Wearables Wie Fitness-Tracker zu mehr Bewegung motivieren

Sogenannte Wearables werden am Selbstzahlermarkt immer beliebter.
Düsseldorf Am Handgelenk die Vibration und auf dem Display die Ermahnung: „Noch 124 Schritte! Go!“, oder einfach: „Move!“ Mit digitalen Anfeuerungsrufen sollen Tracker und Smartwatch ihre Nutzer anspornen – zum nächsten Tagesziel, zur neuen Bestleistung, zum Wunschgewicht.
Gekoppelt mit einer entsprechenden App verfolgen die Wearables – kleine, vernetzte Computer, die man am Körper trägt - gleich eine ganze Reihe von Körperfunktionen und Bewegungsarten: Sie analysieren Schlaf, sammeln Kilometer, messen Herzfrequenz. Und vor allem zählen sie Schritte.
Schritte zählen ist zu einer festen Größe im Trend der Selbstoptimierung geworden, denn auf diesem kleinsten Nenner von Bewegung kommen selbst Leistungssportler und Sportmuffel zusammen. Die Zielgruppe für die Hersteller ist damit immens. Über 172 Millionen Wearables wurden Statista zufolge im vergangenen Jahr weltweit verkauft, 2023 soll die Zahl bei etwa 280 Millionen liegen. Von diesem Kuchen wollen viele ihren Teil abhaben, und so überbieten sich die Hersteller in Funktionsumfang und Design ihrer Produkte.
Im Sport geht es per se um die objektive Messung von Leistung – und dank Wearables kann jetzt jeder sein eigenes Aktivitätsprofil erstellen. Die Transparenz kommt mit einem Versprechen: Wer den Ist-Zustand kennt, kann ihn verbessern.
Wissenschaftler der Technischen Universität Chemnitz haben den Zusammenhang von Tracking und Bewegungsmotivation erforscht und attestieren der Technologie durchaus Potenzial, Menschen zu mehr Alltagsbewegung zu motivieren. Doch der Effekt nutze sich ab, wenn Nutzern eine intrinsische Motivation fehlt. Spaß an der Bewegung sei die entscheidende Motivation - unabhängig von der Schrittzahl auf dem Display.
Ansteigende Kurven und bunte Diagramme in den Fitness-Apps sollen also zu mehr Aktivität motivieren. Wem die eigene Entwicklung als Ansporn nicht genügt, der sucht den Vergleich mit Gleichgesinnten. Die Auswertungsplattformen von Fitbit, Garmin, Samsung und vielen anderen sind daher auch immer Kommunikationsplattformen, viele bieten eine Schnittstelle zu Facebook.
Das Konzept ist einfach: Der innere Schweinehund lässt sich leichter überwinden, wenn die Ergebnisse ständig sichtbar sind, offen für Kommentare und Likes. Wem die Zurschaustellung nicht genügt, dem machen Wettkampfcharakter und Teamgeist Beine.
Vernetzt per App fordern sich Nutzer entweder als Einzelstarter oder im Team heraus: Wer schafft in einem gesetzten Zeitraum die meisten Schritte? Mit diesen Spielregeln sind Tracker auch im Betriebssport angekommen. Wer Aktivitätssteigerung im Sinne von Gesundheitsförderung denkt, setzt im Büroalltag an der richtigen Stelle an.
Schritte zählen für den Chef
Die Anreise mit der Bahn, Aufzug in die dritte Etage, die Konferenzen mit den Kollegen am Telefon, das Mittagessen am Platz und danach das Ganze noch einmal in umgekehrter Reihenfolge: Mehr als 18 Millionen Deutsche haben einen Schreibtisch-Job und sitzen im Schnitt siebeneinhalb bis neun Stunden täglich – Tendenz steigend. Wie schädlich das für Körperfunktionen und Haltungsapparat ist, erlebt jeder am eigenen Leib, der sich nach einem langen Arbeitstag vom Bürostuhl erhebt.
Um Schwung in den Arbeitstag zu bringen, ist der Arbeitgeber mit in die Pflicht zu nehmen. Betriebe eignen sich in besonderer Weise zur Umsetzung von Präventions- und Gesundheitsförderungsangeboten. „Da die Interventionen hierbei in aufsuchender Form erfolgen, lassen sich auch Menschen ansprechen, die über die üblichen Wege schwerer erreichbar sind“, heißt es vom Bundesgesundheitsministerium.
Allerdings machen einer repräsentativen Studie des Job-Portals Indeed zufolge nur vier von zehn Arbeitgebern entsprechende Angebote. Diese Minderheit erreicht wiederum längst nicht die gesamte Belegschaft. Im Schnitt nimmt nur jeder vierte Angestellte am Betriebssport teil. Dafür gibt es oft ganz praktische Gründe: Abendliche Kurszeiten etwa schließen Teilzeitkräfte, die dann längst nicht mehr vor Ort sind, automatisch aus.
Doch selbst wenn sich Büroangestellte allabendlich die Zunge aus dem Hals rennen, können sie die Bewegungsversäumnisse vom Tag nicht kompensieren. Studien entlarven das Sitzen als ein Gesundheitsrisiko eigener Art, das unter anderem den Kalorienverbrauch senkt, Stoffwechsel und Herz-Kreislaufsystem hemmt und die Bandscheiben überlastet.
Wissenschaftler empfehlen daher, jede sitzende Tätigkeit wenigstens stündlich zu unterbrechen. Das kann schon der gewollte Umweg zu einem weiter entfernten Drucker sein, ein Spaziergang in der Mittagspause oder die Treppe in die vierte Etage. Jeder Schritt macht einen Unterscheid – zumindest auf dem Display.
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