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Buchtipp: „Wirtschaftskriege“ So kann sich Deutschland in der Welt der Handelskonflikte zurecht finden

Ein Ethikprofessor und ein Politikberater ergründen die Ursachen der aktuellen Handelskonflikte. Sie zeigen Wege auf, eine Eskalation abzuwenden.
25.04.2019 - 12:51 Uhr Kommentieren
Gemeinsam mit Hans-Jürgen Wolff unternimmt der Lüneburger Ethikprofessor den Versuch, „die neue Weltlage gedanklich in den Griff zu bekommen“. Quelle: Christian Gogolin für Handelsblatt
Nils Ole Oermann

Gemeinsam mit Hans-Jürgen Wolff unternimmt der Lüneburger Ethikprofessor den Versuch, „die neue Weltlage gedanklich in den Griff zu bekommen“.

(Foto: Christian Gogolin für Handelsblatt)

Berlin Im Journalismus gibt es eine alte Regel, die sich auch gute Buchautoren zu eigen machen sollten: Warum dieses Buch und warum jetzt?

Für das neue Sachbuch „Wirtschaftskriege“ von Nils Ole Oermann und Hans-Jürgen Wolff liegt die Antwort auf der Hand: Handels- oder Wirtschaftskriege bestimmen die Schlagzeilen spätestens, seit US-Präsident Trump die friedliche Regelung von Handelskonflikten durch das Recht des Stärkeren zu ersetzen sucht.

Der inflationäre Gebrauch des martialischen Begriffs „Krieg“ ist dabei allerdings eher der Tatsache geschuldet, dass uns angesichts der Eskalation offenbar die richtigen Worte fehlen. Die beiden Autoren, Oermann lehrt Ethik an der Universität Lüneburg, und Wolff ist Politikberater in Berlin, haben sich deshalb vorgenommen, „die neue Weltlage gedanklich in den Griff zu bekommen“.

Das ist ihnen ganz gut gelungen. Wer über die flüchtige Zeitungslektüre hinaus wissen will, warum der Handel von einem Pflug des Friedens wieder zu einem Schwert geworden ist, wo die Fronten möglicher Wirtschaftskriege verlaufen und wie man die Eskalation vielleicht noch stoppen kann, der wird von Oermann und Wolff gut bedient. Die Autoren liefern eine überfällige Begriffsklärung, den historischen und aktuellen Kontext und machen Vorschläge, wie Deutschland und ganz Europa sich in der Arena des wirtschaftlichen Wettkampfs behaupten können.

Dafür räumen die Autoren zunächst mit der naiven Annahme auf, dass die Wirtschaft eine Oase des Friedens sein könne. „In den Staatenbeziehungen herrscht sowieso immer eine wirtschaftskriegerische Grundstimmung“, urteilen sie. Diese Spannungen hätten sich durch den neuen Systemwettbewerb Chinas mit dem Westen verstärkt. Dennoch gehe es weniger darum, „sich auf drohende Wirtschaftskriege vorzubereiten, als vielmehr darum, den ständigen Wirtschaftskampf zu bestehen und gerade dadurch zu verhindern, dass er kriegerisch eskaliert.“

Nils Ole Oermann und Hans-Jürgen Wolff: Wirtschaftskriege – Geschichte und Gegenwart
Herder
2019
272 Seiten
24 Euro

Um einer Eskalation der Sprache entgegenzuwirken, unterscheiden die Autoren zunächst drei Arten von Wirtschaftskrieg: den militärischen Krieg mit wirtschaftlichen Zielen, den Kampf gegen die Kriegswirtschaftskraft des Gegners und das nichtmilitärische Vorgehen gegen die gegnerische Wirtschaftskraft.

Die Abgrenzung ist löblich. Allerdings fallen die aktuellen Konflikte bislang nur in die dritte Kategorie. Eindeutig zu häufig fallen die Autoren im Laufe des Buches auf die derzeit eher wenig relevanten ersten beiden Spielarten des Wirtschaftskriegs zurück.

