder hat seinen Prochnow im Kopf.“ Quelle: SZ Photo
Hauptdarsteller aus dem Original „Das Boot“ von 1981

„Jeder hat seinen Prochnow im Kopf.“

La Rochelle Die erste Schlacht im Hafen von La Rochelle ist bereits gewonnen – gegen Tauben. 36 Jahre lang hatten die Tiere den alten Bunker beherrscht, 36 lange Jahre nach dem Abzug von Starregisseur Wolfgang Petersen und seinem Team, 36 Jahre nach ‧Drehende von „Das Boot“. Nun aber, für sechs Wochen neuer Filmarbeiten, haben Reinigungsgeräte den ganzen Taubendreck beseitigt. Die Tiere selbst flohen vor Greifvögel-Geräuschen vom Band, die die neue Crew auf sie losließ, Petersens Epigonen des 21. Jahrhunderts. Die Tauben sitzen nun draußen vor dem braunen Koloss aus Stahl und Beton, der früheren Festung der Nazis am Atlantik, die sie bis zum Kriegsende im Mai 1945 verteidigten.

Der Petersen des Jahres 2017 heißt Andreas Prochaska, ist Österreicher und an diesem Novembertag in der französischen Sonne, die Regieklappe in der Hand. Er dreht eine wichtige Szene von „Das Boot – die Serie“: die Ausfahrt eines deutschen U-Boots aus dem Hafen im Herbst 1942, auf zu einer „Feindfahrt“, hinein in den Irrsinn des Zweiten Weltkriegs. Da stehen die noch so jungen Offiziere des Nazi-Deutschlands nun auf Deck, die Hakenkreuzflagge weht im Atlantikwind, eine Blaskapelle spielt auf, und Prochaska ordnet mehr Bewegung an. „Nicht so steif“, ruft er vom Kai herunter, und: „Kontrolliert euch gegenseitig, wenn die Mütze schief sitzt.“

Es ist der 49. von insgesamt 104 Drehtagen. Die garantiert taubenfreien und unsteifen Szenen aus dem Kriegshafen gehören zu einem neuen Großwerk der Entertainment-Industrie, das an den Publikumserfolg von Petersens Original aus dem Jahr 1981 anschließen will, an die Verfilmung des autobiografischen Bestsellers des Künstlers Lothar-Günther Buchheim. Er hatte einen deutschen Mythos um Überlebenswillen und Gemeinschaft und Anti-Nazismus geschaffen, um die Kunst, Mensch zu bleiben in der Apokalypse des Krieges. Wieder soll es um Botschaften gegen die große Tötungsmaschinerie gehen – aber auch um die Vorgabe, ökonomischen Wert zu schaffen.

Ihm geht es um die Geschichte von Menschen, „die das Pech hatten, im Zweiten Weltkrieg zu leben“. Quelle: interTOPICS/Empics/Camilla Moran
Regisseur Andreas Prochaska

Ihm geht es um die Geschichte von Menschen, „die das Pech hatten, im Zweiten Weltkrieg zu leben“.

(Foto: interTOPICS/Empics/Camilla Moran)

Auf dem Spielplan steht ein globaler Marketinghit – wohl auch, weil Nazi-Sujets im Fernsehgeschäft überall gut funktionieren. Die Giganten des Gewerbes gieren nach solchen massentauglichen Stoffen; erst jüngst kündigte Amazon an, den „Herr der Ringe“ als Serie in die TV-Haushalte zu bringen. Auch der Auftraggeber für „Das Boot“, die in London sitzende börsennotierte Gruppe Sky des Tycoons Rupert Murdoch, braucht für ihr Netz europäischer Pay-TV-Sender solche Quoten-Torpedos. Ende 2018 will auch Sky Germany in acht Fernsehfolgen zeigen, dass 25 Millionen Euro Budget gut investiert sind, dass sich all die Dreharbeiten am Atlantik, in Malta, am Billigstandort Prag und in München gelohnt haben, wo die beauftragte Produktionsfirma Bavaria eine Bordellszene auf ihrem Gelände nachstellen darf – wenige Meter entfernt vom Museumsort, an dem der Rest des Original-Boots U-96 der Petersen-Ära auf einer „Filmtour“ zu sehen ist.

