Shortlist zum Wirtschaftsbuchpreis 2021 Bill Gates: „Wie wir die Klimakatastrophe verhindern“

Die Stromerzeugung spielt für Bill Gates eine Schlüsselrolle.
Es ist ein Bild, das sich einprägt. Die Atmosphäre der Erde sei wie eine Badewanne, deren Abfluss verschlossen ist, schreibt Bill Gates. Jedes ausgestoßene CO2-Molekül ist ein Wassertröpfchen, das dazu beiträgt, die Wanne eines Tages zum Überlaufen zu bringen. „Das ist die Katastrophe, die wir verhindern müssen.“
Die Metapher ist aus zwei Gründen nützlich. Es zeigt die Unumkehrbarkeit jeder Emission – und die Notwendigkeit drastischer Maßnahmen. Der CO2-Ausstoß muss auf null gebracht werden, fordert Gates. „Selbst wenn wir den Wasserhahn bis auf ein Tröpfchen zudrehen, wird die Badewanne doch irgendwann voll sein und überlaufen.“
Nüchtern analysiert der Amerikaner das Problem. Das ist die Stärke des Buches. Es geht um Lösungen und nicht um Interessen. „Ich denke eher wie ein Ingenieur als wie ein Politikwissenschaftler“, schreibt Gates.
Der Microsoft-Gründer analysiert anschaulich die globalen jährlichen Emissionen von 51 Milliarden Tonnen CO2, bricht sie auf fünf Kategorien herunter. Dadurch wird klar, dass wir viel über Elektroautos sprechen, aber beispielsweise viel zu wenig über Zement – obwohl der mehr Emissionen verursacht.
Weniger Konsum ist für den Milliardär übrigens kein Ausweg. Mit seiner Stiftung, der Bill & Melinda Gates Foundation, hat Gates zu viele arme Länder und ihre leidende Bevölkerung gesehen, wie er sagt. „Zwar sollten Großemittenten wie ich weniger Energie verbrauchen, doch die Welt insgesamt sollte mehr von den Gütern und Dienstleistungen in Anspruch nehmen.“

Bill Gates: Wie wir die Klimakatastrophe verhindern.
Piper Verlag
München 2021
316 Seiten
22 Euro
Rationale Lösungen für die Klimakatastrophe
Der Schlüssel zum erfolgreichen Kampf gegen den Klimawandel bestehe darin, „saubere Energie ebenso billig und zuverlässig zu machen wie das, was wir jetzt durch fossile Brennstoffe bekommen“. Nur ein radikaler Umbau der Energiewirtschaft und zahlreiche und mutige Innovation können uns vor der Katastrophe retten, auf die die Welt zusteuert.
Die Stromerzeugung spielt eine Schlüsselrolle. Sie verursacht nicht nur 27 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Ein grüner Strom ist auch Voraussetzung dafür, andere Sektoren sauber werden zu lassen: wie „Transport und Verkehr“ – der 16 Prozent des CO2-Ausstoßes verursacht –, durch Elektrofahrzeuge oder „Industrieproduktion“ – verantwortlich für 31 Prozent –, durch CO2-freien Zement oder Stahl.
Bei der Analyse der Stromproduktion bringt Gates interessante Fakten ins Spiel. Beispielsweise die Leistungsdichte einer Stromquelle: So schaffen fossile Energieträger 500 bis 10.000 Watt pro Quadratmeter, während Solar nur auf fünf bis 20 oder Wind auf ein bis zwei Watt kommt. Atomkraft erreicht 500 bis 1000 Watt pro Quadratmeter. Gates befürwortet sowohl Atomkraft als auch Solar- und Windanlagen, verweist aber auf deren Intermittenz-Problem – nicht immer scheint die Sonne oder weht der Wind.
Gates führt das Konzept eines Ökozuschlags ein: Wie viel mehr kostet die emissionsfreie zur konventionellen Lösung? Beispielsweise kostet nachhaltiges Kerosin 140 Prozent mehr als herkömmliches, rechnet Gates vor. Der Ansatz führt weg von der absoluten Betrachtung der Reduktion von CO2 und ermöglicht eine gewichtete Perspektive: Welche Innovationen werden den größten Effekt auf Emissionen entfalten?
Allerdings ist der Ökozuschlag nicht immer leicht zu berechnen. Die Gesamtkosten der Umstellung schätzt Gates auf 5,1 Billionen Dollar jährlich. Eine erstaunliche Zahl – sie entspricht in etwa dem Bruttoinlandsprodukt Deutschlands.
Das Buch mag manchen zu nüchtern geschrieben sein. Aber seine Logik ist immer klar und nachvollziehbar. Bestimmte Punkte wie Atomkraft sind sehr ausführlich und vielleicht zu unkritisch beschrieben. Aber das Buch bietet insgesamt eine rationale Lösung des Jahrhundertproblems Klimawandel – und ist von daher unverzichtbar.
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