Shortlist zum Wirtschaftsbuchpreis 2021 Fränzi Kühne sieht Männer nicht nur als Teil des Problems – sondern auch der Lösung

Erfolgreichen Frauen werden in der Regel andere Fragen gestellt als erfolgreichen Männern.
Düsseldorf Mit fester Stimme fragt sie: „Hat man Sie schon einmal wegen Ihrer optischen Attribute befördert?“ Gregor Gysi glaubt, nicht richtig gehört zu haben: „Wegen welcher Attribute?“ Und fragt dann zurück: „Sie meinen, weil ich so schön bin?“ Da müssen beide lachen. Gregor Gysi, der Linken-Politiker, und Fränzi Kühne, die Fragestellerin.
Dabei hat die Frage einen ernsten Hintergrund. Denn Kühne musste sie schon so oft beantworten. Als einst jüngste Aufsichtsrätin Deutschlands, Gründerin einer Social-Media-Agentur, Digitalexpertin, war bei vielen das Interesse an ihrem Aussehen größer als das an ihrer fachlichen Kompetenz. Schließlich fiel sie mit auf einer Seite kurz geschorenem Haar und Sneakern auf in der sonst von Anzug und Krawatte geprägten Konzernwelt.
Können Sie für andere junge Frauen ein Vorbild sein? Was ziehen Sie zur nächsten Aufsichtsratssitzung an? Wer passt gerade auf Ihre Kinder auf? Kein Interview, das ohne eine solche Frage auskommt. Aber warum eigentlich? Und warum werden Männern nicht die gleichen Fragen gestellt?
Das wollte Kühne wissen – und drehte den Spieß um. Sie suchte erfolgreiche Männer, die genau die Fragen beantworten sollten, mit denen sie sich immer auseinandersetzen muss. Gesammelt hat sie diese in ihrem Buch „Was Männer nie gefragt werden. Ich frage trotzdem mal“, erschienen im Fischer Verlag und nun nominiert für den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis.
Es ist ein kluges und zugleich amüsantes Buch, was zum Teil an den Antworten der Herren liegt, zum Teil an Kühnes von trockenem Humor geprägten Einordnungen. 22 Männer haben sich ihrem Fragenkatalog gestellt. Erfolgreiche Männer aus Wirtschaft, Politik und Kultur.
Der ehemalige Siemens-Chef Joe Kaeser ist dabei, Deutsche-Bank-Konzernsprecher Jörg Eigendorf, Investor Frank Thelen, Werber Jean-Remy von Matt, Bundesaußenminister Heiko Maas, aber auch ein Sänger, ein Internetstar, ein Arzt, ein Ordensmann.

Fränzi Kühne: Was Männer nie gefragt werden. Ich frage trotzdem mal.
S. Fischer Verlag
Frankfurt 2021
235 Seiten
14 Euro
Anfragen hatte Kühne mehr als doppelt so viele gestellt, vor allem bei Konzernlenkern, aber, das sagte sie in einem Handelsblatt-Gespräch zum Erscheinen des Buches, es habe sich bei vielen im Laufe der Gesprächsanbahnung herausgestellt, „dass das nicht das Thema war, worüber Männer in solchen Positionen in Unternehmen reden möchten. Da gibt es eine sehr große Scheu, sich zu positionieren und eine Haltung zu zeigen.“
Umso mehr wird deutlich, welch wichtige Debatte Fränzi Kühne mit ihrem Buch befeuert. Noch immer sind Frauen in Wirtschaft und Politik deutlich unterrepräsentiert.
Und die Frauen, die Führungspositionen innehaben, werden immer noch eine Spur kritischer beäugt. „Von Männern lässt man sich die Welt erklären, Frauen dagegen müssen beweisen, dass sie die Welt verstanden haben.“ Eine Erkenntnis, die Kühne im Laufe des Buches gewinnt.
Viel zu tun beim Thema Gleichberechtigung
Die Gespräche, die Kühne geführt hat, zeigen sehr anschaulich, wie viel beim Thema Gleichstellung noch zu tun ist. Die Männer reagierten teils erheitert, teils irritiert auf Kühnes Fragen – vor allem, weil sie solche Fragen einfach nicht gewohnt sind. Auf die meisten Fragen antworteten die Männer relativ unreflektiert, sie waren schlichtweg nicht vorbereitet. Weil sie damit bislang noch nie konfrontiert waren.
Die Antworten der Herren bettet Kühne in einen größeren Kontext ein, kommentiert, vergleicht sie miteinander, zieht Zahlen und Studien heran. Etwa dass das Erscheinungsbild von männlichen Führungskräften in Presseartikeln durchaus Thema ist, bei Frauen aber ausführlicher beschrieben wird. Oder: „In Medienberichten und Interviews ist die Familie bei Frauen zweieinhalbmal so häufig ein Thema wie bei Männern.“
Kühnes Ziel, die Männer darüber zum Nachdenken zu bringen, hat sie zumindest bei ihren 22 Gesprächspartnern schon erreicht. So resümiert denn Kühne selbst, dass der „durchschnittliche deutsche erfolgreiche Mann“, den sie interviewt habe, gezeigt habe, „dass er Teil des Problems ist, dass er aber auch gern Teil der Lösung wäre“.
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