Buchtipps Ausgesorgt dank Geldanlagen? – Welche Strategien wirklich Erfolg versprechen

Angeblich sichere Empfehlungen sollten Anleger skeptisch machen.
Frankfurt Wie werde ich reich? – Wen hat diese Frage, nicht schon einmal heimlich umgetrieben. Endlich leben können ohne finanzielle Sorgen... Eine Frage, die durchaus auch den Adrenalinspiegel von Finanzprofessoren wie Martin Weber steigen lässt. Im Jahr 2007 brachte er den Besteller „Genial einfach investieren“ auf den Buchmarkt – ein Riesenerfolg. Nun legt er nach.
„Die genial einfache Vermögensstrategie: So gelingt die finanzielle Unabhängigkeit“, heißt sein aktuelles Buch, das er gemeinsam mit anderen Finanzprofis geschrieben hat. Fast zeitgleich erschien auch das neue Buch von Finanz- und Vermögensberater Gerd Kommer mit dem Titel „Souverän investieren vor und im Ruhestand“.
Was beide Ratgeber verbindet? Im betont nüchternen Stil geht es um die richtige Geldanlage fürs Alter.
Damit beackern die Autoren ein Thema, das vielen nicht als sexy gilt. Denn es geht nicht ums schnelle Geld, sondern um eine Langfriststrategie: Geld über lange Zeit sinnvoll, einfach und regelmäßig ansparen, um schließlich den Lebensabend komfortabel gestalten zu können.
Das ist tatsächlich kein Stoff für einen belletristischen Reißer à la John Grisham. Die zwei Kerngedanken verbreiten einen eher spröden Charme: Es geht um die sinnvolle Aufteilung des Geldes auf die wichtigen Vermögensformen Aktien und Anleihen, und das mit dem Einsatz preiswerter Anlageprodukte in Form von Indexfonds.
Wie werde ich reich?
Die Frage darf wiederholt werden. Denn: Zahlreiche angebliche Geldexperten vernichten bei der Beantwortung dieser Frage mit ihren angeblich totsicheren Empfehlungen regelmäßig Geld. Kommer bezeichnet das als „Finanzpornografie“. Der 57-Jährige spricht von „reißerischen, übertriebenen, verzerrten und gefährlichen Geldaussagen“ in manchen Medien, der Werbung und im Internet. Dabei gehe es nur um Auflagen und Klickraten. Er warnt vor typischen Headlines wie etwa „Zehn Aktien mit 100-Prozent-Chance“. Das sei purer Unfug.

Gerd Kommer: Souverän investieren vor und im Ruhestand.
Campus Verlag
343 Seiten
27, 95 Euro
Schädlich seien aber auch Crash-Gurus am Aktienmarkt. Diese „Selbstdarsteller“ seien „intellektuell auf einer Ebene mit Handlesern und anderen Quacksalbern“. Noch deutlicher: „...die nie schrumpfende Narrentruppe der Untergangspropheten – Hofschranzen im Medienpalast des Sensationalismus – warnt seit Jahrzehnten vor dem jeweils nächsten Weltuntergang.“
Während Kommer vor pornografischen Verlockungen warnt, blickt Weber den Anlegern in Kopf und Seele. Der unterschiedliche Ansatz der beiden erklärt sich auch im Zusammenhang mit den beiden unterschiedlichen Biografien der Autoren. So arbeitete Kommer im Bankgeschäft und lenkt nun seine eigene Vermögensverwaltung mit 200 Millionen Euro an Kundenkapital. Finanzprofi Weber dagegen ist Professor mit Schwerpunkt Anlegerpsychologie und hat zudem unter dem Dach der DWS den Fonds „Arero“ lanciert.

Martin Weber: Die genial einfache Vermögensstrategie.
Campus Verlag
255 Seiten
27, 95 Euro
Für Weber beginnt das Problem der Anleger schon vor den verlockenden Sirenengesängen des schnellen Reichtums. „Umfragen zeigen, dass Frauen lieber über ihren Tod reden als über Geldanlage“, sagt der 68-Jährige. Das sei natürlich kein rein geschlechterspezifisches Phänomen. Bei fast jedem zweiten Amerikaner etwa lösten Gespräche über Geldanlage Stress und Herzrasen aus. Wir selbst sind in Sachen Geldanlage also unser größter Feind.
