Rezension „Die Curevac-Story“ mRNA-Pioniere mit Verspätung: Der schwierige Weg einer deutschen Biotech-Hoffnung

Erst die Corona-Pandemie brachte dem Unternehmen den Durchbruch.
Frankfurt Vor nicht einmal zwei Jahren war die Abkürzung mRNA im Grunde nur Spezialisten aus der Biochemieforschung geläufig. Doch mit der Corona-Pandemie rückten Botennukleinsäuren, die sogenannte Messenger-RNA, ins Rampenlicht.
Impfstoffe auf Basis von mRNA entpuppen sich inzwischen als die entscheidende Waffe im Kampf gegen die Pandemie. Und die Hersteller und Entwickler der Vakzine avancierten fast über Nacht zu den neuen Stars in der Pharma- und Biotechszene.
Einem dieser Biotechaufsteiger und seinem zuweilen mühevollen Werdegang widmet sich der Biotechunternehmer Wolfgang Klein nun in seinem Buch über die „Curevac-Story“ und das „Risiko, die Medizin zu revolutionieren“, so der Untertitel.
Anders als es der Titel auf den ersten Blick vermuten lässt, beschränkt Klein sich dabei aber keineswegs allein auf das Tübinger Biotechunternehmen. Er ordnet die Entwicklung vielmehr in einen breiteren Rahmen ein, der nicht nur die Entwicklung der mRNA-Technologie umfasst, sondern auch den kritischen Blick auf die Rahmenbedingungen für solche Forschungsunternehmen in Deutschland.
Curevac ist als Beispiel für diese Problematik insofern bestens geeignet, als das Unternehmen einen besonders langen, von einigen Höhen und Tiefen geprägten Weg zurücklegen musste.
Erst zwei Jahrzehnte nach der Gründung im Jahr 2000 brachten die Covid-Pandemie und die damit verbundenen Impfstoffprojekte einen Durchbruch, der die mRNA-Technik ins Blickfeld von Investoren rückte und letztlich im Sommer 2020 den Weg zu einem extrem erfolgreichen Börsengang an der US-Technologiebörse Nasdaq ebnete.

Wolfgang Klein: Die CureVac-Story. Vom Risiko, die Medizin zu revolutionieren.
Campus
Frankfurt 2021
247 Seiten
24,95 Euro
In der Anfangsphase dagegen war Firmengründer Ingmar Hoerr mit seiner Mannschaft mehr oder weniger allein mit der Idee, mRNA als Impfstoff oder Medikament zu nutzen. Ohne die großzügige Finanzierung des früheren SAP-Chefs und -Mitgründers Dietmar Hopp hätte er keine Chance gehabt.
Immerhin konnte sich das Unternehmen dann ab 2015 mit dem Einstieg der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung zur seltenen Gattung der „Einhörner“ in Deutschland zählen, also den noch nicht börsengelisteten Startups, die eine Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar erzielen.
Inzwischen hat Curevac an der Nasdaq einen Börsenwert von gut 20 Milliarden Dollar – und dies, obwohl man mit der eigenen Impfstoffentwicklung mehr als ein halbes Jahr gegenüber den mRNA-Konkurrenten Biontech und Moderna zurückliegt und bisher noch keine Daten für die entscheidenden klinischen Studien vorliegen.
Klein macht in seinem kenntnisreichen Buch über das Tübinger Unternehmen keinen Hehl aus seiner Bewunderung für das „außergewöhnliche und faszinierende Beispiel von Curevac“ und seinen Gründer. Mitunter schwingt fast etwas Glorifizierung mit.
Das mag auch daran liegen, dass er selbst Teil der Curevac-Geschichte ist. Firmengründer Hoerr lernte er Ende der 90er-Jahre bei einem MBA-Studium kennen. Von 2002 bis 2010 war er Finanz- und Personalchef bei Curevac. Seine Geschichte kann er daher mit vielen Details und Anekdoten aus der Anfangszeit bereichern – von der Mobiliarbeschaffung beim Möbeldiscounter bis hin zu den ersten mühsamen Finanzierungsrunden mit Geldgebern aus der Region.

Vom Curevac-Gründer stammt die Idee, mRNA als Impfstoff zu nutzen.
Lesenswert ist die Curevac-Story vor allem aber auch wegen des umfangreichen Hintergrunds, den der Autor sowohl zur Finanzierungssituation im Biotechbereich als auch mit Blick auf die Technologie des Unternehmens vermittelt.
Auf eine auch für Laien sehr verständliche, lebendige und zuweilen auch amüsante Weise erklärt Klein die Funktion von mRNA, die Herausforderung beim Einsatz als Medikament und Impfstoff und auch einige Besonderheiten der Curevac-Technologie im Vergleich zu den wichtigen Konkurrenten.
Ebenso informativ und aussagekräftig sind seine Ausführungen zu den finanziellen und steuerlichen Rahmenbedingungen für junge Biotechfirmen in Deutschland. Als Ex-Manager bei Curevac und Mitgründer des Biotechunternehmens Katairo weiß Klein auch auf diesem Feld, wovon er redet.
Sein Urteil fällt eher ernüchternd aus: „Die Umstände des besonderen Erfolgs von Curevac belegen, wie sehr dieses leuchtende Beispiel das Ergebnis der besonderen Hingabe und Risikobereitschaft aller Beteiligten war und wie wenig das Produkt einer cleveren Standortpolitik fü̈r Innovation.“
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