Buchtipp: „Der brennende See“ Vater, Tochter, Klima: Ein Generationengespräch in Romanform

Während die Kinder sich für den Kampf gegen den Klimawandel stark machen, ist die Generation der Eltern bislang weiterstgehend abwesend.
Berlin Neulich war John von Düffel wieder einmal auf einer Klimademonstration mit Greta – seiner zwölfjährigen Tochter, die zufällig den gleichen Vornamen trägt wie die bekannte schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg. Die paar Male, die er mitging, beobachtete der Dramaturg stets dasselbe Bild: Viele junge Schüler und Studenten schwingen ihre Plakate, und auch einige Rentner und Senioren gesellen sich zu ihnen. Nur seine Generation, die der Eltern, fehlt weitgehend.
„Diese Generation ist die erste, die den Klimawandel voll miterlebt, und die vielleicht letzte Generation, die ihn noch verhindern kann“, sagt von Düffel, die Stirn gerunzelt, die Arme verschränkt. In seinem karg eingerichteten Büro im Deutschen Theater stapelt sich ein Papierberg neben dem nächsten. So arbeitet der Dramaturg eben.
Was antwortet man, wenn einen die eigenen Kinder fragen: Warum habt ihr so wenig gemacht gegen den Klimawandel? Von Düffel hat ein Buch geschrieben, genauer gesagt einen Roman, der diese Frage beantworten will. „Der brennende See“ heißt er. Und ein bisschen ist das Werk Ratgeber für ihn selbst: Eine Mischung aus Greta-Frage und Generationendrama, ein bisschen Fridays-for-Future und ganz viel Familie.
Von Düffel beschreibt darin drei Generationen und ihr Verhältnis zueinander, aber auch, wie die Klimadebatte Familien und sogar ganze Gemeinden vor eine harte Zerreißprobe stellt.
„Ich glaube, dass sich das Thema in sehr kurzer Zeit massiv zuspitzen wird, und damit werden wir auch einen schärferen Generationenkonflikt erleben“, sagt von Düffel im Gespräch mit dem Handelsblatt.

John von Düffel: Der brennende See
Dumont
321 Seiten
22 Euro
Eines haben fast alle Von-Düffel-Romane gemeinsam: Sie handeln vom Thema Wasser. Der ehemalige Leistungsschwimmer, in Göttingen geboren, hat ein gutes Dutzend Bücher, Romane und Theaterstücke geschrieben – viele davon preisgekrönt. „Aber mein Verhältnis zum Wasser hat sich mittlerweile sehr verändert“, sagt der passionierte Schwimmer. Im Laufe der Jahre sei Wasser für ihn von einer ästhetischen zu einer ethischen Frage und am Schluss sogar zu einem Überlebensthema geworden.
Angefangen hatte der Sinneswandel, als von Düffel 2017 erste Berichte über brennenden Seen im indischen Bangalore sah. Sofort wollte er sich ins Flugzeug setzen und mehr darüber erfahren. „Dann ist mir aber relativ schnell klar geworden, dass ich dafür nicht nach Indien fliegen muss.“ Der Klimawandel findet überall statt.
Die große Frage, sagt von Düffel, sei doch: „Fängt man vor der eigenen Haustür an, oder muss man global agieren?“ Während die jungen Klimademonstranten nur akzeptieren, dass die Welt als Ganzes gerettet wird, „wäre ich schon zufrieden, wenn ich einen einzigen See retten könnte“. Von Düffel will mit seinem neuesten Werk dennoch niemanden bekehren, eher zum Gespräch anregen.
Und darum geht es in dem Fridays-For-Future-Roman:
- An dem Streit um einen Baggersee in einer Kleinstadt irgendwo in Deutschland zeichnet von Düffel nach, dass der Klimakonflikt immer mehr zu einem Konflikt zwischen den Generationen wird. Er glaubt, dass sich die Generation Greta radikalisieren wird.
- Auf der ersten Seite des Buchs stirbt ein namenloser Schriftsteller, der den Leser post mortem aber von Anfang bis Ende begleitet.
- Hannah, die Tochter des Schriftstellers, trifft nach dem Tod ihres Vaters die junge Klimaaktivistin Julia. Diese bringt die ältere Hannah zum Grübeln, warum auch ihre Generation so untätig war in der Klimafrage.
- Die Hoffnung auf eine Vaterfigur führt Julia kurzzeitig zu dem Glauben, der verstorbene Schriftsteller sei ihr leiblicher Vater, was sich am Ende jedoch als Trugschluss herausstellt.
- Das Beziehungsgeflecht zwischen Hannah, Julia und den anderen Protagonisten verwirrt den Leser zuweilen, führt aber am Ende doch zusammen.
Als zweifacher Familienvater weiß von Düffel, wovon er schreibt: „Seit zwei Jahren stellt meine Tochter alles infrage, was für mich selbstverständlich war.“ Seit seiner Jugend ist der Intellektuelle viel gereist. Häufig mit dem Flugzeug. „Aber wenn meine Tochter jetzt überlegt, wie sie nach New York kommen könnte, ist ein Flug für sie nicht mehr selbstverständlich“, erzählt er.
Autobiografisches – nur ohne Auto
Der Vater im Buch, das gibt von Düffel zu, trägt auch etwas von ihm in sich. Nicht das distanzierte Verhältnis zu seiner eigenen Tochter, aber ein paar unveröffentlichte Buchideen habe sein Charakter schon von ihm geerbt. „Ich musste mich am Anfang halb selbst sterben lassen“, sagt von Düffel. Auch, um sich mit der Frage zu beschäftigen, was von einem bleibt, wenn man stirbt, und was man wirklich hinterlassen möchte.

„Diese Generation ist die erste, die den Klimawandel voll miterlebt und die vielleicht letzte, die ihn noch verhindern kann.“
Was also tut von Düffel nun gegen den Klimawandel und für den Generationendialog? Da sind ja immerhin schon mal die Demonstrationen, auf die er ab und zu mit seiner Tochter Greta geht. „Ich glaube, meine Generation dachte einfach, wir hätten mehr Zeit“, sagt der Schriftsteller, der seit Jahren kein eigenes Auto hat.
Die Erfahrung, was der Klimawandel konkret bedeute, habe schlicht gefehlt. „Aber die wird noch kommen. Wenn die Veränderung nicht nur Information ist, sondern Erfahrung wird, so wie die wochenlangen Brände in Australien, dann folgt auch das Handeln“, ist von Düffel überzeugt.
Für die Reise seiner Tochter nach New York hat von Düffel zumindest schon mal eine Lösung gefunden. „Die ganze Familie isst einen Monat lang kein Fleisch.“ Dafür kann Greta dann in die USA fliegen. Also von Düffels Greta.
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