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Shortlist Wirtschaftsbuchpreis 2024Die große Lebens-Nachhilfe

Der US-Organisationspsychologe Adam Grant hat mit „Hidden Potential" eine Anleitung zum Über-sich-Hinauswachsen geschrieben. Und erklärt, warum es lohnt, auch mal am Chef vorbeizukommunizieren.Lazar Backovic 18.09.2024 - 11:22 Uhr Artikel anhören
Autor Adam Grant. Foto: Getty Images Entertainment/Getty Images

Düsseldorf. Wer Erfolgsbiografien mag, dem wird nicht entgangen sein, dass einige CEOs in ihren jungen Jahren ziemlich lausige Schüler oder Studenten waren. Virgin-Gründer und Legastheniker Richard Branson etwa schmiss die Schule mit 15, um mit seinem Unterhaltungsimperium durchzustarten. Auto-Legende Henry Ford schraubte in seinem Dörfchen in Michigan zwar schon als Teenager an eigenentwickelten Verbrennungsmotoren, drückte dafür aber nur selten die Schulbank. Michael Dell, Mark Zuckerberg, Steve Jobs: alles legendäre Unternehmer – alle ohne Uni-Abschluss.

Nun ist schon etwas länger bekannt, dass gute Unternehmer nicht unbedingt auch gute Schüler gewesen sein müssen. Der US-Organisationspsychologe Adam Grant seziert in seinem Buch „Hidden Potential“ die Faktoren des Erfolgs jedoch wissenschaftlich – und hat daraus eine Art Anleitung zum Über-sich-Hinauswachsen geschrieben. Einer der wunderbarsten Grant-Sätze auf den gut 300 Seiten lautet: „Es geht beim Potenzial nicht darum, wo man anfängt, sondern wie weit man kommt.“

Grants Buch ist so etwas wie eine große Lebens-Nachhilfe, die – im Gegensatz zu echtem Nachhilfeunterricht – Aha-Erlebnisse verspricht. Natürlich gäbe es auch die Wunderkinder wie Mozart, weiß der Wharton-Professor, der selbst so etwas wie ein Shootingstar seiner Zunft ist. „Es gibt aber auch viele Bachs – Spätzünder, die langsam aufsteigen.“ Für sie hat er drei Erfolgsfaktoren ausgemacht, in die er praktischerweise sein Buch unterteilt hat.

Charakter ist nichts Gottgegebenes

Da sind erstens die eigenen Charakterstärken. Grant zitiert eine Studie des Harvard-Ökonomen Raj Chetty, wonach Schulkinder später im Job umso erfolgreicher sind (und bedeutsam mehr verdienen), wenn ihre Lehrer es schaffen, sie dazu zu ermutigen, kritische Fragen zu stellen oder im Team zusammenzuarbeiten, statt nur stur den Lehrplan zu pauken. Wobei auch die Disziplin, Dinge einfach durchzuziehen, erfolgsentscheidend ist, wie die Studie zeigt.

Dennoch schreibt Grant: „Wenn man eine Prognose für das Einkommenspotenzial von Viertklässlern aufstellt, sollte man wirklich weniger auf die objektiven Mathematik- und Sprachfähigkeiten als auf die subjektive Einschätzung ihrer Verhaltensmuster durch Lehrkräfte schauen.“

Adam Grant: Hidden Potential – Die Wissenschaft des Erfolgs
Piper Verlag
München 2024
352 Seiten
20 Euro

Für Grant ist Charakter dabei nicht etwas Gott- oder Lehrkraftgegebenes, das sich nicht mehr verändern kann. Es ist das Verhalten, für das man sich bewusst entscheidet – auch in Drucksituationen. Dieses ließe sich auch später noch trainieren, etwa indem man zu einer Art „menschlichem Schwamm“ wird, wie Grant es nennt. Jemand, der alles in seiner Umgebung aufnimmt, aber auch zu filtern lernt. Lebens-Nachhilfe eben.

Sich selbst ein Gerüst für Fähigkeiten bauen

Erfolgsfaktor zwei sind bestimmte Rituale oder Strukturen, mit denen man sich selbst dazu bringt, besser zu werden. Grant nennt das Scaffolding, was bildlich gesprochen so viel heißt wie, sich selbst ein Baugerüst für seine Fähigkeiten hochzuziehen.

Ein gutes Scaffolding-Beispiel ist der Trainer von NBA-Superstar Stephen Curry, der seinen Schützling im Training immer wieder ein Spielchen namens „21“ exerzieren lässt. Bei der selbst erdachten Challenge hat Curry eine Minute Zeit, 21 Punkte zu werfen. Der Haken: Nach jedem Wurf muss er an die Mittellinie vorrennen.

Adam Grant

Management-Forscher über Home-Office: „Nicht nur die Zukunft ist hybrid, sondern auch die Gegenwart“

Bildungspolitiker und Führungskräfte sollten dem dritten Teil des Buches besondere Aufmerksamkeit schenken. Hier geht es um Systeme, die allen Menschen die Chance geben, „das Beste in jedem zum Vorschein zu bringen“, wie Grant schreibt.

Für Unternehmen sieht der Organisationspsychologe sogenannte Gitternetzsysteme als optimale Struktur, in der nicht alle mit dem Chef, sondern alle untereinander und damit auch mal am Chef vorbeikommunizieren, um die besten Ideen zu entwickeln. Grant: „Große Führungspersönlichkeiten bauen Systeme, in denen alle Stimmen verstärkt werden und der Bote befördert wird.“

Blick aufs Bildungsvorbild Finnland

Der US-Professor nimmt außerdem das finnische Schulsystem näher unter die Lupe, das viel auf Freiheiten und Personalisierung beim Lernen setzt – und über Jahre Pisa-Spitzenreiter in Europa war.

Allerdings passierte in den vergangenen Jahren etwas Interessantes: Finnlands Pisa-Ergebnisse wurden schlechter. Die Reaktion darauf sei aber nicht gewesen, „mit überhasteten Maßnahmen irgendwie ihre Rankings zu verbessern“, schreibt Grant. Vielmehr führten die finnischen Schulen Experimente durch, um herauszufinden, wie sie den Unterricht motivierender für die Kinder gestalten könnten.

Verwandte Themen PISA Literatur USA

„Eine Kultur der Chancen ist nur dann erfolgreich, wenn die Schüler motiviert sind, diese zu nutzen“, schreibt Grant etwas kalenderspruchartig. Zur Wahrheit dürfte allerdings auch gehören, dass Finnland viel Verantwortung für die Bildungspolitik in die Kommunen ausgelagert hat und auch die sozialen Unterschiede in den vergangenen Jahren stark zunahmen. Das lässt Grant jedoch unerwähnt.

Mehr: Das sind die zehn besten Wirtschaftsbücher des Jahres 2024

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