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RezensionDie Geschichte des Klimas: Wie wir mit unserer Zukunft spielen

Der Historiker Peter Frankopan legt ein einzigartiges Buch über das Klima vor. Er zeichnet die Geschichte der Koexistenz zwischen Mensch und Klima – und erklärt Wissenswertes aus lang vergangener Zeit.Hans-Jürgen Jakobs 19.08.2023 - 11:58 Uhr Artikel anhören

Es geht in diesem Buch ums „verlorene Paradies“. Schon immer haben Warm- und Kaltphasen das Werden und Sterben von Imperien begleitet, schon immer haben Menschen mit Überbewirtschaftung Böden vernichtet.

Foto: IMAGO/INA Photo Agency

München. Bereits vor fast 50 Jahren begann die Welt, zunächst vornehmlich die westliche, über Grenzen des Wachstums und der Umweltzerstörung zu diskutieren. Es war der US-Präsident Jimmy Carter, der 1977 den Ausstieg aus Erdöl und Erdgas versprach, zugunsten von Windkraft, Sonnenenergie und Erdwärme.

Doch schon damals hatte es Green Energy als Wahlprogramm schwer. Der Demokrat Carter unterlag dem Republikaner Ronald Reagan, einem Freund der Öllobby.

Es sind solche Anekdoten, mit denen Peter Frankopan ein einzigartiges Geschichtsbuch über das Klima ausschmückt und es zur Basislektüre für jeden macht, der bei Erderwärmung, Extremwetter, steigenden Meeren oder schmelzenden Gletschern mitreden will. Und solchen Debatten kann man in einer zunehmend polarisierten, erregten, um die eigene Zukunft bangenden Gesellschaft kaum entgehen.

Der Geschichtsprofessor an der Universität von Oxford hat sich mit Arbeiten über die Seidenstraße und die Kreuzzüge viel Renommee erworben. Nun beweist er sich erneut als akribischer Sammler und Verarbeiter historischer Fakten. Auf nicht weniger als 1000 Seiten legt er eine neue Menschheitsbetrachtung aus ökologischem Blickwinkel vor. 4,5 Milliarden Jahre vergehen wie im Fluge.

Dieses Opus magnum zur Causa Klima wechselt zwischen untergegangenen und untergehenden Imperien, zwischen Bronzezeit, Achsenzeit und Anthropozän. Manchmal treibt es den Oxford-Gelehrten auch über bloße Klimafragen hinaus.

Klar wird: Eine homogene Beurteilung der Fragen rund ums globale Klima gibt es so wenig wie eine große Weltformel. Frankopan bietet in seinem verständlich geschriebenen Lehrbuch immerhin eine Fülle, fast schon Überfülle, an Verständnishinweisen. Nur allzu gern schließt man sich seiner Selbstgewissheit an: Der Historiker lernt aus dem Blick zurück.

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Unter anderem schildert der 52-jährige Frankopan, wie er selbst mit Geschichten über sauren Regen und Atomgefahren groß geworden ist. Wir stünden nun am Rand einer Katastrophe, schreibt er, „wir spielen mit unserer Zukunft“.

Eines habe sich nämlich auf der Erde nie geändert: Die natürliche Umwelt und das Klima gäben den Rahmen für unsere Existenz vor. Dies präge das Schicksal von Anbeginn der Zeit. Der Klimawandel hat auch die Lagerstätten von Rohstoffen wie Kohle, Erdöl und Erdgas bestimmt.

Und so lesen wir mit staunenden Augen von einer Chronik der Naturlaunen: Mal gab es 6150 v. Chr. einen Tsunami vor Norwegen, dann wiederum kollabierte 2200 v. Chr. in Mesopotamien während einer Trockenphase das Reich von Akkad.

Immer wieder haben solche Eruptionen das Klima und die Welt verändert. Aber auch der Mensch hat die Problemlage verschärft, sei es durch exzessive Wassernutzung, Abholzen der Wälder, extreme Verstädterung oder Ressourcennutzung mithilfe von Bergwerken. Sehr deutlich wurde das in den Phasen der Kolonialisierung. Frankopan: „In dieser Phase der Geschichte war Profit der Motor. Er war es, der zum Umbau der Macht, zur Verformung der Natur und schließlich zum Klimawandel selbst führte.“

Peter Frankopan: Zwischen Erde und Himmel. Rowohlt Berlin, Berlin 2023, 1024 Seiten, 44 Euro Foto: Handelsblatt

In der jüdisch-christlichen Weltsicht ist der Mensch der Natur immer überlegen und kann sie sich deshalb untertan machen. Das aktuelle Ergebnis dieser Dominanz sieht dann so aus, dass aktuell 1300 Schädlinge weltweit Pflanzen bedrohen.

Es geht in diesem Buch ums „verlorene Paradies“. Schon immer haben Warm- und Kaltphasen das Werden und Sterben von Imperien begleitet, schon immer haben Menschen mit Überbewirtschaftung Böden vernichtet.

>> Lesen Sie hier: Kritik am Kapitalismus – Die Grenzen des Wachstums

Was nun aber hinzukommt, ist viel schlimmer: große Mengen an Treibhausgasen, produziert in Städten, entstanden durch Verkehr, Gebäude, Müllbeseitigung oder auch Klimaanlagen. Schließlich verbrennen allein die Saudis täglich 700.000 Fass Öl, bloß um ihre Innenräume zu kühlen. Der Kipppunkt sei vielleicht schon erreicht, warnt Frankopan, „was wir allerdings nicht sagen können, ist, dass wir nicht gewarnt worden seien“.

Verwandte Themen Literatur Klimawandel Umweltschutz

Er legt selbst eine Warnung vor und fürchtet Wettermanipulationen durch China, Saudi-Arabien und die USA, um so künstlich Regen zu erzeugen. Er sieht aber auch Zeichen des Optimismus, etwa Investitionen in grüne Energien.

Eile sei geboten. Partha Dasgupta, Ökonom aus Bangladesch, hat das Schlusswort. Die Staaten der Welt, resümiert er, würden das Problem verschärfen, „indem sie Menschen für die Ausbeutung der Natur besser entlohnen als für deren Schutz“. Wir würden 1,6 Erden benötigen, um unseren Lebensstandard zu halten. Diese Rechnung kann nicht aufgehen.

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