Aufteilung in Anlagen und Aktien
Wie werde ich reich? Die vorläufige Antwort auf die Frage lautet: im Vorfeld Abneigung gegen das Thema überwinden und den Verlockungen des schnellen Euros widerstehen. Der konstruktive Part beginnt mit der Grobaufteilung des Geldes auch im Rahmen von Sparplänen. Das sind regelmäßige Käufe von Anlageprodukten mit meist monatlich festen Beträgen. Im Kern geht es um die Aufteilung des Geldes auf Aktien und Anleihen. Aber was bringen diese Anlagen eigentlich?
Finanzprofi Kommer hat die Renditen über eine Spanne von mehr als einem Jahrhundert kalkuliert: Er kommt auf durchschnittlich fünf Prozent jährlich für Aktien, auf zweieinhalb Prozent für selbst genutzte Wohnimmobilien, auf ein Prozent für erstklassige Staatsanleihen – Inflation eingerechnet. So ähnlich könnten die Ergebnisse auch in Zukunft aussehen.
Dann geht es darum, die liquiden Vermögensformen richtig zu mischen. Dabei stehen Erträge und Wertschwankungen im Widerstreit. Aktien liefern langfristig höhere Gewinne als Zinsanlagen, können aber zwischenzeitlich auch einmal in einem Crash wegsacken. Kommer vergleicht das mit einer Segeltour. „Mast und Segel erzeugen den Vortrieb, aber man braucht auch Risikominimierer wie Rettungsboote und Schwimmwesten, wenn man jahrelang auf den Ozeanen kreuzen will.“
Beide Autoren neigen zu einer 50-zu-50-Mischung oder zu einem 60-zu-40-Mix zugunsten der Aktien. In der Vergangenheit profitierten Anleihen von den allgemeinen Zinssenkungen. Das wird es künftig kaum mehr geben, sodass die Erträge hier schrumpfen dürften.
Finanzwissen hilft
Um auf Augenhöhe mit einem Berater reden zu können, ist es wichtig, sich Finanzwissen anzueignen. Daran mangelt es leider viel zu häufig. Doch es ist wie beim Arzt: Auch da ist der Patient dem Mediziner höchstwahrscheinlich an Fachwissen unterlegen, aber Grundkenntnisse helfen, um überhaupt die richtigen Fragen zu stellen.
Hier könnte der Therapievorschlag beispielsweise auf einen 60-zu-40-Mix der Vermögensformen lauten. Was bei der Therapie die verschriebenen Medikamente wären, sind hier die geeigneten Anlageprodukte zur Abdeckung der Anteile. Da schlägt die Stunde der Investmentfonds, mit denen sich der Käufer ein breit gestreutes Depot für eine bestimmte Anlageform einkauft.
Zudem sollten Anleger Emotionen und Bauchgefühl abschalten, empfehlen beide Buchautoren. Aber worauf dann hören? Weber setzt die Erkenntnisse der Finanzwissenschaft an die oberste Stelle. Wohl auch deshalb ist sein Buch äußerst trockener Lesestoff. Das sei aber auch sein Anspruch. „Es ist generell vernünftig, wenn man jetzt mehr auf die Wissenschaft hört“, sagt er und greift auch das derzeit allgegenwärtige Coronathema auf.
Mit Blick auf die Kanzlerin glaubt er: „Die Chefin kann klar denken, es ist gut, wenn sie in theoretischer Physik promoviert hat.“ Wegen der Pandemie würde er aber sein Buch nicht umschreiben. Denn: Die beschriebenen Einsichten und Empfehlungen seien zeitunabhängig gültig: gestern, heute und morgen.
Einen Beitrag zur Vermögensbildung liefern geringe Kosten – denn Fonds ist eben nicht gleich Fonds. Sowohl Weber als auch Kommer ziehen eine scharfe Trennlinie zwischen „aktiven“ und „passiven“ Produkten. Der „aktive“ Fondsmanager versucht in klassischer Heldenmanier mutig, mehr Ertrag einzuspielen als ein Index.
Statistisch gesehen scheitert der vermeintliche Supermann aber leider meistens. Eine Rolle dabei spielen die hohen Kosten des Fondsmanagements. Aus diesem Grund plädieren die beiden Autoren für passive Indexfonds. Denn der Held mag den Kampfjet bevorzugen, mit dem er riskiert abzustürzen, der Altersvorsorger bevorzugt den Bus, der ihn sicher ans Ziel bringt.
