Buchtipp: Das Zeitalter der Fitness Wo die Wurzeln für den heutigen Fitness-Boom liegen

Seit 2006 ist der gebürtige Kölner Professor für nordamerikanische Geschichte an der Universität Erfurt.
Düsseldorf Darum geht es: Der Körperkult hat ungeahnte Dimensionen angenommen. Schönheitsoperationen werden auch bei Männern zunehmend normaler, die Selfie-Manie in den sozialen Medien provoziert kontroverse Diskussionen. Jung, straff, glatt – das scheint das Postulat unserer Zeit zu sein.
Jürgen Martschukat beleuchtet diesen Zeitgeist, ordnet den Hype um den fitten Körper wissenschaftlich fundiert und klug ein. Und resümiert in „Das Zeitalter der Fitness“ scharf: Wer nicht fit ist, ist irgendwie außen vor. Und wer dick ist, erst recht.
Unsere Körper sind unser Kapital, Fitness ist ein Statement. Damit ist der Körper seiner Meinung nach im Neoliberalismus angekommen. Fitnessstudios boomen, Personal Trainer bieten ihre Dienste an. Manager werden zu Marathonläufern.
Daher fragt der Historiker Martschukat kess und auch ein wenig verheißungsvoll: Ist das Leben als Couch-Potato die moderne Form des Widerstands? Denn de facto ist Fitness heute viel mehr, als einfach nur schnöde Sport zu treiben. Fitness hat nach seiner Erkenntnis auch eine Dimension von Macht.
Das ist der Autor: Jürgen Martschukat, 54, hat als Historiker an verschiedenen deutschen Universitäten gelehrt. Seit 2006 ist der gebürtige Kölner Professor für nordamerikanische Geschichte an der Universität Erfurt. Seine weiteren Forschungsschwerpunkte sind so facettenreich wie die Bücher, die er bereits vor seiner jüngsten Publikation schrieb.

J. Martschukat: Das Zeitalter der Fitness.
S. Fischer
Frankfurt 2019
252 Seiten
25 Euro
Er widmete sich der „Geschichte der Männlichkeiten“ und dem Thema „Die Ordnung des Sozialen. Väter und Familien in der amerikanischen Geschichte seit 1770“. Martschukat ist passionierter Radfahrer und wollte als Historiker sein eigenes Tun historisch-kritisch hinterfragen. Einen kleinen Fahrradcomputer führt auch er auf dem Lenker mit und konstatiert sachlich: Die Symbiose von Körper und Technik, die im Radsport ohnehin grundlegend ist, hat ein neues Level erlangt.
Das stört: So knackig der Titel und so durchdacht die Thesen auch sein mögen – wenn sich ein Buch kritisch mit dem „Zeitalter der Fitness“ beschäftigt, darf der historische Rahmen ruhig breiter gesteckt sein. Martschukat beschreibt die Geschichte der Fitness seit Charles Darwin. Der britische Evolutionstheoretiker benutzte „fit“ und „Fitness“ noch im Sinne von „passend“.
Warum aber nicht bei den alten Griechen und ihren Wettkämpfen beginnen? Querverbindungen wären sicher spannend. Beeindruckend wäre auch mehr historisches Bildmaterial gewesen. Auf den mehr als 300 Seiten finden sich nur wenige Fotos. Wie sahen „fitte“ Menschen früher aus? Wie sahen die aus, die es nicht waren? Danach dürfte es den modernen, vergleichssüchtigen Menschen dürsten.
Das überrascht: Glaubt man dem Autor, wird nicht nur der ganze Körper mittlerweile getunt: Selbst „Penis-Doping“ ist seit Kurzem ein großes Thema. Der Autor schreibt über Elektrogürtel und den Beginn der Psychologisierung des Sexes.
Martschukat versteht es, seine Leser zu unterhalten, präsentiert sich aber zuvorderst als gewissenhafter Historiker. Dass die Literaturanmerkungen fast 100 Seiten umfassen, sollte nicht abschrecken, sondern eher beruhigen.
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