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Interview mit Ed Conway„Wir müssen mehr darüber nachdenken, wie abhängig wir sind“

Der Sieger des Deutschen Wirtschaftsbuchpreises spricht darüber, wie wichtig Rohstoffe für den Fortschritt sind – und warum Europa auch selbst abbauen muss.Hans-Jürgen Jakobs 19.10.2024 - 13:28 Uhr Artikel anhören
Sieger Ed Conway (auf der Leinwand) im Gespräch mit Jury-Chef Hans-Jürgen Jakobs: „Es geht darum, ob wir bereit sind, in den Boden zu gehen.“ Foto: Christian Wermke

Frankfurt. Mr. Conway, Sie sind Journalist bei Sky News und haben schon zwei Bücher veröffentlicht. Wie sind Sie auf die Idee zu „Material World“ gekommen?
Als ich das Buch zu schreiben begann, war es nicht besonders im Trend, über Rohstoffe zu sprechen. Aber sie sind nun mal die Grundlagen, um unseren Lebensstandard zu erhalten. Ich hatte in den USA eine Goldmine besucht. Was ich dort gesehen habe, hat meine Perspektive auf die Weltökonomie komplett verändert. Denn um Gold aus dem Boden zu bekommen und es in Dinge wie Ringe und Barren zu verwandeln, entsteht so viel Zerstörung. Das ist ein konstanter Teil der Maschinerie, die all die Produkte betrifft, die wir täglich nutzen. Es passiert oft in anderen Ländern, wo wir weniger dafür bezahlen müssen. Ich glaube, dass wir nicht genug über die Konsequenzen und die Realität dessen nachdenken, was es braucht, um an Rohstoffe zu kommen und sie in die Produkte zu verwandeln, die wir täglich verwenden.

Was bedeutet das für Europa?
Was in der Ukraine passiert ist, war ein Weckruf für Europa, besonders für die deutsche Industrie. Wir müssen mehr darüber nachdenken, wie zentral Energie und Rohstoffe für unsere Welt sind und welche Abhängigkeiten es von anderen Ländern gibt in den verschiedenen Lieferketten. Für Deutschland insbesondere von China. Die wirtschaftlichen Herausforderungen, mit der wir gerade durch das Ziel der Netto-Null-Emissionen konfrontiert sind, sind massiv. Ich bin kein Wissenschaftler, aber für mich als Journalist fühlte sich das Buch wie eine der wichtigsten Geschichten an, die es gerade in der Welt zu erzählen gibt.

Die meisten Rohstoffe werden von chinesischer Seite kontrolliert, entweder durch Bergbau oder durch Veredelung. Ist es daher unvermeidlich, dass die Volksrepublik zur dominierenden Weltmacht wird, wie Peking es plant?
Im Buch beschreibe ich vor allem Sand, Salz, Eisen, Kupfer, Öl und Lithium. Das sind nicht die einzigen Materialien, von denen wir abhängig sind, aber sie sind wirklich wichtig. China hat über diese Rohstoffe und wo sie herkommen viel länger und auf viel strategischere Weise nachgedacht als wir in Europa und auch in Amerika. Sie haben einen fast uneinholbaren Vorsprung, wenn es um die Herstellung von Batterien, Solarmodulen oder Stahl geht, den es für Windturbinen braucht. Das ist eine massive Herausforderung für Europa.

Solarinstallation in der chinesischen Provinz Hunan: Peking liegt fast uneinholbar vorn. Foto: Visual China Group/Getty Images

Wie sollte sich Europa geopolitisch positionieren?
Europa befindet sich wirklich in einer schwierigen Lage. Die nächsten Jahre werden sehr schwierig und ziemlich holprig für unsere Unternehmen, weil Peking einen solchen Vorsprung hat. Das ist sowohl beängstigend, aber auch ermutigend: Es gibt keinen theoretischen technologischen Grund, warum wir nicht all diese großen Ambitionen erreichen können, die wir uns gesetzt haben bei Emissionen und dem Versuch, die Kreislaufwirtschaft zu erschaffen.

Wie kann das funktionieren?
Europa muss herausfinden, wer seine wirklichen Verbündeten sind und welche die nächsten wichtigen multilateralen Institutionen sind. Europa muss ein Teil davon sein, um seine Lieferkette der Zukunft zu sichern. Die USA sind sehr reich an Rohstoffen, Europa ist es nicht. Gleichzeitig haben wir hier sehr hohe Energiekosten. Diese beiden Dinge zusammen treffen uns doppelt hart. Wir müssen sehr genau darüber nachdenken, woher wir unsere Energie beziehen. Wir müssen auch genau darüber nachdenken, ob Kernenergie in Zukunft nicht eine praktikable Option sein kann.

Das ist in Deutschland eine sehr kontroverse Frage ...
Nicht nur in Deutschland, in Großbritannien ebenso. Aber genau das sind existenzielle Fragen, die wir uns jetzt stellen müssen. Wir sehen die Konsequenzen doch jetzt schon, wenn wir durch das Ruhrgebiet fahren oder andere Regionen. Es wird für die Unternehmen immer schwieriger. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass das Buch eine Art Polemik sei oder politisch geprägt. Aber wir müssen in Europa wirklich einige große Entscheidungen treffen, um die Energiekosten zu senken, und gleichzeitig sicherstellen, dass wir genug Rohstoffe wie Lithium bekommen. Nur so können wir die Zukunft mit Wind-, Solar- und Wasserkraft erschaffen, die wir uns alle wünschen. Um grün zu werden, müssen wir die Rohstoffe aus dem Boden holen – auch wenn die Leute das unbequem finden.

Lithium-Abbau in Nevada: Europa muss sich den Zugriff weltweit sichern. Foto: REUTERS

Sollten wir den Rohstoffabbau lieber selbst in Europa machen? Es gibt derzeit eine große Diskussion in Serbien über den Abbau von Lithium und die möglichen Umweltschäden, die Sie auch in Ihrem Buch thematisieren.
Das ist genau der Punkt, um den es geht. Wir brauchen in den kommenden Jahren genug Lithium, um all diese Batterien zu versorgen, die wir in unseren Elektroautos verbauen. Wir müssen den Lithiumabbau in einem Tempo steigern, das wir bei keiner anderen Form des Bergbaus, bei keinem anderen Metall jemals in der Geschichte gesehen haben. Wir brauchen es aus China, sollten uns auch so viele Vorräte wie möglich aus Chile und anderen Ländern auf der ganzen Welt sichern. Und Serbien: Das ist die größte bekannte Ressource von Lithium, die wir in Europa haben. Aber verständlicherweise sind die Leute nervös und zögern, die Mine zu genehmigen. Das Problem ist hierbei nicht geologisch: Es geht nicht um die Verfügbarkeit von Mineralien, sondern darum, ob wir bereit sind, in den Boden zu gehen und dieses Zeug abzubauen.

Und sind wir das?
Wir müssen es auf jeden Fall werden. Wir brauchen in Zukunft viel mehr Recycling. Und ja, wir müssen weit mehr zu einer Kreislaufwirtschaft werden. Aber wir müssen immer noch irgendwo anfangen, und die Logik von Netto-Null beinhaltet einfach ein Umdenken darüber, wie industrielle Prozesse funktionieren. Wir haben das seit vielen, vielen Jahrzehnten für viele dieser Verarbeitungen nicht getan. Wir brauchen den Bau einer enormen Menge an Infrastruktur – auch direkt bei uns in Europa.

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Mr. Conway, danke für das Gespräch.

Mehr: „Material World“ von Ed Conway ist das beste Wirtschaftsbuch des Jahres.

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