Buchrezension Unternehmer und Psychologe Leon Windscheid: „Die menschliche Kernkompetenz ist das Fühlen“

Der Zugang zu den eigenen Gefühlen führt zu Glück und Gelassenheit, davon ist der Unternehmer und Psychologe überzeugt.
Düsseldorf Der Mensch ist dann gut, wenn er rational handelt, keine Fehler macht, geradeaus denkt, sich auf Zahlen und Fakten konzentriert. Nach diesem Vorbild bauen wir die Welt digital aus. Um dann zu versuchen, uns an Hochleistungsmaschinen zu messen.
So funktioniert in weiten Teilen die Arbeitswelt. Ein Weg, der ins Unglück führen muss, sagt der Unternehmer und Psychologe Leon Windscheid. Denn: „Wer Gefühle ignoriert, unterliegt dem größten Irrtum der Menschengeschichte.“
Das Gehirn, so Windscheids Argumentation, sei nicht gemacht für die reine Systematik aus Einsen und Nullen. Wer glücklich und gelassen sein wolle, auch im Arbeitsleben, dürfe auch da nicht außer Acht lassen, was uns Menschen ausmacht: Gefühle. Wie das geht, beschreibt er in seinem neuen Buch „Besser fühlen“. Dabei nimmt er einzelne Empfindungen wie Angst, Wut und Geduld systematisch auseinander.
Aber was bedeutet das für den Job? Soll ich meine Angst, meine Wut etwa offen zeigen? Keineswegs. Wie viel man von sich preisgebe, müsse jeder selbst entscheiden. Windscheid geht es eher darum, dass jede Person sich selbst und ihre Gefühlswelt ernst nimmt.
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Gerade in der Arbeitswelt, wo noch immer Gefühle häufig zur Seite geschoben werden, um zu funktionieren, wird Nicht-Fühlen mit sich gut fühlen verwechselt. Dabei wissen wir: Wer Gefühle unterdrückt, wird krank. Das zeigt auch die hohe Zahl der Fehltage wegen Depressionen und Anpassungsstörungen.
Nach jeder Beförderung, jedem erreichten Ziel setzt eben nicht zwingend ein Glücksgefühl ein. Es kann auch Leere sein, die sich breitmacht. Ein guter Moment, um sich zu fragen: „Wo kommt dieser Trieb her? Was ist mir in der Vergangenheit passiert?“, sagt Windscheid. Die Antworten ermöglichten einen neuen Zugang zu uns selbst.
Dabei würden sich Ratio und Emotion keineswegs ausschließen. Gerade das Wissen darüber, welche Gefühle wann entstehen, würden Situationen leichter machen.
Psychologische Forschung einfach erklärt
Windscheid ist es besonders wichtig, dass Gefühle nichts Irrationales sind. Ganz im Gegenteil: „Gefühle sind das, was in unserem Kopf das Licht anmacht“, sagt er. Sie übertragen Informationen. Sie entscheiden etwa darüber, was eine Zahl bedeutet.
Jeder Computer könne einfach berechnen, was 28 plus 6 bedeute. Doch erst durch unser Wissen und unsere Gefühle können wir abschätzen, ob etwa ein Preis von 34 Euro für eine Aktie viel oder wenig ist.
Um das zu belegen, hat Windscheid zahlreiche Studien gelesen und Gespräche mit führenden Psychologen geführt. Da die Wissenschaft voller „Lifehacks und Tipps“ sei, teilt er nun das geballte Wissen in einfach verdaulichen Häppchen.
Über allem steht der Ansatz, dass „Fühlen unsere wirkliche Kernkompetenz“ ist. „Gefühle dienen uns als Wegweiser“, sagt der 32-jährige Unternehmer.

Leon Windscheid: Besser fühlen. Eine Reise zu mehr Gelassenheit.
Rowohlt
Hamburg 2021
272 Seiten
16 Euro
Windscheid hat in Münster eine Veranstaltungsfirma auf einem Schiff gegründet, der „MS Günther“ – benannt nach Günther Jauch, in dessen Fernsehquizshow er als 25-jähriger Student eine Million Euro gewonnen hat. Heute ist Windscheid eine Art Wissenschaftsmedium.
Er gibt Onlineseminare, macht drei Podcasts und präsentiert auf der Bühne aktuelle Forschung zur menschlichen Psyche. Windscheid liebt es, „sich in Primärstudien zu vertiefen“. Doch irgendwann ziehe es ihn immer wieder raus, um das Wissen auch in die Realität zu übertragen.
Eine Form dieser Realitätsüberführung ist der Podcast „Betreutes Fühlen“. Laut eigenen Angaben hören mehr als eine Million Menschen Woche um Woche zu, wenn er zusammen mit Comedian Atze Schröder Gefühle wie Liebe, Eifersucht und Gier auseinandernimmt. Dabei lässt Atze überraschend selten den Ruhrpott-Asi durchblitzen. Das Buch ist wie die geschriebene Zusammenfassung vieler Podcast-Episoden.
Windscheid, der zwischen Münster und Berlin pendelt und zahlreiche Projekte jongliert, hat bei der Recherche sich selbst und seine Gefühlswelt neu erfahren. „Gerade bei Gefühlen wie Angst ist das natürlich erst einmal unangenehm“, gesteht er. Aber es hilft.
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