Buchtipp: „Die Weisheit der Hundertjährigen“ Wie Sie glücklich alt werden

Für ihr Buch recherchierten die beiden Journalisten rund um den Globus.
Darum geht es: Der erste Hundertjährige, dem Klaus Brinkbäumer und Samiha Shafy begegneten, hieß Elliott Carter. Genau 100 Jahre alt, betrat der weltbekannte Komponist die Bühne der New Yorker Carnegie Hall – fröhlich, strahlend, vom Publikum bejubelt. Das Orchester hatte einige seiner virtuosen und eigenwilligen Werke gespielt.
Damals, 2009, komponierte Carter noch immer. Die Hälfte seines umfangreichen Werkes war erst nach seinem 80. Geburtstag entstanden – was für eine erstaunlich kreative Kraft.
Für Brinkbäumer und Shafy war das wohl die Initialzündung. Sie machten sich auf die Spurensuche, um „das kluge, lustige, gesunde, ungebremste, glückliche, sehr lange Leben“ zu ergründen – wie es im Titel ihres Buches heißt. Es geht um die ganz großen Fragen des Lebens, die auch für jeden Manager interessant sein dürften: Worauf sind Menschen nach einem sehr langen Leben stolz, was bedauern sie?
Um Antworten zu finden, recherchierten die Autoren rund um den Globus, sprachen mit Altersforschern und ließen die Ältesten der Alten zu Wort kommen. Etwa den Amerikaner Anthony Mancinelli, der seit 93 Jahren Haare und Bärte schneidet. Oder Leopold Kuchwalek aus Berlin, der 2018 noch immer den Jüngsten das Schwimmen beibringt.
Porträt für Porträt lernt der Leser einzigartige Lebensläufe kennen – auch von Menschen, die die dunkelsten Kapitel der jüngsten Geschichte durchgestanden haben. So wie Max Webb, der den Holocaust der Nazis in zwölf Arbeits- und sechs Konzentrationslagern überlebte. „Ich glaube an Wunder“, sagt er in Brinkbäumers und Shafys Buch, „denn ich bin ein Wundermann.“

K. Brinkbäumer, S. Shafy: Das kluge, lustige, gesunde, ungebremste, glückliche, sehr lange Leben
S. Fischer
448 Seiten
22 Euro
Das sind die Autoren: Als Journalist, Moderator und Autor arbeitet Klaus Brinkbäumer heute unter anderem für die „Zeit“. Zuvor war er Chefredakteur beim „Spiegel“. Seine Mitautorin und Kollegin ist Samiha Shafy, Schweizerin mit ägyptischen und holländischen Wurzeln. Sie arbeitete unter anderem für den Schweizer „Tages-Anzeiger“ und die „Neue Zürcher Zeitung“, bevor sie 2007 zum „Spiegel“ kam.
Das überrascht: Zum einen die Storys, zum anderen die spannenden Fakten: Unser erreichbares Lebensalter wird nur zu etwa 30 Prozent über Gene bestimmt – 70 Prozent beeinflussen wir selbst. Neben Ernährung und Bewegung fasst das japanische Wort „ikigai“ gut zusammen, worum es geht: seiner Leidenschaft nachzugehen. Was trägt uns, was hält uns, was ist uns wahrhaft wichtig?
Das stört: Stören ist ein großes Wort für dieses großartige Buch. Doch beim Lesen denkt man unweigerlich über den Umgang mit „den Alten“ in unserer Gesellschaft nach. Wie könnten Reform- oder Debattenvorschläge etwa für das krankende hiesige Pflegesystem aussehen? Hier wäre eine Inspiration der Autoren sicher lesenswert gewesen.
Mehr: Laut einer Studie werden die Deutschen immer glücklicher. Doch wie wirkt das wachsende Glück auf die ökonomischen Strukturen in unserem Land?
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