Was viele Anleger oft nicht wissen: Berater verdienen mehr an aktiven Fonds als an passiven Produkten. So entsteht oft ein Interessenkonflikt. Indexfonds verlangen weit geringere Gebühren – oft nur ein Zehntel der aktiven Pendants, die schon einmal auf zwei Prozent jährlich kommen.
ETFs schneiden besser ab
Schönfärberei sollte tunlichst ignoriert werden. „Der Hinweis von Finanzdienstleistern, Qualität habe ihren Preis, ist Marketing-Blabla“, urteilt Kommer. Da geht der Fachmann nicht nur mit den aktiven Fondsmanagern ins Gericht. Ebenso entschlossen greift er geschlossene Fonds, Hedgefonds, Private-Equity-Anlagen an. Auch der hohen Kosten wegen seien deren Endrenditen „katastrophal schlecht“.
Im Vergleich stehen die börsengehandelten Indexfonds, bekannt unter dem Kürzel ETF, natürlich besser da. Sie sind nicht nur weitaus preiswerter, sondern außerdem transparent und täglich zum tatsächlichen Wert ihrer Anlagen handelbar – da müssen alle genannten Anlagen passen.
Breit gestreutes Weltdepot
Am Ende muss der Anleger auch die passenden Produkte kaufen, wenn er sich zum Beispiel für eine 50-zu-50-Mischung entschieden hat. Auf der Aktienseite gibt es entsprechende Indexfonds ebenso wie bei den Anleihen. Beide Autoren empfehlen bei den Aktien einen Welt-Index und damit eine globale Risikostreuung.
Weber erinnert an den Super-Investor Warren Buffett, der seiner Frau bereits vor vielen Jahren ans Herz legte, im Falle seines Ablebens das Geld in einen S&P-500-Indexfonds für US-Aktien zu stecken. Es sollte jedoch „ein breit gestreutes Weltdepot sein, aber den Fehler verzeihen wir Buffett“, kommentiert dies Weber.
Bei den Zinsanlagen tut es statt eines Anleihefonds allerdings auch ein Bankkonto wie Tagesgeld oder Festgeld. Danach gilt es nur noch, die Sparpläne auf diese Produkte zu organisieren und in gewissen Abständen zu prüfen, dass der ursprünglich gewählte Mix keine Schlagseite bekommt.
Stellt sich nach all diesen Finanzempfehlungen für den Leser die Frage: Lohnt sich die Investition in einen der aktuell vorgestellten Ratgeber?
Klar ist: Entertainment und Zerstreuung bieten die Bücher nicht, dafür aber echte Lebenshilfe. Und beide Autoren sind dabei nah am eigenen Handeln. Webers Fonds „Arero“ ist ein Indexfonds. Und Kommer setzt in seiner Vermögensverwaltung ausschließlich Indexfonds ein. Rein privat legt der Ex-Banker allerdings offensiver an, als er es seinen Kunden empfiehlt. Seit über zwei Jahrzehnten schwört er auf einen 90-zu-10-Mix, also einen sehr hohen Aktienanteil. Für ihn selbst sei das absolut okay: „Das hat gut funktioniert, obwohl ich in der Zeit dreimal einen Crash verkraften musste.“
Es gibt tatsächlich eine ehrliche und seriöse Antwort auf die Frage. „Lässt man Erbschaften, reich heiraten und Lottogewinne beiseite, ist letztlich unternehmerische Tätigkeit der einzige realistische Weg“, glaubt Kommer. Unternehmertum ist der Königsweg und die Aktie als Mitbeteiligung das passende Anlagemedium. Dahinter steht der Gedanke des strebenden Menschen und seines Schaffens in einem marktwirtschaftlichen Umfeld.
Und wo bleibt der Staat? Der schafft es nur noch, seiner Aufgabe zur Absicherung des Lebensabends begrenzt nachzukommen. Die nötigen, aber fehlenden Systemreformen belegen das. Die gesetzliche Rente ist zwar sicher, aber nicht ihre Höhe – und auf diese Höhe kommt es an. Realitätsverweigerung oder Illusionsgläubigkeit sind hier fehl am Platze.
Deshalb erinnert Kommer: „Die gesetzliche Rentenversicherung ist schon seit Jahren auf enorme Quersubventionierungen aus Steuermitteln angewiesen – sonst wäre sie längst insolvent.“ Die Lage wird nicht besser, im Gegenteil. Eigeninitiative ist gefragt.
Hinweis: In einer früheren Version des Textes hieß es fälschlicherweise, der Fonds „Arero“ investiere in Indexfonds. Wir haben den Fehler korrigiert.
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