Nachhaltigkeit Wie die Wirtschaft ihren Beitrag zum Umweltschutz leisten kann

Zwei der Gründer des Start-ups Holycrab suchen in einem neuen Buch nach „Unternehmensaktivist*innen“.
Düsseldorf Er wird bis zu zwölf Zentimeter groß, ist dunkelrot bis schwarz gefärbt und hat Scheren, die mit leuchtend roten Dornen besetzt sind: der Rote Amerikanische Sumpfkrebs. Er gehört zu den invasiven Arten, das heißt, er breitet sich in Deutschland aus und bringt so das Ökosystem aus dem Gleichgewicht. Denn er verdrängt in Berliner Gewässern massiv die heimischen Krebse, weil er größer und kräftiger ist und damit kaum Feinde hat.
Daraus entwickelten Jule und Lukas Bosch die Geschäftsidee von Holycrab. Sie verkaufen die Krebse und andere invasive Krustentierarten seither als Delikatessen – und leisten damit einen Beitrag gegen das Artensterben der heimischen Krebse. Damit gehören sie zu den Unternehmen, die neben dem Profit auch die Nachhaltigkeit ihres Geschäftsmodells deutlich im Blick haben.
Noch nie standen Unternehmen unter so großem Druck. Immer mehr Länder verschärfen ihre Klimaziele, die CO2-Preise steigen, und Nachhaltigkeit wird zum Wirtschaftsfaktor. Konzerne und Mittelständler stellt das vor neue Herausforderungen. Wie bemisst man überhaupt den eigenen CO2-Ausstoß, wo können Emissionen eingespart und wo vielleicht besser kompensiert werden, wie können sie ganz neue, nachhaltige Ideen entwickeln?
Zu diesem Thema sind gleich zwei Bücher erschienen. Zum einen von Start-up-Investor und Klimaaktivist Ferry Heilemann, zum anderen von Jule und Lukas Bosch, Start-up-Gründer und Zukunftsforscher. Sie haben aus der Not eine Tugend gemacht und führen aus, wie nachhaltige Unternehmensführung funktionieren kann.
Das Autorenduo Bosch macht sich, ausgehend von ihrem eigenen Unternehmen, in seinem Buch „Öko-Nomie“ auf die Suche nach anderen „Unternehmensaktivist*innen unserer Zukunft“. Sie „wollten wissen, ob und wie der Mechanismus auch in anderen Branchen funktioniert, um das entstehende Wissen für noch viel mehr Unternehmen zugänglich zu machen“.

Jule Bosch, Lukas Bosch: Öko-Nomie.
Campus
Frankfurt 2021
280 Seiten
34,95 Euro
Die Boschs haben für ihr Buch mit 20 Unternehmern und Experten verschiedener Branchen gesprochen. Sie erzählen von Ideen wie einem E-Auto, das sich selbst auflädt, einer Fluglinie, die mehr CO2 aus der Luft zieht, als sie selbst emittiert, einem aus altem Brot gebrauten Bier, einem Kaugummi ohne Kunststoff. Ihr Ansatz: „Anstatt der Ökonomie als Gegenspieler des Planeten eine progressive Rolle abzusprechen, etablieren wir sie als Teil der Lösung, als Öko-Nomie.“
Insgesamt kommen die Autoren jedoch ein wenig selbstverherrlichend daher, wenn sie betonen, wie sehr sie alles richtig machen – im Gegensatz zu den „enorm vielen einflussreichen Leuten ohne jegliche Ambitionen, zum Teil der Lösung zu werden“. Es gehört vielleicht zum Habitus von Aktivisten zu polemisieren. Ein bisschen mehr Sachlichkeit hätte dem Buch jedoch gutgetan.
Ferry Heilemann kommt da etwas nüchterner, keineswegs jedoch eintönig daher. Er hat einen nutzwertigen Klima-Ratgeber für Unternehmen geschrieben, einen „Climate Action Guide“. Er bietet allerhand nützliche Tipps und Tricks, um den Wandel zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu beschleunigen.
Denn, so der Autor, damit der Wandel zum „Impact Kapitalismus“ funktioniert, brauche es ein neues Betriebssystem für die Wirtschaft. Der Finanzkapitalismus, der nur auf kurzfristige finanzielle Rendite ausgelegt sei, habe „als ,Betriebssystem‘ unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft endgültig ausgedient“, schreibt Heilemann.

Ferry Heilemann: Climate Action Guide.
Murmann
Hamburg 2021
200 Seiten
20 Euro
Damit ist zwar die Frage, inwieweit sich das kapitalistische System überhaupt zu einer umfassenden Nachhaltigkeit umbauen lässt, noch nicht aus der Welt. Aber wie Heilemann deutlich zu verstehen gibt, gilt es jetzt, aktiv zu werden und entsprechend die gegenwärtigen Mittel und Voraussetzungen zu nutzen.
Sein Buch enthält Checklisten zur CO2-Reduzierung oder ganz pragmatische Empfehlungen zum Stromwechsel. Es sind die Grundlagen, einfache Dinge, die direkt umgesetzt werden können und doch schon Wirkung zeigen. Die optimistische Grundstimmung geht Heilemann dabei während des gesamten Buches nicht verloren. „Wichtig ist der Anfang, die richtige Richtung einzuschlagen und umzusetzen. Das können wir Unternehmer“, ist der Autor überzeugt.
Und da spricht Heilemann aus Erfahrung. Schließlich ist der 35-Jährige selbst Gründer. 2009 baute er mit seinem Bruder ein Start-up auf, das er anschließend an Google verkaufte. Auch das Klima war schon immer eines seiner Themen. Die Initiative „Leaders for Climate Action“ hat Heilemann mitgegründet, mit dem Ziel, die gesamte Digitalindustrie klimaneutral zu machen. 2020 wurde er vom Bundesverband Deutsche Startups als „Best Entrepreneur in Germany“ ausgezeichnet.
Mehr: Buchrezension: Kann ausgerechnet der Kapitalismus das Klima retten?
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