Für „Das Boot II“ ist nun Bavaria Fiction zuständig, ein Ableger der öffentlich-rechtlichen ARD, an dem auch das ZDF beteiligt ist. Einer der beiden Produzenten ist Moritz Polter. In die Spätnachmittagskühle von La Rochelle hinein sagt er, die neue Serie sei als Antikriegsstück aktuell, weil auch heute junge Menschen – wie beispielsweise für den IS – aus Fanatismus in einen Krieg ziehen. Man müsse sich klar entscheiden: Auf welcher Seite steht man? Und letztlich wissen, dass es in einem Krieg keine richtige Seite gibt. Gezeigt werde, so nennt es der Macher, die ganze „Komplexität“, die schreckliche Logik des Tötens: wenn die Deutschen zehn Franzosen umbringen, nur weil die Résistance einen Deutschen ermordet hat.

Als „Rockstars der Nazis“ beschreibt Regisseur Prochaska die U-Boot-Fahrer. Sie waren die härtesten, auch verrücktesten der NS-Kämpfer, von 40 000 kamen 30 000 im Zweiten Weltkrieg um. Die Kampfsequenzen aus der Enge des U-Boots, die Petersen und die Mannschaft um Kapitänleutnant („Kaleun“) Jürgen Prochnow berühmt gemacht haben, kontrastieren nun im Wiederbelebungswerk mit Erlebnissen an Land. Ein zweiter Erzählstrang handelt von Kabale und Liebe rund um den deutschen Kommandanten in La Rochelle, um seine Übersetzerin und eine Femme fatale, die der französischen Widerstandsbewegung verbunden ist. Erinnerungen an „Simone“, Buchheims Buchgeliebter, drängen sich auf.

Vergleich mit Petersens Meerfahrt

Das Drinnen im maritimen Blechsarg gespiegelt mit dem Draußen am Land – das verspricht ordentlich viel Geschichten um Liebe, Hoffnung, Verrat und Gestapo. Dafür wurden neben Buchheims Klassiker „Das Boot“ auch dessen 1 500-Seiten-Nachfolgeschinken „Die Festung“ nach allem Brauchbaren geflöht. Die Buchheim-Stiftung, die das Erbe des 2007 am Starnberger See verstorbenen Autors verwaltet, durfte das Projekt vorab einsehen. Alle Aufführungsrechte hatte Bavaria einst dem schwierigen Buchheim abgekauft.

„Das ist immer noch ein starker Stoff.“ Quelle: Sky
Sky-Plakat zur Serie

„Das ist immer noch ein starker Stoff.“

Die Sky-Story besagt: Petersens Boot ist 1941 im Bombenhagel untergegangen, jetzt fährt ein neues Boot mit neuen Charakteren vor, die am Ende auch keine Helden werden.

Jeder aber vergleicht, das ist auch den Wiederbelebern des Wasserwerks klar, die Neukreation sofort mit dem Original. „Das ist eine Herausforderung, ein großes Erbe, jeder hat seinen Prochnow im Kopf“, weiß Produzent Polter. Alles läuft nach Plan, sagt er, das 250-Tonnen-Boot wurde ohne Probleme aus dem Wasserstudio von Malta zu den Außenarbeiten nach La Rochelle befördert. Der Nazi-Bunker mit seinen zehn Wasserbecken ist ein Muss für diese Produktion, ein Ort zum Wiedererkennen für alle, die Petersens Meerfahrt liebten.

1980/81 beim Erstlingswerk herrschten ganz andere Bedingungen. „Das Boot war die Hölle. Und ich war froh, dass ich es überlebt habe“, sagt Günter Rohrbach, legendärer Produzent und einst Chef der Bavaria. Der 89-Jährige sitzt mit Baseballkappe in einem bretonischen Restaurant in der Nähe des Münchener Viktualienmarkts, und was er mit „Hölle“ meint, ist eine rasche Abfolge von Katastrophen, die „Das Boot“ zu einem teuren Vergnügen von schließlich 32 Millionen Mark machten.

Es begann damit, dass Lothar-Günther Buchheim, der am Atlantik als Kriegsberichterstatter im Range eines Oberleutnant das Grauen selbst erlebt hatte, die Vorschläge und Drehbücher der ersten beiden eingeplanten Regisseure aus den USA rundweg ablehnte. John Sturges etwa hatte Juden-Schicksale integriert und wollte Robert Redford als Hauptdarsteller. So waren schon sieben Millionen Mark ausgegeben, ehe Rohrbach 1979 vom WDR in Köln auf die Kommandobrücke der Bavaria wechselte und es mit einem talentierten deutschen Regisseur versuchte, mit Wolfgang Petersen.

„Reise ans Ende des Verstands“
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