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Shortlist WirtschaftsbuchpreisEinblicke in den „Mafiastaat“, der Europas Sicherheit bedroht

Die Osteuropa-Expertin Sabine Adler beleuchtet in „Was wird aus Russland“ die „Blackbox“ Moskau – und nähert sich der Antwort auf die Frage an, welche Zukunft das Land und Putins Regime noch haben können.Teresa Stiens 19.09.2024 - 05:00 Uhr Artikel anhören
Autorin Sabine Adler Foto: IMAGO/Jürgen Heinrich

Düsseldorf. Nicht erst seit der groß angelegten Invasion in der Ukraine, aber spätestens seit diesem Moment, ist Russland für viele zu einer Blackbox geworden. Deshalb ist das, was die ehemalige Russlandkorrespondentin des Deutschlandfunks und Osteuropa-Expertin Sabine Adler in ihrem neuen Buch liefert, umso wertvoller. Wie blicken die Russen wirklich auf das, was ihr Präsident euphemistisch als „Spezialoperation“ bezeichnet? Worauf beruht das „System Putin“, und wie wahrscheinlich ist der Sturz seines Regimes?

Adler schafft es, tiefgehende Antworten zu geben und diese in den Kontext der russischen Geschichte und des Zeitgeschehens einzuordnen. Dabei gelingt es ihr, weder in die Propagandafalle des Kremls zu tappen noch auf Plattitüden und Verallgemeinerungen zurückzugreifen. Auch die Perspektiven durch Moskau unterdrückter Regionen wie der Ukraine, Tschetschenien, aber auch russischer Völker wie der Burjaten finden dabei ihren Platz.

Neben Einblicken in die russische Gesellschaft liefert Adler außerdem fundierte Analysen von Wladimir Putins Machtpolitik. Adler verrät, nach welchen Regeln sein Regime funktioniert, analysiert, wie stabil es ist und welche Auswirkungen Sieg oder Niederlage im Ukrainekrieg für Putin hätten. Der Titelfrage „Was wird aus Russland?“ nähert sich Adler immer weiter an, ohne sie abschließend beantworten zu können. Ihr Zwischenfazit: „Aus Russland ist ein gefährlicher Mafiastaat geworden, der Europas Sicherheit bedroht.“ Das werde so bleiben – zumindest, wenn Putins Regime nicht von innen und außen massiv bekämpft werde.

Ein Bürgerkrieg ist nicht unwahrscheinlich

Adler wagt auch einen Blick in eine Zukunft nach Putin und stellt die Frage, ob ihn sein Regime überleben wird. Sie wirft dabei einen Blick in die Forschung und schlussfolgert: „Noch nicht einmal der Tod im Amt muss eine Veränderung herbeiführen, weil in etwa 80 Prozent der Fälle das Regime überlebt.“ Längst nicht alle Eliten in Russland sind Putin wohlgesinnt. Schließlich führte sein Angriffskrieg zu westlichen Sanktionen und dem Einfrieren russischer Gelder.

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Auch deshalb halten Experten, die Adler zitiert, einen Bürgerkrieg in Russland für nicht unwahrscheinlich. Den Staat unter Putin beschreibt Adler als schwach, die politischen Institutionen seien nur leere Hüllen, die „Putin und seine Polit-Technologen“ zerstört hätten. Schon jetzt hätten sich Privatarmeen gebildet, teilweise angestellt von Unternehmen wie dem Gasgiganten Gazprom.

Die wohl bekannteste Privatarmee, die Wagner-Gruppe, ist auch außerhalb Russlands präsent – vor allem auf dem afrikanischen Kontinent. Sie exportiert das illiberale russische System dorthin und kooperiert mit antidemokratischen Kräften vor Ort, auch um amerikanische Interessen auf dem Kontinent zu vereiteln. So beschreibt Adler das Vorgehen der „Wagnerianer“, denen sie ein Kapitel widmet. Doch sie sieht in ihnen auch eine große Gefahr für den Präsidenten. „Dass nichtstaatliche Akteure überhaupt Gewalt ausüben dürfen, erhöht die Gefahr für einen innerrussischen Machtkampf, der Putin am Ende das Amt kosten könnte.“

Wie könnte es nach dem Krieg weitergehen?

Spannend ist auch, dass Adler sich die Frage einer möglichen russischen Läuterung nach dem Krieg stellt. Sie behandelt dabei sowohl den Haftbefehl gegen Putin durch den Internationalen Strafgerichtshof als auch die Frage nach möglichen Reparationen Russlands an die Ukraine. Sowohl für Russen als auch für Ukrainer sei die Aussicht auf Reparationszahlungen über Generationen hinweg ein Grund weiterzukämpfen.

Sabine Adler: Was wird aus Russland? Über eine Nation zwischen Krieg und Selbstzerstörung
Ch. Links Verlag
Berlin 2024
336 Seiten
22 Euro

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Wenn Russland den Krieg gewinnen und die Ukraine dauerhaft vereinnahmen sollte, werde damit kein Modernisierungsprozess für das besetzte Gebiet einhergehen, schätzt Adler. Denn das Modell des russischen Imperialismus beruhe allein auf der Größe des Reiches und dem Grundgedanken, eine beherrschbare Masse zu drangsalieren, degradieren und auszubeuten.

Wer Putins Russland und seine imperialistischen Pläne wirklich kennenlernen und seine Relevanz im globalpolitischen Kontext begreifen will, sollte Adlers Buch lesen. Auch, um den Status quo zu verstehen, um die Entwicklung dorthin zu begreifen und um eine mögliche Zukunft des riesigen Staates ins Auge zu fassen. So kann man sich auch der Frage annähern, welche Zukunft ein Europa hat, das sich an einen aggressiven Diktator mit Atomwaffen in der direkten Nachbarschaft gewöhnen muss.

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