Das hat vor allem damit zu tun, dass Oermann und Wolff einen langen Anlauf mit vielen Umwegen nehmen, um zu den heutigen Handelskonflikten zu kommen. Der Leser erfährt viel darüber, welche ethischen Abwägungen es zu treffen gilt, bevor Wirtschaftssanktionen verhängt werden. Und er lernt, warum es mit wachsender Komplexität der Wirtschaft immer schwieriger wird, politische Ziele mit Sanktionen zu erreichen.

Akribisch beschreiben die Autoren, wie die Staatengemeinschaft mithilfe von Spielregeln und Schiedsrichtern bei der Welthandelsorganisation WTO versucht, wirtschaftliche Konflikte friedlich beizulegen. Und warum diese Friedensordnung heute in Gefahr ist. Dass China und die USA unter Trump dafür die Hauptverantwortung tragen, wird ausführlich erläutert.

In Gefahr ist der Wirtschaftsfriede aber nicht nur durch den wachsenden Wirtschaftsnationalismus der Amerikaner und Chinesen. Oermann und Wolff hinterfragen auch das Tabu des Freihandels, weisen darauf hin, dass die Früchte der Globalisierung sehr ungleich verteilt werden, und sparen auch nicht mit Kritik an den deutschen Handelsüberschüssen. Es sei schlechte Politik, „wenn Deutschland die Folgen seiner Außenhandelsüberschüsse für andere Volkswirtschaften ignoriert und dadurch protektionistische Reflexe weckt“.

Das politisch interessanteste Kapitel haben sich die Autoren bis zum Schluss aufgehoben. Unter der Überschrift „Was tun?“ geben sie acht Empfehlungen, wie Deutschland und Europa sich in der neuen Weltunordnung behaupten können. Ganz oben auf ihrer To-do-Liste steht die Forderung nach einer „Renaissance der wirtschaftlichen Staatskunst“. Was in der angelsächsischen Welt unter dem Begriff „economic statescraft“ seit Jahrhunderten zum Repertoire staatlichen Handelns gehört, ist im Nachkriegsdeutschland verloren gegangen.

Oermann und Wolff plädieren dafür, das globale Wirtschaften zu einem Teil der Außen- und Sicherheitspolitik zu machen. In Ländern wie den USA ist das längst gang und gäbe. Wirtschaftspolitische Erwägungen sind seit Jahren Teil der nationalen Sicherheitsstrategie Amerikas.

„Es reicht für die Bestimmung des Gemeinwohls und die Festlegung des innen- und außenpolitischen Kurses eben nicht mehr aus, ausschließlich die Ökonomen oder gar die Unternehmer zu fragen, ob Handel Profit abwirft“, schreiben die Autoren. Genau diese Haltung bestimmt allerdings zu sehr die bundesdeutsche Weltsicht. Erst durch die chinesische Herausforderung hat man in Berlin wirklich begriffen, dass die nationale Sicherheit „in manchen Fällen durch handelsbedingte wirtschaftliche Abhängigkeit gefährdet werden kann“.

Es geht jedoch nicht nur um China. „Wirtschaftliche Staatskunst ist auch im Verhältnis zu Freunden nötig“, schreiben Oermann und Wolff und verweisen auf die negativen Nebenwirkungen einer „America- oder Germany-first-Politik“. Abhilfe könnte nach ihrer Meinung ein „europäischer Sicherheitsrat“ bringen, der auf nationaler Ebene von einem ähnlichen Gremium sekundiert werden sollte und regelmäßig auch über „die wirtschaftliche Dimension der nationalen und europäischen Sicherheit“ berät.

Bücher wie „Wirtschaftskriege“ sind in Deutschland rar. Vermutlich hat jedoch die Debatte über die Formulierung und Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen im Kontext geopolitischer Machtpolitik hierzulande gerade erst begonnen. Zu erwarten ist, dass sie noch lange andauern wird. Lautet doch die letzte Empfehlung der Autoren: „Sich einstellen auf viele Jahrzehnte harten Wettstreits.“

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